Für jeden, der auf der Ostsee, Nordsee oder anderen großen Seegebieten fährt, ist der Seegang ein alltäglicher Begleiter.
Einige können die Wellen und die damit verbundenen Schaukelbewegungen gut vertragen, andere weniger (siehe auch Seekranktheit – Auslöser und Gegenmaßnahmen).
Aber woraus besteht Seegang eigentlich, wie entsteht er und wie kann man den Seegang einschätzen?
Hier ein paar Stichworte, die ich zu diesem Thema bisher gelernt habe:
Was ist „Seegang“?
Als „Seegang“ bezeichnet man natürlich erstmal die Gesamtheit der Wellen, die sich auf dem Wasser durch Wind und anderen Faktoren bilden.
Oberflächlich betrachtet hängt die Stärke des Seegangs einfach von der Stärke des Windes ab. Auch wenn das natürlich ein starker Faktor ist, gibt es noch andere Komponenten.
Erstmal wird zwischen Windsee und Dünung unterschieden – der „Seegang“ ist also ein Produkt aus „Windsee“ und „Dünung“.
Windsee
Die Windsee ist der Teil des Seegangs, der durch den lokal herrschenden Wind erzeugt wird: der Wind streicht über das Wasser, „drückt“ über die Wasseroberfläche und erzeugt damit Wellen.
Je stärker der Wind weht, desto stärker ist dementsprechend auch die Windsee.
Die Wellen der Windsee sind dabei eher kurz und steil. Die Höhe der Windsee-Wellen hängt ebenfalls davon ab, wieviel Strecke der Wind Gelegenheit hat, über das Wasser zu streichen und Wellen anzufachen.
Diese Strecke wird auch als „Fetch“ bezeichnet.
Wenn man also in der Nähe einer Küste fährt und der Wind von Richtung der Küste kommt, kann nur sehr wenig bis gar keine Windsee entstehen (Landschutz, Landabdeckung).
Dünung
Wellen können sehr weite Strecken zurücklegen und können daher auch aus anderen Seegebieten mit anderen Windverhältnissen kommen. Diese Wellen nennt man Dünung oder auch Restwelle.
So kann es beispielsweise durchaus vorkommen, dass bei einem selbst fast kein Wind ist, aber trotzdem spürbarer Seegang herrscht.
Daraus ergibt sich dann unmittelbar, dass entweder
– am eigenen Ort vor einigen Stunden (z.B. in der Nacht) noch ordentlich Wind war, der mittlerweile eingeschlafen ist
– oder irgendwo in relativer Nähe starker Wind ist, dessen Wellenausläufer bis zum eigenen Ort gelangen
Wellen der Dünung sind länger und weniger steil, d.h. sie haben eine größere Wellenlänge und die Wellenberge sind stark abgerundet.
Die langen Wellen der Dünung haben mehr Energie und schreiten schneller fort als die kurzen Wellen der Windsee.
Je nach geografischer Lage und Fahrtrichtung kann eine Dünung ein Frühwarnsignal für ein starkes Windfeld sein, muss es aber nicht – vielleicht hat sich der dortige Wind auch schon gelegt, wenn man dort eintrifft.
In jedem Fall lohnt es sich aber, den Wetterbericht nochmal aufmerksam zu konsultieren wenn man eine ansteigende Dünung bemerkt.
Kreuzseen
Seegang, der nur aus Windsee und ggf. etwas Dünung besteht, die aber beide die gleiche Richtung haben, ist relativ gut zu ertragen.
Unangenehmer wird es, wenn sich Kreuzseen bilden. Eine Kreuzsee ist eine Überlagerung von zwei unterschiedlich verlaufenden Wellensystemen.
Zum Beispiel kann es eine Dünung geben, die aus östlicher Richtung kommt, und eine Windsee, die aus westlicher Richtung anrollt (weil der Wind zwischenzeitlich gedreht hat).
Diese beiden Wellensysteme treffen dann aufeinander und überlagern sich, d.h. Wellen können sich addieren (und dementsprechend höher werden) und es gibt keine gleichmäßige Richtung der Wellen mehr. Unangenehme und kaum vorhersehbare Schiffsbewegungen sind die Folge.
