Radar für Sportboote (Segelboote + Motorboote) – Hilfe zur Auswahl

Eine Fahrt in die Nacht - nicht nur hier ist ein Radar eine große Hilfe.
Eine Fahrt in die Nacht – nicht nur hier ist ein Radar eine große Hilfe.

(Dieser Artikel über Radar ist Teil der Serie „„MFD, Plotter, Instrumente, Netzwerke auf dem Boot – eine Entscheidungshilfe“.)

Durch die Auswahl oder den Besitz eines MFDs eines Herstellers ist die Auswahl einer Radar-Antenne schon stark eingeschränkt. Denn – wie ich hier im Detail beschrieben habe – müssen MFD und Radar-Antenne zwangsläufig vom gleichen Hersteller stammen.

Wer noch kein MFD hat oder ein komplettes Refit seiner Elektronik plant, der kann sich noch frei entscheiden. Oder?

Was soll das Radar für Segelboot oder Motorboot können?

Radar ist nicht gleich Radar. Gerade bei den „kleinen“ Anlagen für Sportboote gibt es erhebliche Unterschiede in den Fähigkeiten und Eigenschaften. Und wie so oft hilft die Überlegung, was für den persönlichen Einsatz wichtig ist. Hier einige Punkte zur Orientierung:

Funktion/Eigenschaft Nutzen
Sichere Erkennung von Objekten und Landmasse im Nahbereich (wenige Meter bis eine Meile). Sinnvoll bei küstennaher Fahrt oder einer Ansteuerung in der Nacht oder bei schlechter Sicht.
Sichere Erkennung von schmalen Durchfahrten, z.B. Öffnungen in einer Hafenmole. Sinnvoll bei einer Ansteuerung in der Nacht oder bei sehr schlechter Sicht.
Erkennung auch von Objekten mit schwachen Echos (kleine Boote, Segelboote, kleine Tonnen) im mittleren Bereich (eine Meile bis vier Meilen). Zur Kollisionsverhütung bei küstennaher Fahrt.
Erkennung von Objekten und Landmasse im weiten Bereich (vier Meilen bis acht Meilen). Zur küstennaher Navigation und Kollisionsverhütung auf See, vor allem in der Nacht und bei kleiner Crew.
Erkennung von Objekten Fernbereich (über acht Meilen). Für die Navigation. Ob das überhaupt möglich ist hängt von der Höhe der Radarantenne auf dem eigenen Boot ab.
Darstellung von Regenzellen. Zur rechtzeitigen Vorbereitung auf schlechtes Wetter.
Erkennung von Vögelschwärmen. Für Angler – wo Vögelschwärme sind, ist auch Fisch.
Möglichst niedriger Stromverbrauch. Nützlich natürlich vor allem für Segler. Aber auch Motorbootfahrer profitieren: Je weniger Strom das Radar zieht, desto mehr Leistung der Lichtmaschine ist für das Laden der Batterien übrig.
Analyse und Verfolgung von einzelnen Objekten (MARPA) Zur Kollisionsverhütung.
Automatische Prüfung, ob ein Objekt gefährlich ist (sprich: dem eigenen Boot zu Nahe kommen könnte). Zur Kollisionsverhütung
Günstiger Preis
Ein professioneller Impuls-Schlitzstrahler auf der MS CRUM, daneben ein älteres Sportboot-Radome auf der JULIUS.
Ein professioneller Impuls-Schlitzstrahler auf der MS CRUM, daneben ein älteres Sportboot-Radome auf der JULIUS.

