Frage und Antwort: Pflege- und Instandsetzungsaufwand bei einem Gebrauchtboot?

Meine JULIUS beim Makler in Holland.
Meine JULIUS beim Makler in Holland.

Detlef fragt mich:

Ich kann sagen das ich von den bisherigen eigenen Erfahrungen „mit dem Boot unterwegs zu sein“ so faziniert bin
das ich lieber heute las morgen “ umziehen “ würde. […] dann soll es ein eigenes Boot (Verdränger) werden und mein Leben Stand heute überwiegend auf dem Boot stattfinden.

Ich bin froh deinen Blog gefunden zu haben. Dort habe ich schon einige interessante Beiträge gelesen. Fast täglich versuche ich mir mein Puzzel das letzlich zu einem eigenen Boot führen soll zusammen zu bauen. Wenn ich aber die Beiträge so verfolge, kommt für mich der Gedanke auf das man technisch und praktisch begabt sein sollte?!

Aus meinem heutigen Wissen würde ich mich für einen Linssen 410 o.ä. Typ entscheiden. Da der Invest nicht unerheblich sein wird erwarte ich zunächst ein technisch u. optisch dem Alter entsprechend (heute ca. 10 J. alt) einwandfreies Schiff. Oder liege ich da falsch?

Gibt es irgendwo Anhaltspunkte was eine Verdrängeryacht ausser Dieselverbrauch und Liegegebühren jährlich an Kosten verursacht ?

Hier ein paar Antworten aus meiner Erfahrung

Detlef, erstmal vielen Dank für das Lob über das booteblog 🙂 Aus meiner Erfahrung heraus kann ich dir ein paar Anhaltspunkte geben (Wie immer bei derartigen Fragen: Als meine persönliche, rein private Meinung.):

10 Jahre altes Gebrauchtboot als technisch einwandfreies Schiff?

Ich denke, wenn du um die TEU 200 für eine ca. 10 Jahre alte Linssen oder vergleichbares Stahlboot investierst kannst du tatsächlich erstmal ein optisch und technisch einwandfreies Boot erwarten. Sprich: Jedes technische Bauteil an Bord sollte einwandfrei funktionieren, und Lack- und Teakdeck ohne Mangel sein.

Die Frage ist allerdings viel mehr: Wie lange hält dieser Zustand an?

Und das hängt wiederum von vielen Faktoren ab. Zum Beispiel:

  • Wie hochwertig sind die technischen Komponenten (Maschine, Pumpen, Elektrik etc. pp).
  • Wie stark ist das Schiff täglich der Witterung ausgesetzt, vor allem im Winter.
  • Wo bist du unterwegs (auf See, Binnen) und wie viel (nur mal ein paar Tagesfahrten binnen oder lange Törns bei jedem Wind und Wetter auf See).

Ein Verdränger in der 13-15m Klasse ist meistens ein technisch komplexes Objekt, dessen Teile mehr belastet sind als bei einem Haus an Land. Daher gilt: Es treten garantiert regelmäßig Defekte auf.

Die Anzahl der Probleme und die Zeiträume dazwischen hängen von der Qualität der Teile und – sehr wichtig! – von deren Wartung und Pflege ab.

Je genauer und besser die Technik gewartet wird, desto weniger Probleme werden auftreten.

Ist persönliche technische Kompetenz notwendig?

Technik an Bord einer Motoryacht: Ein Buch mit sieben Siegeln?
Technik an Bord einer Motoryacht: Ein Buch mit sieben Siegeln?

Die Antwort auf diese Frage ergibt sich eigentlich schon aus dem oben gesagten: Da die Technik regelmäßig Aufmerksamkeit in Form von Wartung oder auch mal Reparatur braucht, ist eine grundlegende technische Kompetenz sehr hilfreich.

Die Alternative wäre, jede Kompetenz einzukaufen: Das aber ist sehr, sehr teuer auf die Dauer.

Und kann man den Umgang mit der Technik lernen?

Ich denke: Ja. Zumindest wenn man sich nicht völlig idiotisch anstellt und sich etwas Mühe gibt.

Viele technischen Komponenten an Bord sind eher einfach aufgebaut und lassen sich zumindest soweit verstehen, dass die Pflege und Wartung selbst durchgeführt werden kann.