Oft wird man Kreuzseen in der Nähe von Kaltfronten, Trögen oder Tiefdruckzentren beobachten, also dort, wo sich die Richtung des Windes stark und sprunghaft ändern kann.
Höhe des Seegangs
Bei Wellen wird immer die signifikante Wellenhöhe angegeben (Mittelwert für das höchste Drittel der Wellen), es kann einzelne, wesentlich höhere Wellen geben.
Die Wellenhöhe hängt dabei ab von:
- dem Fetch (Windlauflänge, Wirkweg – d.h. die Strecke, über die der Wind den Seegang anfachen kann)
- der Wirkdauer des Windes (wie lange der Wind den Seegang anfachen kann)
- der Tiefe des Wassers
- Strömungen, die ggf. entgegengesetzt zum Wind laufen und dadurch Kreuzseen erzeugen
Wassertiefe
Wellen unterscheiden sich je nachdem, wie tief das Wasser an einer Stelle ist. Wellen in tiefem Wasser sind eher lang und rund. Mit abnehmender Wassertiefe werden die Wellen kürzer und steiler, und wenn es irgendwann flach genug ist, brechen die Wellen.
Aber welcher Tiefe die Wellen kürzer und steiler werden, hängt von der Länge der Wellen ab: wenn die Wassertiefe die halbe Wellenlänge unterschreitet, verlangsamen sich die Wellen und werden steiler, was wiederum die Wellenlänge verkürzt.
Eine erhebliche Veränderung der Wassertiefe kann auch eine Richtungsänderung (Beugung) der Wellen zur Folge haben, wodurch Kreuzseen entstehen können. In der Kieler Bucht ist das Gebiet „Stoller Grund“ ein gutes Beispiel dafür: hier gibt es eine relativ kleine Fläche, die viel flacher ist als die Umgebung. Und genau hier gibt es häufig unangenehmen Seegang, der von Kreuzseen geprägt ist.
Grundseen
Dies sind hohe, steile Wellen die durch eine Untiefe oder rasch abnehmende Wassertiefe in Küstennähe entstehen.Grundseen betragen bis zu 2,5 mal der sonstigen signifikanten Wellenhöhe und können das Einlaufen in Häfen gefährlich werden lassen.
Strömungen
Strömungen können je nach Stärke erheblichen Einfluss auf die Wellen haben:
– eine Strömung, die gegen den Wind läuft, macht die Wellen kürzer und steiler
– eine Strömung, die mit dem Wind läuft, macht die Wellen länger und flacher
Wenn also ohnehin schon eine starke Windsee herrscht, wird einem in einem Gebiet, wo eine starke Strömung entgegen der Windrichtung herrscht, sehr unangenehmer Seegang mit kurzen und steilen Wellen erwarten.
Seegangsprognosen
Wie beim Wetterbericht auch gibt es verschiedene Quellen für Seegangsprognosen:
- GRIB Daten (teilweise kommerziell)
- Teilweise in den Seewetterberichten vom DWD (via Radio, Funk DP07 oder Internet)
- windfinder.com
Vorsicht: es wird immer die signifikante Wellenhöhe angegeben, Einzelwellen können erheblich höher sein. Eine Prognose ist immer nur ein Richtwert und muss vom Skipper mit den lokalen Gegebenheiten (Wassertiefe, Strömungen) kombiniert werden. Für die eher geschützten Teile der Ostsee gibt z.B. der DWD eine Seegangsprognose nur bei starkem Wind.
Tsunamis und Monsterwellen
Tsunamis sind interessante Phänomene, sind auf Ost- und Nordsee bisher mangels Seebeben nicht anzutreffen und zählen daher nicht zum alltäglichen Seegang.
Eine Monsterwelle (auch Kaventsmann genannt) ist eine einzelne Welle, die erheblich höher als die sonstigen hohen Wellen eines Seegangs sind (genau genommen mindestens doppelt so hoch wie die signifikante Wellenhöhe). Auf Ozeanen können Kaventsmänner über 25 Meter hoch werden.
Auf der Ostsee wurden bisher keine Monsterwellen nachgewiesen (laut Wikipedia), auf der Nordsee allerdings schon.Mehr dazu in der Wikipedia.
Siehe auch