Urlaub: Von Damp fast bis Göteborg. Einhand. Nonstop.

Die Route einhand von Damp bis kurz vor Göteborg.
Die Route von Damp bis kurz vor Göteborg.

Ab Mitte nächster Woche ist endlich Urlaub. Mehrfach hat es sich bewährt, dass ich die JULIUS erstmal einhand (alleine) in das Gebiet bringe, wo wir mit dem Urlaub starten möchten (letztes Jahr fuhr ich von Damp nach Ystand und weiter nach Simrishamm).

Und so machen wir es auch dieses Jahr. Nur, dass ich versuchen will, in den nächsten Level der Einhand-Erfahrungen zu kommen: Dieses Mal bringe ich die JULIUS von Damp nach Göteborg, wohin die Familie mit der Stena Line nachkommt.

Einhand von Damp nach Göteborg

Das ist schon eine ganze Ecke zu fahren. Bis zu meinem ersten Stopp am Anfang der Schären sind es genau genommen 208 Seemeilen. Und das fahre ich einhand, also alleine? 

Von Damp nach Göteborg: 208 Seemeilen.
Von Damp nach Göteborg: 208 Seemeilen.

Da mögen jetzt Einige die Nase rümpfen und bei sich denken „Der Julian ist ja ein Netter, aber ein wenig verrückt ist er schon…“. Das ist völlig in Ordnung. Und für diesen Gedankengang geben ich sogar noch einen Grund mehr: Für diesen Trip habe ich ich nur drei Tage Zeit, wobei ich einen Tag als Reserve vorhalten möchte. Daher werde ich versuchen, den Trip nonstop in einem Rutsch und über Nacht zu fahren.

Einhand über Nacht im Kattegat

Alleine (naja, fast alleine: natürlich nehme ich den Hund mit!) über Nacht zu fahren verspricht eine interessante Erfahrung zu werden. Auf dem großen Atlantik ist sowas kein Problem, da kann man gut schlafen und das Boot einfach fahren lassen (einige elektronische Hilfen vorausgesetzt). Auf der engen Ostsee ist das nicht ganz so einfach.

Aber: Natürlich habe ich mir die Sache wohl überlegt und so gut es geht vorbereitet.

Vorbereitung I: Wenn ich über Bord gehe

Der unwahrscheinlichste und zugleich schlimmste Fall wäre, wenn ich durch irgendein Unglück über Bord gehe. Dann passiert folgendes:

  • Die JULIUS fährt zusammen mit dem Hund alleine den eingestellten Kurs weiter, bis der Tagestank leer ist oder ein Hindernis die Fahrt aufhält.
  • Meine Rettungsweste löst aus und hält mich über Wasser.
  • Mein OceanSignal MOB Gerät, das in meiner Schwimmweste verpackt ist, löst aus und sendet ein AIS Notsignal mit einer Reichweite von bis zu acht Seemeilen aus.

Ich fahre größtenteils mit ein paar Meilen Abstand zu einer Schifffahrtsstraße. Da ist die Wahrscheinlichkeit, dass das AIS Notsignal aufgefangen wird, sehr hoch. So sieht das Gerät übrigens aus:

OceanSignal MOB Rettungssender
Der OceanSignal MOB Rettungssender sendet ein AIS Notsignal an andere Schiffe und ein UKW Distress Signal an das eigene Schiff.

Über den OceanSignal MOB Rettungssender hatte ich hier ausführlich geschrieben.

Vorbereitung II: Wenn der Hund über Bord geht

Das Schiff habe ich vorbereitet, so dass das nicht passieren kann. Aber wenn doch, hat Ole nun eine Schwimmweste mit Griff zum bergen.

Kooikerhondje Welpe mit Schwimmweste
Kooikerhondje Welpe mit Schwimmweste

Die Weste macht einen guten Eindruck: Ole trägt sie problemlos, sie scheint bequem zu sein und an dem Griff kann ich den Hund sicher anheben. Gibt es hier bei Amazon. Wenn Ole über Bord gehen sollte, wäre das natürlich immer noch ganz, ganz großer Mist. Ein kleiner Hund, am besten auch noch in der Nacht, in der großen Ostsee zu finden ist fast unmöglich. Daher wird er sich in er Nacht auch drinnen aufhalten, oder wenn er mal muß (er hat einen Platz dafür draußen, den ich sofort mit einem Schlauch abspritzen kann), dann nur an der Leine.