Ich selbst bin Software-Ingenieur und habe mich vor meiner Bootskarriere für handwerklich komplett unbegabt gehalten. Und heute? Kann ich die meisten Aufgaben an Bord selbständig und fachlich korrekt (!) meistern.

Eine essentielle Ressource dafür ist übrigens yachtinside.de von Michael Herrmann. Alleine durch seine Artikel habe ich sicherlich über die Hälfte dessen, was ich heute weiß, gelernt. 

Wartung und Kontrollen

Gar nicht genug kann ich hervorheben, wie wichtig die geplante Wartung und Kontrolle von Technik und Schiff ist. Zum Beispiel:

  • Ölstand der Maschine alle X Betriebsstunden (bei mir: alle 20 Stunden).
  • Sichtkontrolle von Keilriemen, Sauberkeit der Bilge, Austritt von Betriebsflüssigkeiten bei jedem Blick in den Maschinenraum.
  • Sichtkontrolle diverser versteckter Ecken des Rumpfes zweimal pro Jahr.
  • Sichtkontrolle Wassertank einmal pro Jahr.
  • Funktionsprüfung Bilgepumpen zweimal pro Jahr.

und so weiter. Je besser diese Prüfungen organisiert sind, desto weniger unerwartete Probleme wird es geben.

Kosten einer Verdrängeryacht pro Jahr

Tatsächlich gibt es eine Faustregel, die sich meiner Erfahrung nach erstaunlich gut bewährt hat: Im Schnitt 10% des Kaufpreises pro Jahr. 

Das klingt irre viel. Im Detail betrachtet ist das aber nicht allzu weit hergeholt wenn ein Zeitraum von 10 Jahren oder mehr betrachtet wird:

  • Liegegebühren.
  • Ausrüstung und Änderungen nach dem Kauf (nie wird man ein Boot finden was auf Anhieb alles hat und kann was man selbst möchte).
  • Große Instandsetzungmaßnahmen nach einigen Jahren (Maschine? Teakdeck? Lack? – Alles Posten, die professionell gemacht richtig Geld kosten).
  • Regelmäßige Reparaturen und Erweiterungen (mal eine neue Pumpe hier, mal neue Fender dort, vielleicht ein neuer Plotter, ein Radar, ein weiterer Anker, neue Leinen…).

Wenn du eine Motoryacht für TEU 200 kaufst die 10 Jahre alt ist, wirst Du in dem ersten Jahr ganz sicher diverse Ausgaben für Ausrüstung haben. Dann einige Jahre weniger Kosten weil das Boot erstmal das kann, was du willst, und in der Substanz gut ist.

Nach beispielsweise fünf Jahren sind aber diverse Schäden im Lack entstanden, die professionelle Aufmerksamkeit benötigen (Boot slippen, in eine Lackierhalle, Stellen schleifen, grundieren, spritzen…). Oder beim Teakdeck ist es an einigen Stellen feucht unter dem Holz (Stäbe raus, Korrosion entfernen, neue Beschichtung aufbauen, neues Teakholz anfertigen und montieren…).

Das sind Aufgaben, die ein Laie nicht in der gewünschten Qualität durchführen kann. Alleine mangels Werkzeuge oder Halle. Und gute Leute kosten locker 60 Euro pro Stunde oder mehr.

Wer ein Boot kauft, um es verkommen zu lassen, für den gilt die 10%-Regel nicht. Wer seine Investition aber bestmöglich erhalten will, ist mit dieser Faustregel nicht schlecht bedient. 

Detlef, ich wünsche dir viel Freunde bei der weiteren Suche nach einem geeigneten Boot und allzeit gute Fahrt wenn es dann soweit ist!

7 Kommentare zu “Frage und Antwort: Pflege- und Instandsetzungsaufwand bei einem Gebrauchtboot?

  1. Markus Benzmüller

    Gute Frage und gute Antwort wie ich finde. Hinzufügen möchte ich noch das professionellen Service einkaufen nicht nur teuer sondern oft auch fast bis nicht möglich ist diese Erfahrung habe ich bei der Überführung meines Bootes nach Hause gemacht. „Ist im Urlaub“ „Keine Zeit“ „Zu weit weg“ „Das mache ich nicht“ „Am Montag wieder“ „….“ Ich musste mich selbst reinfuchsen da es einige verdeckte Mängel gab hätte ich das nicht selbst gemacht hätte ich den Heimweg wohl öfter mehrere Tage unterbrechen müssen.
    Fazit: Es ist nicht einfach einen guten und kostengünstigen Service zu finden welcher auch noch nah und zuverlässig ist!

