Wie wichtig Ersatzteile sind: Der tote Zerhacker.

Motor und Zerhacker einer Vetus WCP Elektrische Bootstoilette.
Ein kleines Ratespiel: Was ist das?

„Gut, dass du diese Teile hast, denn dann wird sie nie kaputt gehen!“

Bert Frisch von der Heimkehr im Sommer 2022

Leider hatte Bert nicht recht.

Ich fange mal vorsichtig an: Dieser Artikel handelt von Ersatzteilen. Und wie wichtig es ist, sich eine wohl überlegte Strategie auszudenken und diese auch umzusetzen. Um sie im richtigen Moment dann auch zu haben, die Ersatzteile.

Der Anwendungsfall war dieses Mal ein leider etwas Unappetitlicher. Doch da fast jeder Bootseigner, so er denn nicht mit derartigen finanziellen Mitteln ausgestattet ist, dass er alles immer machen lässt, mal in eine ähnliche Situation kommt, lohnt sich ein Artikel darüber. Wie du mittlerweile vermutlich schon ahnst, dreht es sich um die (elektrische) Toilette auf dem Boot. Und so beschreibt dieser Artikel auch die Funktionsweise und Reparatur dieser so wichtigen Ausrüstung.

Eine kleine Warnung: Fotos in dem folgenden Text könntest du als unangenehm empfinden. Trotzdem sind sie interessant und lehrreich. Und wenn du mal in so eine Situation kommst wie ich, wirst du vermutlich froh sein, dir das angeguckt zu haben.
Elektrische Bootstoilette zerlegen und Fehler suchen.
Eine völlig ungeplante Baustelle.

An Bord der JULIUS gibt es historisch bedingt nur eine – elektrische – Toilette. Ja, natürlich hatte ich darüber nachgedacht, wie zuverlässig so eine elektrische Bootstoilette wohl ist. Irgendwann dachte ich sogar daran, sie durch eine manuelle Version zu ersetzen. Doch bei beiden Varianten können Dinge kaputt gehen, und hochwertige elektrische Bootstoiletten sind gut gebaut und halten erstaunlich lange. Also blieb die Vetus WCP Toilette drin.

Und in der Tat, sie hat lange absolut verlässlich ihren Dienst getan. Über sieben Jahre, die ich das Boot habe, plus viele Jahre davor. In den letzten zwei Jahren allerdings hakelte es immer mal wieder: Alle paar Monate zog sie mal nicht mehr so ab wie gewohnt.

Zuerst war es der Schlauch, der zum Tank führt. Letztes Jahr hatte ich ihn ersetzt und war sprachlos, wie stark der alte Schlauch mit Urinstein zugesetzt war. Mir war nicht bewusst, wie massiv diese Kalkablagerungen werden können.

Doch auch mit neuem Schlauch trat das Problem immer mal wieder, wenn auch sehr selten, auf: Der Motor des Zerhackers bzw. der Pumpe läuft, zieht den Inhalt der Schüssel aber nur sehr zögerlich ab. Jedes Mal war der (neue) Schlauch irgendwo blockiert. Nachdem ich die Blockade entfernt habe, funktionierte wieder alles bestens. Bis zu diesem Mal.

Wie eine elektrische Bootstoilette funktioniert

Kurz zur Funktionsweise einer elektrischen Bootstoilette: In einem Gehäuse sitzt ein Rad mit Messern, das von einem kräftigen Elektromotor angetrieben wird. Die Messer sind schräg angeordnet und so geformt, dass sie menschliche Stoffwechselprodukte fein zerteilen und zusammen mit der Flüssigkeit in einen Ausgang pressen. Der ist dann mit einem Tank verbunden, wo die nun durchgehend flüssigen Fäkalien landen.

Geöffneter Zerhacker einer elektrischen Toilette. Gut zu sehen: Das Edelstahl-Rad mit den Messern.

In meinem Fall hörte sich der Zerhacker auf einmal anders an, deutlich angestrengter als üblich. Dann lief er langsamer, und langsamer, und nach einigen weiteren Versuchen fast gar nicht mehr. Es war klar: Irgendwas ist in der Einheit so blockiert, dass Motor überlastet war und vermutlich schon kurz vor dem Exitus stand.

Der Wert von Ersatzteilen. Und der richtigen Strategie.

Letztes Jahr vor der großen Norwegen Reise hatte ich angefangen, mir ernsthaft Gedanken um eine Strategie für Ersatzteile zu machen. Dabei habe ich von den Hamiltons gelernt, die mit ihrer MV DIRONA jahrelang die ganze Welt bereist haben (unter Motor, übrigens, nicht unter Segel): Die hatten auch immer wieder technische Defekte. Zutiefst beeindruckt hatte mich dann aber immer, dass sie dann aus irgendeinem Deep Storage ein passendes Ersatzteil oder sogar das ganze Gerät geholt haben. Das defekte Teil wurde dann einfach ersetzt und ggf. später repariert. Auf jeden Fall waren die Hamiltons immer schnell wieder unterwegs.

James und Jennifer Hamilton hatten dabei eine zwar teure, aber sehr einfache und effiziente Strategie: Sie haben für jedes Gerät, jede Anlage definiert, wie kritisch sie für die weitere Reise oder das Leben an Bord ist. Ungefähr so:

  • Prio 1: Ohne dieses Gerät geht nichts, das Boot steht oder Leben an Bord ist unmöglich.
  • Prio 2: Die Reise oder das Leben an Bord sind stark behindert.
  • Prio 3: Ohne dieses Gerät ist es unkomfortabler, geht aber für ein paar Tage.
  • Prio 4: Das Leben geht auch ohne weiter, auch wenn das ausgefallene Gerät irgendwie mal fehlen könnte.

