– Diese Geschichte spielt vom 13. bis 14. Juli 2018. –
Der ersehnte und verdiente Landschutz wird bis in die Nacht hineinreichen. Der Wind aber bleibt erhalten, er wird nicht weniger. Um Sejerø zu erreichen müssten wir den Schutz der Küste verlassen und mehrere Stunden Seegang ertragen. Wie viel, wie stark würden die Wellen sein? Auf jeden Fall so, dass nach der Kotztour keiner von uns Lust darauf hätte.
Also: Wohin sonst?
Die JULIUS fährt unter Autopilot an Langelands Küste entlang, die Brote wurden mit Heißhunger vertilgt, Matratzen notdürftig trocken gelegt, die Familie hat sich bettfertig gemacht und versucht nun, den anstrengenden Tag in Ruhe ausklingen zu lassen. Ich sitze an der Navigation und spiele unsere Optionen durch.
Lohals (an der Nordspitze Langelands)? Zu nah, und da würden wir mitten in der Nacht ankommen. Es ist ein kleiner Hafen, der oft voll ist. Und dann mit unserem Dampfer im Dunkeln bei irgendjemandem längsseits gehen…? Eine schlechte Idee.
Die schnuckelige Insel Agersø? Dafür müssen wir quer über den Belt, also wieder die schützende Küste verlassen. Außerdem wird es auch dort voll sein.
„Kerteminde! Das macht Sinn.“
sage ich schließlich mehr oder weniger zu mir selbst, aber laut genug.
Bordhund Ole guckt mich an, als ob er sagen wollte: „Mach was du willst, solange es nicht wieder so schaukelt.“
„Bis nach Kerteminde können wir uns an die Küste kuscheln, ernsthafte See ist da nicht zu erwarten. Wir würden da gegen fünf Uhr morgens ankommen, dann ist es schon hell. Und es ist ein großer Hafen, da finden wir bestimmt Platz. Von dort nach Anholt wären es noch um die 80 Meilen, das können wir mit dem nächsten Schlag schaffen.“
In der Familie keimt Hoffnung auf, eine halbwegs ruhige Nacht zu haben. Alle sind einverstanden, und während ich die neue Route setze, verholen sich alle anderen in die Kojen.
„Jetzt wird es interessant.“
denke ich einige Stunden später. Es ist tiefste Nacht, die nur von ein paar Sternen erhellt wird. Die Nordspitze von Langeland haben wir umrundet, der Abstand zur nächsten Küste ist nun eine Ecke weiter. Die See hat dementsprechend wieder zugenommen, bleibt aber handig. Außerdem schläft der Rest der Crew einschließlich Hund ohnehin.
Um aber wieder näher zum Landschutz zu kommen, müssen wir ein Flach passieren:
Der sichere Weg ist durch drei Tonnen markiert. Bei Licht gar kein Problem. Aber jetzt ist es stockdunkel. Natürlich sehe ich unsere Position exakt auf der elektronischen Navigation, aber sind die Karten wirklich genau genug? Ich vertraue lieber darauf, dass mein Radar die Tonnen sieht und fahre auf das Flach zu.
Tatsächlich ist die Passage gar kein Problem. Die Tonnen waren gut mit dem Quantum Radar erkennbar. Aber auch nur dort – obwohl sie sicher weniger als hundert Meter von mir entfernt vorbeigezogen sind, habe ich sie mit meinen Augen nicht gesehen.
Sich derart auf die Elektronik zu verlassen fühlt sich immer wieder gespenstisch an: Ich selbst sehe nichts, einfach nichts, außer kleinen Punkten auf dem Display. Wie machen das erfahrende Salzbuckel ohne Radar? Vermutlich leuchten sie die Dinger einfach mit einer starken Taschenlampe an.
Ich entspanne mich und lasse den Automaten wieder die Ruderarbeit machen. Sonst ist hier niemand unterwegs, zum schlafen ist es hier aber doch zu wenig Seeraum. Außerdem bin ich nicht müde. Ich starre in die Nacht und hänge Gedanken nach, während das Boot relativ ruhig durch das Schwarz fährt.
Die Küste an Backbord? Sehe ich nicht. Das lange Flach an Steuerbord? Wird hoffentlich da sein, wo es sein soll. Tonnen sehe ich jedenfalls keine. Die Brücke über den großen Belt? Davon sehe ich nur ein paar kleine Lichter in der Ferne und die Scheinwerfer der Autos, die scheinbar schwerelos in großer Höhe über die See fahren. Der Wind pfeift um das Boot und rüttelt und schüttelt an der Persenning vom Außensteuerstand. Wenn jetzt der Klabautermann direkt vor dem Boot auftaucht – ich würde ihn schlicht nicht sehen und überfahren.
