€ 29,90 gut investiert: In Windy. Ein faszinierendes Werkzeug für die Wetterplanung.

Windy.com mit einer kleine Auswahl an Ebenen (auf der rechten Seite).

Am Sonntag vor meiner Abreise war mir langweilig. Seit Tagen schon prüfe ich wieder und wieder die Wind- und Wetterverhältnisse am kommenden Freitag, meinem Abfahrtstag für die große Fahrt nach Norwegen (hier weiterlesen: Anfang Juni geht es los: Einhand nach Norwegen). Hauptsächlich mit den Apps Weather Pro, Windfinder und Windy.

Weather Pro und Windfinder habe ich beides als bezahlte App: Weather Pro ist super für den schnellen Überblick für die nächsten Tage und einer Tendenz für bis zu zwei Wochen bezogen auf einen Ort. Windfinder ist bekannt, bewährt und liefert in der Regel sehr gute Vorhersagen für mindestens 48 Stunden.

Wie erwähnt wollte der Sonntag Morgen beim ersten Kaffee ausgefüllt werden, und so habe ich angefangen, mich mehr mit Windy zu beschäftigen: Je mehr ich in dieses Werkzeug eingestiegen bin, desto faszinierter war ich und wollte mehr. Nach einer übersichtlichen Investition von € 29,90 für ein Jahr (einmalig, kein Abo) hatte ich alle Funktionen.

Das war sehr gut investiertes Geld. Windy bietet erstaunliche Möglichkeiten, die über eine reine Wettervorhersage weit, weit hinaus gehen!

Routen- und Wetterplanung mit Windy

Meine geplante Route für Sonntag mit Wind-, Wellen- und weiterer Wettervorhersage im zeitlichen und örtlichen Verlauf.

Mit jeder App kann ich mir den vorhergesagten Wind, Temperatur, Wolkenbedeckung und Regenwahrscheinlichkeit für einen Ort zu bestimmten Uhrzeiten anschauen. Bei längeren Törns würde ich also diese Vorhersagen für den Start- und Zielort anschauen und dann selbst schätzen, wie sich die Bedingungen im Laufe der Fahrt entwickeln werden.

Diese Arbeit nimmt mir Windy vollständig ab: Dort kann ich eine Route (mit Entfernungsangaben in nautischen Meilen) inklusive Geschwindigkeit und Startzeit erstellen. Windy zeigt mir dann, wie sich Wind, Welle, Temperatur und Regen im zeitlichen und örtlichen Verlauf während ich die Route abfahre entwickeln wird.

Alleine diese Routen- und Wetterplanung empfinde ich als große Hilfe, zumal Routen natürlich auch gespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt wieder angezeigt werden können. Die SeaMan Pro Software von WetterWelt wird das sicher noch besser können, kostet aber dafür auch deutlich mehr Geld.

Gespeicherte Routen und Favoriten-Orte in Windy.

Vergleich verschiedener Vorhersagemodelle

Eine „exakte“ Routen- und Wetterplanung ist offensichtlich nur sinnvoll, wenn die Vorhersagen auch möglichst genau im echten Leben eintreffen. Ein menschlicher Meteorologe wird bei einer Törnberatung die maschinell erstellten Wettervorhersagen mit eigenem Wissen und Erfahrung anreichern und somit ein bestmögliches Ergebnis erzielen.

Das kann Windy als rein maschinelles Werkzeug nicht leisten. Aber Windy macht darauf aufmerksam, dass es überhaupt verschiedene Modelle gibt, wo sie herkommen und welche Eigenschaften sie haben. Zur Erklärung: Verschiedene meteorologische Dienste haben über Jahrzehnte Rechenmodelle entwickelt, die mit zunehmender Computerleistung immer besser und genauer geworden sind. So gibt es beispielsweise das ICON Modell des deutschen Wetterdienstes, das für Deutschland mit großem Umkreis sehr genau sein soll und die Landschaft in nur 2,2km2 große Quadrate aufteilt.

Als Gegenpol gibt es das GFS Modell, das weltweit kostenlos genutzt werden kann, die Welt aber viel gröber in 22km2 große Quadrate auflöst. Das ist Faktor 10 schlechter als bei ICON.

Windy bietet sogar in der kostenlosen Version als Standard das europäische ECMWF Modell, das mit 9km2 eine immer noch gute Auflösung bietet und von Windy so beschrieben wird (Übersetzung von mir):

„Very accurate model provided by the European Centre for Medium-Range Weather Forecasts. Clear winner compared to other forecast models.“

„Sehr genaues Modell vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage. Verglichen mit anderen Modellen der klare Gewinner.“

(Randnotiz: Dieses leistungsfähige Vorhersagemodell ist einer der unzähligen „unsichtbaren“ Errungenschaften eines vereinten Europa, die viel zu oft als völlig selbstverständlich hingenommen werden. Leider müssen Errungenschaften der Gemeinschaft heutzutage wohl wieder mehr erwähnt werden. Hier in der Wikipedia steht mehr dazu.)

Windy bietet nun nicht nur die Möglichkeit, zwischen den verschiedenen Modellen zu wechseln, sondern sie auch zu vergleichen. So kann ich über die Zeit selbst lernen, welchem Modell ich am besten vertrauen kann.

Vergleich der Vorhersagen unterschiedlicher Modelle.

Wie wird der Seegang?

Neben der Windvorhersage, die für mich wichtig, aber nicht entscheidend ist, bestimmt der Seegang darüber, ob es eine entspannte oder anstrengende Fahrt wird. „Seegang“ setzt sich dabei aus Dünungs- und Windwellen zusammen, wobei es auch mehr als eine Dünung („alte Wellen“) geben kann.