Vorbereitung III: Maschinenanlage

Die Maschinenanlage und alle Betriebsflüssigkeiten habe ich natürlich kontrolliert. Der DAF 850 hat mich aber nicht einmal im Stich gelassen, ich klopf virtuell dreimal auf Holz, dass das auch so bleibt. Und wenn ich doch mit irreparablem Schaden liegen bleiben sollte, kann ich über UKW um Hilfe rufen. Theoretisch könnte ich das Boot auch – zumindest bei ruhiger See – mit dem 20PS Schlauchboot ziehen. Ich hab über 20 Liter Benzin für den Außenborder an Bord, das reicht für ein paar Meilen, bis mir ein anderes Boot begegnet. Vermutlich würde ich aber einfach warten, bis ich Kontakt über Funk bekomme.

Vorbereitung IV: SAR Karte, Route und Zeitplan an Vertrauensperson

An eine Person habe ich meinen Zeitplan, eine Zusammenstellung der Schiffsdaten mit Foto („SAR Karte“) und meine genaue Route (alle Wegpunkte kann ich aus Coastal Explorer sehr einfach nach Excel exportieren) übermittelt. Wenn ich überfällig sein sollte, werden diese Informationen helfen, mich zügig zu finden.

Vorbereitung V: Ein möglichst freies Seegebiet für die Nacht aussuchen

31 Stunden ganz ohne Schlaf ist schwierig bis unmöglich. Einhandsegler machen in so einer Situation meist 15-20 minütige Schlafeinheiten, dazwischen dann ein Rundumblick.

In der Nacht werden ich mit geradem Kurs auf dem Kattegat sein. Voraussichtlich gegen 2200 bin ich bei Sjaellands Riff und fahre dann parallel zur Autobahn „Weg T“. Dort im Tiefwasserweg fahren die großen Dampfer. Ich halte mich gut frei von dem Weg T und werde gegen 0400 kurz vor der Querung von Weg D (einer anderen Schiffsautobahn) sein.

Der Start in die Nacht querab von Sjaellands Riff
Der Start in die Nacht querab von Sjaellands Riff
Am frühen Morgen dann kreuze ich den Weg D
Am frühen Morgen dann kreuze ich den Weg D

Es ist also schon früher Morgen mit etwas Licht wenn ich den Weg D kreuze. In den wenigen Stunden Nacht, wo es wirklich dunkel ist, bleibe ich parallel zum Weg T.

Da laufen dann Radar und AIS: Das Radar habe ich letztes Jahr sehr gut kennengelernt und kann damit so umgehen, dass ich eine verlässliche Alarmzone einstellen kann. Wenn mir also ein Objekt zu nahe kommt, werde ich gewarnt. Der Ton ist auch so laut, dass ich davon aufwachen würde. Parallel dazu warnt mich auch das AIS, wenn ein Berufsschiff (das AIS Signale senden muss) zu dicht an meinen Kurs herankommt.

In der Nacht werde ich im Salon liegen, ein wenig dösen und mich in kurzen Intervallen einen Wecker tönen lassen um einen Rundumblick zu machen. Falls ich schlafen sollte während Kollisionsgefahr mit irgendeinem Objekt besteht werde ich von Radar oder AIS geweckt. Zusätzlich warnt mich meine Navigationssoftware auch davor, wenn Gefahr durch in in der Karte eingezeichnetes Objekt (wie beispielsweise eine Tonne) droht (Details zu dieser Funktion hatte ich hier beschrieben)

Vorbereitung VI: Eine Exit-Strategie haben

Was ist, wenn der Wind mehr auffrischt als angesagt und der Seegang zu unangenehm wird? Oder wenn ich zu müde werde und das Schiff nicht mehr sicher führen kann? Dann muss ich die Möglichkeit haben, den Törn abzubrechen.

Dafür habe ich einen Tag Reserve und mir verschiedene Punkte herausgesucht, die ich anlaufen könnte. Beispielsweise Sejerby, Anholt oder auch ein paar Orte an der schwedischen Küste.

Vorbereitung VII: Wetterbericht

Bei viel Wind und grober See habe ich keine Lust, mich, den Hund und das Schiff zu quälen. Dann trete ich die Fahrt gar nicht erst an oder laufe einen Zwischenstopp an. Glücklicherweise ist der Wetterbericht hinsichtlich der Windvorhersage mittlerweile ziemlich genau. Der Dienst windyty.com sagt für Donnerstag 0200 um 4 Beaufort und 0,5m Welle voraus, nachdem am Mittwoch nur 2-3 Beaufort angesagt sind.

windyty.com sagt für Donnerstag 0200 um die 4 Beaufort im Kattegat voraus.
windyty.com sagt für Donnerstag 0200 um die 4 Beaufort im Kattegat voraus.
Die Wellenhöhe wird 0,5m betragen.
Die Wellenhöhe wird 0,5m betragen.
Am Mittwoch ist der Wind sehr ruhig.
Am Mittwoch ist der Wind sehr ruhig.

