Wahnsinn? D-Schottland-Island-Grönland-Kanada-USA unter Motor, in den 80ern

Mit der MANTA nach New York. In den 80er Jahren.
Mit der MANTA nach New York. In den 80er Jahren. (Alle Fotos abfotografiert vom Buch „Kurs New York“).

Das hat mich wirklich beeindruckt. Schaut das Boot in dem obigen Foto an: Das ist die MANTA, Ende der 80er Jahre, vor ungefähr 30 Jahren. Ein gerade für damalige Verhältnisse sicher großes Motorboot, aber eigentlich nichts ungewöhnliches:

  • Stahlboot, gebaut 1979.
  • Schlichter Holzaufbau.
  • Kein hohes Schanzkleid.
  • Einfaches Unterwasserschiff.
  • Propeller völlig ungeschützt.
  • Zwei 8 Zylinder Deutz Diesel mit bereits fast 8000 Betriebsstunden.
  • Keine Maßnahmen gegen das Rollen (Flopperstopper, hydraulische Stabis gab es damals sowieso noch nicht).
  • Bunkerkapazität für ungefähr 1.200 Seemeilen.

Karlheinz Breidenbach und seine Frau hatten mit der MANTA bereits ordentlich Seefahrt betrieben und in Europa fast alles gesehen. Nur der Sprung über den Atlantik in die USA, das war ein Traum, der aufgrund der beschränkten Tankkapazität unerreichbar schien.

Ziel erreicht: Die Manta in New York.
Ziel erreicht: Die Manta in New York.

Eine Route allerdings schien möglich zu sein: Die Nordroute. Über Island nach Grönland, von dort weiter nach Kanada, und weiter durch den St. Lorenz Strom in die USA und nach New York. Danach: noch weiter. Jahrelang. In die Karibik, nach Venezuela, zurück in die USA, binnen bis nach Chicago, durch die großen Seen, wieder nach New York, und erneut den Sprung über den Atlantik zurück nach Europa, dieses mal über Neufundland-Azoren-Madeira, und schließlich nach Deutschland.

Die Nordroute! Mitten durch die ungemütlichsten, regelmäßig sturmgeplagten Bereiche des Atlantiks. Zwischen Eisbergen, Growler und Packeis nach Grönland. Mit einem zwar 18m langen, aber ansonsten aus heutiger Sicht völlig durchschnittlichem Motorboot. Verrückt? Wahnsinn? Unverantwortlich? 

GPS? Eiskarten? Wettervorhersage auf mehrere Tage? Exakte Karten? Fehlanzeige!

GPS gab es damals nicht (das wurde erst in den 90ern in Betrieb genommen). Loran C Empfänger, die gab es, und zumindest in Küstennähe konnte damit eine Position bestimmt werden. Manchmal jedenfalls. Es gab einen Vorläufer von GPS, der mit Glück auf offener See eine Position lieferte. Ansonsten ergab sich die Position basierend auf Kopplungsnavigation, mit Fehlern, die sich von Stunde zu Stunde vergrößerten.

Ein gutes Radar trug eine Hauptlast der Navigation. Die Breidenbachs konnten damit umgehen. Nicht so, wie der durchschnittliche Sportbootler heute mit seinem vollautomatisierten und mit Algorithmen vollgestopften Digital-Radar umgeht, sondern mit tiefgehender Kenntnis der technischen Grundlagen, Möglichkeiten und Beschränkungen eines Radarsystems dieser Zeit. Mit dem Radar wurden Entfernungen zur Küste bestimmt, Ankerbuchten gefunden, Eis lokalisiert, Wetterzellen gefunden und die eigene Position anhand von Küstenlinien im Vergleich zur Karte bestimmt.

Im arktischen Teil des Atlantiks.
Im arktischen Teil des Atlantiks.

Mit einem Wetterfax konnten sie Wetterkarten empfangen und dann selbst deuten. Ansonsten gab es eine Funkanlage für UKW und Kurzwelle sowie Seekarten auf Papier, die mit zunehmender Entfernung von Europa ungenauer wurden.

Schon vor Schottland war es fast zu Ende

Direkt beim Start der Reise entwickelte sich das Wetter auf der Nordsee schlechter als erwartet. Viel, viel schlechter. Am Ende waren die Breidenbachs und Crew mit der MANTA bei Windstärken zwischen 9 und 10 (!) auf der Nordsee vor Schottland gefangen. Stunden um Stunden. Aber: gebetet wurde nicht. Vielmehr wurde ruhig und professionell mit der See umgegangen und angepasst gefahren. Es muss ein unfassbar wilder Ritt gewesen sein.