Auch darüber gibt Windy detailliert Auskunft. Der Screenshot zeigt drei Markierungen: „Wind“ (Wellen, die durch den aktuellen Wind entstehen), „Swell“ (Dünung, also alte Wellen oder Wellen, die durch Wind an einem anderen Ort entstehen) und „Swell 2“ (ein zweites Dünungssystem). Jeweils mit der voraussichtlichen Höhe der Wellen und – ganz wichtig – der Periode in Sekunden. Eine zwei Meter Welle mit einer Periode von 10 Sekunden ist lang, weich und erträglich. Eine fiese Ostseewelle mit zwei Meter und drei Sekunden dagegen steil und unangenehm.

Seegangsvorhersage bestehend aus Windwellen und zwei Dünungssystemen.
Die Seegangsvorhersage noch mal vergrößert.

In diesem Beispiel soll am kommenden Sonntag im Skagerrak zwischen Skagen und der norwegischen Küste also eine Kreuzsee aus einer 0,4m Düngung von WSW und einer weiteren 0,3m Dünung aus NNO herrschen. Beides sind entspannte Wellenhöhen und sicher gut machbar. So detailliert und visuell ansprechend aufbereitet habe ich eine Seegangsvorhersage noch nirgends gesehen.

Wie ist das mit den Hochs und Tiefs im globalen Maßstab?

Das Wetter vor Ort entsteht immer aus größeren meteorologischen Zusammenhängen. Hier ein Hoch über Skandinavien, dort ein Tief über England und eines auf dem Atlantik, vielleicht noch ein Hoch im Süden und schon entsteht ein komplexes Zusammenspiel von Kräften, die kalte oder warme Luft aus einer Ecke der Welt in die andere pumpen und dabei die Temperatur und den Wind bestimmen.

Interessierten Laien wie mir bietet Windy neben den üblichen Isobarenkarten auch eine tolle 3D Sicht auf unsere Seite der Weltkugel (mit oder ohne Isobaren-Linien):

Wie Wetter entsteht: Der Blick auf das große Ganze (im Original animiert).

Der Screenshot gibt das nur unzureichend wieder, Windy animiert die Luftströmungen wunderschön und schafft damit ein Verständnis, welche Luft von wo nach wo und warum strömt. In diesem Beispiel liegt ein Tief über Nordnorwegen und ein Hoch über Island. Tiefs bewegen Luft gegen den Uhrzeigersinn, Hochs genau andersherum. Beide nebeneinander pumpen dann kalte Luft aus dem hohen Norden mit Macht nach Deutschland. Deswegen haben wir in Hamburg gerade nur 12°.

Ich bin kein Meteorologe und möchte auch keiner werden, bin aber als Seefahrer natürlich interessiert an dem Thema und fasziniert von den Zusammenhängen. Wer einfach nur wissen will, wie Wind und Welle im Verlauf eines Törns werden, wird mit der Routen- und Wetterplanung von Windy glücklich werden. Regen- und Temperaturvorhersage, Satellitenbilder, Gewitter, Nebel, Wassertemperatur, Strömungen und viele weitere Datenebenen sollten jeden Wissensdurst bezüglich einer Törnplanung stillen.

Ist noch mehr Interesse vorhanden, bietet Windy alle Werkzeuge, um Wettergeschehen zu verstehen und Zusammenhänge zu erkennen. Den schnellen Überblick an einem Ort werde ich weiter mit der WeatherPro App machen. Für alle darüber hinaus gehenden, seemännischen Anforderungen ist Windy dagegen für mich momentan das Werkzeug der Wahl.

Dieser Artikel ist rein aus meiner persönlichen Begeisterung für Windy entstanden und ist keine bezahlte Werbung. Ich bin einfacher Windy Anwender und habe mit dem Betreiber von Windy keinerlei Kontakt.

2 Kommentare zu “€ 29,90 gut investiert: In Windy. Ein faszinierendes Werkzeug für die Wetterplanung.

  1. Till

    Moin Julian.
    Ich nutze windy schon seit den Anfängen und habe vor zwei Jahren in die kostenpflichtige Version gewechselt. Ein tolles GUI.
    Deine Erklärungen zu den Vorhersagemodellen sind für Laien super verständlich. Ich will aber noch eine Anmerkung loswerden.
    Windy nutzt ausschließlich Vorhersagemodelle. Das bedeutet dass noch kein Meteorologe über die Daten geguckt hat und somit nicht die Quintessenz aus den Daten vorhersagt.
    Bei unbeständigen Wetterlagen sind die Daten meiner Erfahrung nach oft nicht genau. Bzw weichen Modelle so voneinander ab dass man noch einen Profi bräuchte um die Daten zu interpretieren.

    Für Deutschland geht das über die synoptische Übersicht des DWD. Ist zwar Fachchinesisch, aber man erkennt wohin der Meteorologe tendiert.
    https://www.dwd.de/DE/fachnutzer/hobbymet/wetter_deutschland/_functions/PlainTeaser_synUebersichten/nas_bericht_syn_ueb_kurzfrist.html

    Und mein Meteorologie-Prof hat uns folgendes an die Hand gegeben:
    Tritt das Wetter so ein wie vorausgesagt? Die Wahrscheinlichkeit kann man mit den Ensembles herausfinden.
    https://www.wetteronline.de/ensemble-prognose
    (Nur desktop)

    Ist eine Visualisierung aller Modelle zusammen. Wenn ich zB auf das Ensemble „240 Stunden“ gehe zu und feststelle, dass die Modelle alle etwas unterschiedliches berechnet haben, kann ich sicher sein, dass niemand sicher sein kann wie das Wetter in zehn Tagen ist.
    Rechnen die Modelle aber alle ähnliches aus, wird die Wettervorhersage auch mit der Zukunft übereinstimmen.

    Diese Tools nutze ich zusätzlich zu windy.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.