    1. Julian Buß

      Markus, es ist völlig richtig: Eigene Kompetenz ist auch dafür wichtig, Probleme die unterwegs auftreten selbst und zeitnah zu lösen.

      Man stelle sich vor: Im Urlaub vor Anker irgendwo im Nirgendwo, alle haben Hunger und Essen soll gekocht werden, der Generator springt aber nicht an und der Herd hat keinen Strom.

      Mit ein klein wenig Ahnung und Mühe kann man schnell darauf kommen, dass z.B. einfach ein Problem in der Brennstoffversorgung vorliegt, dass nach einmal entlüften erstmal behoben ist – eine Sache von wenigen Minuten.

  2. Detlef

    Hi Julian,

    zunächst mal vielen Dank für deine ausführlichen Info`s. Auch Dir Markus danke für deinen Beitrag.

    (…) Tatsächlich gibt es eine Faustregel, die sich meiner Erfahrung nach erstaunlich gut bewährt hat: Im Schnitt 10% des Kaufpreises pro Jahr.

    Hilf mir, das kann ja nicht heißen “ kaufe ich eine preiswertere/ältere Yacht zB. für100`€ habe ich weniger Kosten als bei einer jüngeren Yacht deren Anschaffung 200`€. ausgehend von gleich Länge ; Art und Ausstattung ausmacht.

    Soweit ich weiß liegt die Kasko Vers. durchschnittlich bei 3 % vom derzeitigen Wert des Schiffes. Wo fließen denn da die restlichen €uros pro Jahr hin ? Und bei der 10 % Regelung habe ich bei einem teuren eingekauften Schiff höhere Kosten ?

    Danke & grüße,
    Detlef

    ps. wie bereits geschrieben. Ich besitze noch kein eigenes Schiff, versuche allerdings über diesen Weg so viele Infos wie möglich zu sammeln, so das es später keine bösen Überraschungen gibt.

    1. Michael Herrmann

      Wenn ich die Frage richtig verstanden habe, ging es um einen „Anhalt“, heißt, einen Richtwert, an dem man sich vor einem Kauf orientieren kann. Dieser Anhalt wird – wie Julian auch schön dargelegt hat – nicht jedes Jahr auf den Cent gleich sein – die 10 Prozent sind eher als ein Mittelwert zu verstehen. Selbstverständlich hat man bei einem teuer eingekauften Schiff höhere Kosten – hier gilt nach wie vor zum Beispiel der Satz, dass jeder Meter Länge mehr den Wert einer Yacht verdoppelt. Das mag überspitzt sein und ist sicherlich angreifbar – wenn man dieses will – trifft aber den Kern der Geschichte. Heißt: In der Regel sind teurere Yachten größer und somit besser ausgestattet, wobei viele Komponenten entsprechende Kosten verursachen können, die in kleineren Yachten nicht vorhanden oder eben kleiner und somit billiger sind. Der Preis einer Yacht ist daher immer ein guter Index für die zu erwartenden Betriebskosten – anders als bei Kraftfahrzeugen. Der zweite entscheidende Faktor für die Höhe der Betriebskosten ist die Mentalität des Eigners – diese ist aber nicht in einem Anhaltswert erfassbar. 10 Prozent sind auch nach meiner Erfahrung ein realistischer Wert, auf jeden Fall dann, wenn die Kosten über mehrere Jahre erfasst werden sollen. Theoretisch könnte man natürlich eine 2-Milionen-Yacht für 0 Euro über ein Jahr bringen, dafür wird das zweite um so teurer. Ob man dabei spart, sei dahingestellt – die Bilanz steckt dann in der Regel im Wertverlust. Diese Vorgehensweise ergibt – nebenbei – auch keinen brauchbaren „Anhalt“.