Etwas später ist die Große-Belt-Brücke ganz nahe. Und es ist immer noch finster. Die offizielle Durchfahrt ist vielleicht zwei Meilen von der Küste entfernt und lädt gut befeuert zur Passage ein. Dafür muss ich also wieder weiter raus fahren, wo die Welle wieder deutlich mehr zu spüren ist. Außerdem hätte ich mir die Passage des Flachs vorhin auch sparen können.
Die anderen Bögen der Brücke kann ich noch nicht erkennen, es ist weiterhin zu dunkel. Soll ich riskieren, gegen einen Pfeiler zu fahren weil ich ihn schlicht nicht gesehen habe? Oder in ein Netz, das irgendein Fischer dort vielleicht ausgelegt hat?
„Nein Herr Buß, das machen wir nicht. Wir halten uns mal schön an die Regeln.“
sage ich zu mir selbst und steuere die offizielle Durchfahrt an.
Tatsächlich nimmt die See schnell und spürbar zu, je weiter ich mich von der Küste entferne. Aber wer außer mir merkt das schon, die Crew schläft ja tief und fest. Und es bleibt Welten davon entfernt, was wir am Anfang dieses Törns unterhalb von Langeland erlebt haben.
In der Ferne sehe ich ein Lichterfest in Form eines Kreuzfahrschiffs. Doch das wird unter dem weiter im Belt liegenden Teil der Brücke fahren, hier, bei meiner Durchfahrt, ist niemand sonst. Hier, wo wir alleine sind, lassen nur die über dem Wasser schwebenden Autos vermuten, dass neben den beleuchteten Bögen auch andere Teile der Brücke sind.
Ich bin froh, als wir durch sind, und nehme erneut Kurs auf die Küste, dort, wo es wieder ruhiger wird.
„Guten Morgen Skipper, wo sind wir…?“
Steffi kommt den Niedergang hoch in den Salon, noch passend verschlafen für halb vier Uhr Morgens. So ganz ruhig schläft sie nie wenn wir fahren, ab und zu muss sie dann doch mal gucken, ob ihr Mann noch da ist.
Ich habe es mir auf der Bank im Salon gemütlich gemacht, Radarbild und elektronische Seekarte im Blick. Aber seit der Brücke ist nichts zu tun, kein Fahrzeug, kein Seezeichen bedarf meiner Aufmerksamkeit.
„Noch eine eine Stunde bis Kerteminde. Alles ist ruhig. Kannst du einen Augeblick Wache halten, dann mach ich mal die Augen zu…“
antworte ich ihr. Sie nickt, ich stelle meinen Timer auf 20 Minuten, schließe die Augen und bin Minuten später weggedöst.
„Den Kopf des letzten Steges dort, den nehmen wir!“
Wir haben Kerteminde mit dem Morgenlicht erreicht. Der Hafen ist groß, aber trotzdem voll. Nur am letzten Steg ist der Kopf noch frei. Kein Luxusplatz, reicht aber für den Moment völlig.
Ich manövriere das Boot mit wenig Gas und ohne Bugstrahler, um möglichst wenige Crews aufzuwecken. Dann sind wir fest. Nach 13 Stunden und 16 Minuten Fahrt. Knapp 82 Seemeilen haben wir geschafft, Anholt ist nun noch 85 Seemeilen entfernt. Ein weiterer langer Törn also.
Ab morgen früh soll der Wind deutlich abnehmen. Genug, um eine halbwegs komfortable Passage auf die Ostseeinsel zu ermöglichen? Das werden wir sehen. Nun legen wir uns erstmal schlafen und werden den Tag über ausruhen. Hier gibt es einen sehr guten Eisladen, da spazieren wir sicher nachher mal hin.
Hallo liebe fam. Buß. Hier sind Karin u.Jürgen von Schuby Strand.Wir verfolgen eure Fährt und wünschen euch immer eine Handvoll Wasser unter dem Kiel oder wie das so heißt.alles Gute weiterhin.Liebe Grüße besonders an Lena von Karin u.Jürgen.
Herzlich eure Geschichten die Passge unter der Brücke musste wir gerade durch kreuzen. Da steht eine kurze steile Welle bei Nordwest. Macht mit einem Motorboot bestimmt noch weiniger Spaß. Grüße von der Kiwi