Gute bis sehr gute Bedingungen also. Und: Die Vorhersage ist stabil schon seit einigen Tagen. Andere Dienste wie windfinder.com decken sich ebenfalls mit der Vorhersage.

Warum einhand?

„Nimm‘ doch jemanden mit!“ werden viele Leser denken. Klar, das könnte ich machen. Will ich aber nicht. Mal ein paar Tage alleine unterwegs zu sein finde ich sehr schön, und mich interessiert es einfach, ob und wie ich so einen langen Törn durchstehe.

 

9 Kommentare zu “Urlaub: Von Damp fast bis Göteborg. Einhand. Nonstop.

    1. Julian Buß

      Mit dem Hund ist das gar kein Problem! Er hat draußen einen Löseplatz, d.h. einen Platz wo er sein Geschäft verrichten kann. Direkt dort habe ich einen Schlauch, der an eine Deckwaschpumpe (Seewasser) hängt. Also: Hund macht, ich drück einen Schalter und wasch es weg, fertig.
      Und das ist keine Theorie: Wir haben das geübt und der Hund hat diesen Platz schon zweimal genutzt.

      Ich bin eher gespannt wie er auf den mangelnden Auslauf reagiert, aber mal einen Tag lang wird das gehen. Ich werde versuchen, ihn mit Übungen und Spielen auszulasten 🙂

  1. Till Andrzejewski

    Hallo Julian,
    das ist eine stramme Strecke. Ich bin ja vor zwei Wochen quasi Einhand über Nacht von Langeoog bis Elsfleth gefahren. Ohne viele Hilfsmittel und mit bis zu zwei Meter Wellen von Achtern Backbord. Ich denke dass Du und die Julius das gut packen werden (zum Hund kann ich keine Meinung beisteuern). Wir kennen uns zwar nicht persönlich, aber als aufmerksamer Blogverfolger finde ich die Strategie nicht verkehrt und übrigens spannend.
    Ich würde mir die Weckphasen so legen, dass eine in den stündlichen Lagebericht der jeweiligen Verkehrszentrale fällt. So kannst du noch eine Informations“schocht“ aus dem Rundumblick machen.
    Das mit der SAR Karte ist eine echt gute Idee 😉

    Gruß
    Till

    1. Julian Buß

      Wow, auch eine stramme Tour! Und das bei ordentlich Seegang, Respekt 🙂

      Ja, von wem hab ich die Idee mit der SAR Karte wohl abgekupfert…? 😀 Du hattest das im boote-forum vor einiger Zeit mal vorgestellt und das hatte ich mir gemerkt… vor ein paar Tagen habe ich mir dann selbst so eine Karte gebaut, allerdings mit weniger Infos als bei Dir – dafür aber mit allen Wegpunkten meiner Route.

      Ich glaub auch, dass das klappen wird. Wetterbericht bleibt jedenfalls bisher stabil und sehr gut, das ist das Wichtigste.

      1. Obelikx

        Hallo Julian

        super recherchiert und auf alle Eventualiteiten vorbereitet – wie immer!
        Ich kann mir allerdings einen Kommentar niet verkeifen: es gibt gute Gründe, warum z.b. Piloten maximale Arbeitszeiten haben. Mit den kurzen Schlafpausen kannst du Dich sicher einigermassen retten, aber halt nur einigermassen: Dein Reaktionsvermoegen und Urteilsvermoegen ist dann doch schlechter als wenn du ausgeruht bist; addier da noch n bischen Seegang dazu (und wenn man übermüdet ist, wird man da anfälliger) …
        So gut wie du dich vorbereitet hast, brauchst du mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit auch nicht Deine volle Reaktionsfähigkeit und Urteilsvermögen – aber das gilt für nen grossen Teil deiner Sicherheitsausrüstung auch 😉

        naja, wollte ich nur mal so sagen – anderseits, reizen würde mich die Erfahrung auch 🙂 als Alternative zu den 2h Nachtschichten, die wir immer machen.

        lg und gute Fahrt
        W

        PS: Ole mit der Schwimmweste ist einfach supersüss; und für Hunde ist das kein Problem (auch wenn unserer wenns richtig los geht schon seekrank wird)

        1. Julian Buß

          Hallo Obelikx,

          ja, zwei Nächte würde ich momentan in der engen Ostsee auch nicht machen. Erstmal gucken, wie das mit einer Nacht ist. Ich rechne aber auch damit, dass ich am Donnerstag vormittag müde sein werde – mal sehen. Ich denke ein Trick ist, nicht übermüdet in die Nacht zu gehen sondern auch schon am Nachmittag mal eine kurze Schlafeinheit einzulegen wenn es möglich ist.

          Jedenfalls laufe ich auch deswegen einen Ankerplatz an, weil beim ankern so schön einfach ist und ich das immer hinbekommen sollte 🙂

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