      1. Detlef Kloppert

        …jetzt dämmert es , nochmals danke Michael und Julian für eure Ausführungen.
        Richtig ist Michael, das ich möglichst viele “ Erfahrungen“ sammeln möchte, bevor es dann tatsächlich die eigene Yacht wird. In jedem Fall wird ein Gutachter meiner Wahl bei der Erstbesichtigung dabei sein.

        Auch zum Thema Wartung muss ich erst einmal die Zusammenhänge verstehen, damit ich später weiß was wann zu warten ist um ggf. den kostspieligen Fall X zu verhindern bzw. kostenmäßig im Rahmen zu halten.

        Dein Beispiel Julian (…der Generator springt aber nicht an und der Herd hat keinen Strom ) Ich sag`s mal ganz banal, dazu muss ich wissen das der Herd von einem Generator angetrieben wird und der wider rum mit Brennstoff versorgt wird.

        Und dafür gibt es beim SBF See, wie zu vielen anderen wichtigen Dingen leider keine Unterrichtseinheiten.

        Deshalb bin ich froh ua. diesen Blog gefunden zu haben – Danke euch Allen …

    2. Julian Buß

      Detlef, Michael hat dazu schon alles geschrieben 🙂 Wichtig ist, dass die 10% Regel als Durchschnitt bei Betrachtung über viele Jahre gilt.

      Um Michaels Aussagen noch etwas plakativer zu machen: Stelle Dir ein 40 Jahre alten Holländer mit 12m vor, den du für TEU 40 kaufst. Nun betrachte dagegen eine 10 Jahre alte 14m Privateer, Linssen o.ähnl. für sagen wir ma. TEU 400.

      Der Unterschied alleine in der Anzahl und vor allem in der Hochwertigkeit der technischen Komponenten ist ganz erheblich!

      Im alten Holländer werkelt vielleicht ein Mercedes OM-312 aus den 1950er Jahren, umgeben von simpel aufgebautem Kühlsystem und praktisch ohne Elektrik. Ersatzteile gibt es auf Flohmärkten, Instandsetzungsarbeiten sind simpel und können von eigentlich jedem durchgeführt werden, der ein wenig was von LKW Diesel Motoren versteht.

      Auf der anderen Yacht ist ein moderner sagen wir mal John Deere oder Deutz Motor mit elektrischer Bedienung, Maschinendaten über ein Bussystem, aufwändiger Filteranlage, vielleicht eine professionelle Ruderanlage mit Tiller, Hydrauliksystem etc.
      Ein Austausch von z.B. der Seewasserpumpe? Min. 500 Euro. Probleme in der Steuerung mit Austausch von sagen wir mal einem Gashebel? 2000 Euro. Und so weiter.

      Oder: Der alte Dampfer hat kein Teakdeck. Der neuere hat wunderschönes Teakdeck, dass aber nach 10 Jahren Schäden aufweist und an einigen Stellen neu gemacht werden muss. Unter 10.000 Euro geht da nix.

      Oder: Der alte Dampfer ist mit einfachem 1 Komponenten Lack beschichtet. Schäden lassen sich selbst mit etwas Owatrol und neuem Lack beheben, jederzeit und überall. Der neuere Dampfer hat eine perfekte 2 Komponenten Lackierung, die man selbst an der normalen Luft niemals so hinbekommt. Schäden müssen also vom Fachbetrieb in einer Lackierhalle behoben werden – selbst für wenige kleine Stellen kommen da schnell 2.000 Euro zusammen.

      In hochwertigen Schiffen sind hochwertige Komponenten. Das ist toll und sorgt für Komfort und Betriebssicherheit (bei entsprechender Wartung). Aber eben auch teuer wenn daran etwas gemacht werden muss.

      Also, lass dich nicht abschrecken – aber kalkuliere die Folgekosten mit ein!

  3. Stefan Nießen

    Ich kann Julian und Michael uneingeschränkt zustimmen. Ich habe ein 40 Jahre altes Boot gekauft. Der Vorbesitzer hat die letzten Jahre gesundheitsbedingt nur noch das Allernötigste an Boot instand halten können. Übersetzt, das was er in den letzten Jahren nicht investiert hat, musste ich in den ersten Jahren vermehrt zahlen. Ich kann mir als gelernter Industriemechaniker handwerklich bestimmt weiterhelfen, aber die Materialien sind leider nicht ganz günstig. Trotz Eigenleistung.

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