Für Prio 1 Anlagen hatten sie teilweise drei oder vier (!) komplette Ersatzgeräte an Bord. Dazu zählten beispielsweise Navigationscomputer und deren Monitore. Prio 2 war immer noch so wichtig, das in der Regel zwei Ersatzgeräte irgendwo in den Tiefen des Bootes verstaut waren. So viele Teile durch die Gegend zu fahren ist natürlich unheimlich teuer, aber je nachdem, welche Gegend bereist wird, macht es den Unterschied zwischen einer unangenehmen, aber kurzen Unterbrechung oder wochenlangem Stillstand.

Meine Strategie für Ersatzteile

So weit wie die Hamiltons kann und will ich es nicht treiben. Aber ich habe auch ein paar Sachen definiert, die wirklich wichtig sind:

  • Die üblichen Maschinenteile wie Keilriemen und Impeller.
  • Einige Spezialteile für die Maschine, ohne die bestimmte Reparaturen auch vom Profi nicht zu machen sind.
  • Diverse Pumpen.
  • Elektrische Kleinteile und Verbrauchsmaterialien (Sicherungen, Leuchtmittel, Kabel, Wago Klemmen …)
  • Bedienungseinheit für die Ankerwinsch.

…und eben auch die elektrische Toilette. Die Leitfrage ist:

„Kann ich es mir auf einer Reise erlauben, tage- oder sogar wochenlang auf ein Ersatzteil zu warten?“

Wenn die Antwort „nein“ lautet, muss das Teil schon da sein. Die Anschaffung all dieser Teile ist finanziell aufwändig und geht daher nur nach und nach.

Ein paar Stunden oder Tage oder gar Wochen?

Das Klo hatte ich letztes Jahr aber als so wichtig definiert, dass ich dafür ein vollständiges Ersatzkit gekauft hatte. Und genau das hat nun den Unterschied zwischen ein paar Stunden bedingt angenehmer Reparatur und einem wochenlang nicht nutzbaren Boot gemacht (das Kit kommt aus England und eine Lieferung kann dauern). Und so habe ich angefangen, die Toilette auseinander zu bauen. Es war kein Wunder, dass da nichts mehr ging:

Urinstein macht die elektrische Bootstoilette kaputt.
Ausgang des Zerhackers, eigentlich mit Rückschlagventil, hier völlig mit Urinstein zugesetzt und blockiert.

Urinstein mit Zitronensäure lösen

Der ganze, große (sicher 1 1/2 Zoll) Ausgang war praktisch vollständig zugesetzt. Dass da in den letzten Tagen und Wochen überhaupt noch irgendetwas durchgekommen ist, war ein Wunder. Auch das Anschlussstück sah entsprechend aus. Dieses Stück hatte ich nicht als Ersatz und musste es von dem steinharten, kalkhaltigen Zeug befreien. Hier hat mir pulverförmige Zitronensäure sehr gute Dienste geleistet:

Urinstein mit Zitronensäure auflösen
Pulverförmige Zitronensäure aufgebracht…
Zitronensäure löst Urinstein auf
…und mit heißem Wasser aufgegossen.

Die Säure löst den Urinstein schnell an, ich konnte einen dicken Propfen entfernen und das Teil vollständig säubern:

So sieht das Anschlussstück eigentlich aus: Frei und sauber.

Einen MacGuyver Moment brauchte es dann aber doch noch

Nach dem sauber machen diverser Teile hätte es also eigentlich reichen müssen, einfach die neue Zerhacker Einheit in die Toilette einzubauen und anzuschließen. Doch natürlich steckte da dann doch noch ein Teufel im Detail: Mittlerweile hat sich die Art, wie der Motor und das Ventil für die Frischwasserspülung gesteuert werden, geändert.

Bei meiner alten Einheit kam ein flaches Steuerkabel mit vielen einzelnen Litzen vom Bedienpanel zu einem weißen Kästchen, wo die Steuerlogik drin sitzt. Mittlerweile ist das Prinzip wohl anders, jedenfalls hatte die neue Einheit einen völlig anderen Anschluss.

Vetus WCP Toilette Anschlussstecker
Der neue Stecker passt überhaupt nicht zum alten System.

Letztlich habe ich einfach die alte Steuereinheit wieder verwendet und den neuen Motor daran angeschlossen. Sprich: Das rote und schwarze Kabel des neuen Motors vom neuen Stecker getrennt und mittels Wago Klemme mit dem roten und schwarzen Kabel der alten Steuereinheit verbunden.

Neuen Motor mittels Wago Klemmen an die alte Steuereinheit angeschlossen.
Neuer Motor mittels Wago Klemmen an die alte Steuereinheit angeschlossen.

Falls du noch alles mit Quetschverbindern machst: Schaff dir ein Set von Wago Klemmen diverser Größen und Formen an. Sie machen das Bootsbauer-Leben wirklich einfacher.

Es war trotz des vorhandenen Repair Kits ein Job von mehreren Stunden. Aber ich hatte danach wieder eine perfekt funktionierende Toilette und das Boot ist weiter bewohnbar! Und ich habe wieder mal eine Menge gelernt, wenn es auch Dinge sind, die man eigentlich gar nicht so gerne wissen möchte.

Eine Frage bleibt: Wie verhindere ich, dass sich wieder derart massiv Urinstein bildet? Meine aktuelle Strategie ist, regelmäßig Zitronensäure in das System zu kippen und über Nacht stehen zu lassen. Ob das hilft? Das lässt sich wohl nur mit einer jährlichen Inspektion beantworten.

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