Ein paar Begriffe

Wer sich über Radar-Anlagen informiert, sieht sich mit einer Reihe Bezeichnungen und Begriffen konfrontiert, die einen erstmal ratlos zurücklassen können. Hier ein paar Erklärungen:

Begriff Bedeutung
Impuls-Radar Ist die klassische Radar-Technologie. Grob gesagt: hoher Stromverbrauch, gute Leistung im Mittel- und Fernbereich. Bewährt und gehört noch lange nicht zum alten Eisen.
Solid-State-Radar Ist eine neue Technologie, bei der für Radar-Impulse viel weniger Energie aufgewendet werden muss. Diese Anlagen verbrauchen so wenig Strom, dass auch Segler sie lange Zeit laufen lassen können.
Broadband,
Chirp,
Halo
Sind Begriff einzelner Hersteller für ihre Solid-State Radar-Antennen, bei denen die grundlegende Solid-State Technik mit weiteren Kunstgriffen kombiniert wird, um die Erkennungsleistung zu steigern.
MARPA Bezeichnet die Fähigkeit einer Radar-Anlage, einzelne Echos zu verfolgen und deren Kurs und Geschwindigkeit zu ermitteln. Daraus lässt sich dann ein Alarm ableiten, wenn so ein Echo in absehbarer Zeit dem eigenen Boot zu Nahe kommt.

Das „M“ steht für „mini“, eigentlich müsste es aber für „manuell“ stehen denn es bedeutet, dass Echos auf dem MFD für eine Verfolgung explizit ausgewählt werden müssen. Ausgeschrieben heißt MARPA: „Mini Automatic Radar Plotting Aid“.

ARPA Wie MARPA, nur dass es weitere automatisierte Möglichkeiten für die Verfolgung von gefährlichen Objekten gibt. Ist meines Wissens nach bei Anlagen für Sportboote nicht zu finden.
Target Analyzer,
MotionScope
Hier identifiziert und verfolgt das Radar automatisch die Ziele, die dem eigenen Boot entgegenkommen – also potentiell gefährlich sind. Technisch wird das durch die Nutzung des Doppler-Effekts erreicht (Erklärung hier in der Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Doppler-Effekt ).

Kein Radar kann alles

Moderne Radar-Anlagen für Sportboote sind erstaunlich leistungsfähig, und gerade in den letzten Jahren hat sich die neue Solid-State Technologie bei Radar etabliert. So eine Anlage kann heute eine wirkliche Hilfe bei der Navigation und Kollisionsverhütung sein.

Radar, Karte mit Radar-Overlay, dazu eine Rückfahrkamera - mit einem modernen System kein Problem.
Radar, Karte mit Radar-Overlay, dazu eine Rückfahrkamera – mit einem modernen System kein Problem.

Doch ein Radar, das alles perfekt kann, gibt es bisher nicht. Und einige Eigenschaften schließen sich sogar gegenseitig aus. Hier einige Beispiele:

Eigenschaft Schließt aus / benötigt
Niedriger Stromverbrauch Ist nur mit einem Solid-State Radar (z.B. Navigo 3G/4G, Furuno NXT, Raymarine Quantum, Garmin Fantom) erreichbar. Ein niedriger Stromverbrauch bedeutet zwangsläufig, dass die Radarimpulse wenig Energie haben und ihre Echos somit in großer Entfernung schwieriger aufzufangen und zu interpretieren sind.

Sprich: Ein niedriger Stromverbrauch deutet auf gute Leistung im Nahbereich, aber möglichen Problemen im Fernbereich (acht Meilen oder mehr) hin.

Niedriger Preis Von dem Preis hängt maßgeblich die Größe der Radar-Antenne ab. Und davon wiederum hängt ab, wie gut die Anlage Objekte, die dicht zusammen stehen, auflösen kann.

Eine kleine Antenne wird schmale Durchfahrten nicht erkennen, sondern z.B. eine Mole auf ganzer Länge als geschlossen darstellen. Mehrere Boote, die eng nebeneinander fahren, werden mit kleinen Radar-Antennen im Mittel- und Fernbereich als ein Objekt dargestellt.

Sehr gute Leistung im ganzen Bereich, von ganz nah (wenige Meter) bis in die Ferne (über acht Meilen). Im absoluten Nahbereich bringen die modernen Solid State Radar-Anlagen eine sehr gute Leistung, diese schwächeln aber im Fernbereich. Klassische Impuls-Radaranlagen mit großen Antennen sehen unheimlich viel im Fernbereich, dafür aber schlecht im Nahbereich.

 

Wer die maximalen Fähigkeiten von Radar auf einem Sportboot haben will, muss nach aktueller Lage zwei Antennen installieren: Für den Nahbereich mit neuester Solid-State Technik, für den Fernbereich klassische Impuls-Technik mit möglichst großer Antenne an einer hohen Position.

Grenzen durch das eigene Boot

Die Eigenheiten des eigenen Bootes setzen weitere Grenzen. Den Platz (und das Geld) für ein Impuls-Radar mit richtig großer Antenne muss man erstmal haben. Und wer eine solche Radarantenne in 3 Meter höhe montiert, wird sich wundern, warum die Anlage keine kleinen Objekte in 8 Meilen Entfernung wahrnimmt.

Auf einem Expeditionsschiff wie der MS MIRA ist Platz für zwei hoch platzierte Radaranlagen. Auf dem typischen Sportboot wird das nicht möglich sein.
Auf einem Expeditionsschiff wie der MS MIRA ist Platz für zwei hoch platzierte Radaranlagen. Auf dem typischen Sportboot wird das nicht möglich sein.

Das geht einfach physikalisch nicht: Die Reichweite der Radarimpulse wird durch die Erdkrümmung limitiert, was grob so berechnet werden kann: 2,2 * (Wurzel aus Montagehöhe der Radarantenne in Meter * Wurzel aus der Höhe des entfernen Objektes in Meter).

Einen Bootsrumpf, der ungefähr zwei Meter hoch ist, kann mit einer drei Meter hohen Radarantenne also noch in etwas über fünf Seemeilen gesehen werden. Bei einem großen Containerfrachter sieht das schon anders aus: Dessen Schiffskörper ist sicher 10 Meter hoch und kann dann noch locker in über 11 Seemeilen erkannt werden – wenn die Radarimpulse kräftig genug sind.

Ein weiteres Limit ist – zumindest auf Segelbooten – der Stromverbrauch. Was nützt ein hervorragend auflösender und weit reichender Schlitzstrahler, wenn er so viel Strom verbraucht, dass die Anlage nur kurzzeitig in Betrieb sein kann?

Das Radar sollte auf dem Segelboot oder Motorboot immer laufen

Eine Radaranlage läuft idealerweise immer mit. Einerseits der Übung wegen: Nur wer ständig das Radarbild parallel zur Wirklichkeit vor Augen hat, bekommt die nötige Erfahrung, um ein Radarbild im Ernstfall kompetent und routiniert beurteilen zu können.

Ein Solid State Radar wie ein Raymarine Quantum verbraucht so wenig Strom, dass es eigentlich immer mit laufen kann.
Ein Solid State Radar wie ein Raymarine Quantum verbraucht so wenig Strom, dass es eigentlich immer mit laufen kann.

Andererseits sieht das Radar auch bei guter Sicht häufig Dinge, die den eigenen Augen kaum auffallen. Ein kleines Schlauchboot, ein Paddler, ein schneller Flitzer – ein Skipper, der ständig ein Auge auf dem Radar hat, wird auf solche Fahrzeuge schneller aufmerksam.

Wenn unterwegs nur begrenzt Strom zur Verfügung steht, muss es also ein Solid State Radar sein. Motorschiffe mit ausreichend dimensionierter Lichtmaschine können dagegen auch große Impuls-Anlagen ständig laufen lassen.

Die richtige Wahl treffen

Zusammengefasst orientiert sich die Auswahl einer passenden Radar-Anlage an:

  • Gegebenheiten des eigenen Bootes, vor allem hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Energie.
  • Einem gegebenenfalls schon vorhandenen MFD.
  • Gewünschten Funktionen.

Wenn die so ermittelte Anlage dann auch noch in das eigene Budget passt erhält das Boot ein äußerst nützliches Mittel zur Navigation und Kollisionsverhütung. Der Skipper muss damit aber umgehen können – und das ist ein Thema für einen weiteren Artikel.

P.S.: Da garantiert die Frage kommt: „Wozu Radar, ich habe doch AIS?“ – die einfache Antwort: Ein Radar sieht „alles“, AIS nur die Schiffe, die aktiv ein Signal aussenden.

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