Wasser im Boot! Holzaufbau gerissen!

Und dann: trifft eine unglückliche Kombination von Wellen die MANTA und reißt Teile des Holzaufbaus ein. Wasser ist im Boot! Es gibt keine EPIRB, die aktiviert werden kann. Keine Helikopter, die hätten zur Hilfe kommen können. Und die Wellen schlagen weiter auf das Boot ein.

Die Breidenbachs ändern den Kurs, fahren ganz langsam, lassen das Boot sanfter in den Wellen arbeiten. Zusammen mit ihrer Crew, einem befreundeten Paar, bauen sie eine notdürftige Reparatur für den gerissenen Aufbau mit Sperrholzplatten, die für diesen Zweck mitgeführt wurden. Das Wasser wird gelenzt, die Maschinenanlage läuft, die Fahrt geht weiter. Langsam, ganz langsam durch den Sturm auf der Nordsee zum Firth of Forth. In Schottland angekommen wird der Aufbau auf einer Werft instand gesetzt und weiter geht es auf der Nordroute.

Radarnavigation vor 30 Jahren.
Radarnavigation vor 30 Jahren.

In den USA angekommen: Fassungslosigkeit. Kann das wirklich wahr sein?

Viele weitere Seemeilen folgen. Einige ruhig und schön, andere windig und heftig. Durch das Eis bei Grönland, wo ein Flugzeug der dänischen Eiswacht das zufällig (!) via Funk erreicht werden konnte, eine Route für die MANTA sucht und findet. Hoch über den mächtigen St. Lorenz Strom mit aberwitziger Strömung, durch Kanada, bis in die USA.

Nett und höflich wie die Amerikaner so sind fragen Sie die Breidenbachs, wo sie denn herkommen und mit welchem Frachter das Boot transportiert wurde. Und können es regelmäßig nicht fassen, wenn sie die Antwort erhalten: „Auf eigenem Kiel, über Grönland!“. Lokale Presse berichtet, die Breidenbachs werden fast berühmt. Und sie selbst verstehen das Aufheben gar nicht, für sie ist die Nordroute nur logisch für ein Motorboot mit beschränkter Reichweite.

Reiseroute der MANTA von 1997 bis 1991.
Reiseroute der MANTA von 1997 bis 1991.

Verrückt? Wahnsinn? Unverantwortlich? Nein.

Das, was die Breidenbachs vor über 30 Jahren abgeliefert haben, war Seemannschaft vom allerfeinsten. Da war niemand leichtsinnig. Ganz im Gegenteil. Sowohl die Breidenbachs als auch ihre Crew kannten die MANTA, wussten, was sie konnte. Und – vor allem! – was sie nicht konnte. Ihre Navigationsmittel waren damals auf der Höhe der Zeit, und mit ihnen wurde professionell und sicher umgegangen.

Die Breidenbachs und ihre Freunde.
Die Breidenbachs und ihre Freunde.

All die Probleme, die auftraten, wurden unterwegs gelöst Meistens mit Bordmitteln. Reparaturen mussten regelmäßig durchgeführt werden, dafür war das Schiff mit Ersatzteilen vollgepackt.

Die Crew hat sehr viel Hilfsbereitschaft in den fernen Ländern erfahren. Einmal beispielsweise war ein Werftaufenthalt notwendig, und im einzig erreichbaren Dock war ein französischer Versorger eingeplant. Die MANTA wurde mit gedockt, und die Breidenbachs hatten dann alle Hände voll zu tun, alle Arbeiten am Unterwasserschiff fertig zu bekommen bis die Arbeiten am Versorger abgeschlossen waren. Denn: die französische Seemacht wartet nicht auf ein kleines deutsches Boot.

Die MANTA im Dock zusammen mit einem französischen Versorger.
Die MANTA im Dock zusammen mit einem französischen Versorger.

Maschinen abgenutzt, Rückkehr unmöglich?

Nach Venezuela und einem weiteren Aufenthalt in der Karibik war auf dem Weg zurück in die USA klar: Die Maschinen sind aufgebraucht, die Kompression katastrophal, eine erneute Reise über den Atlantik völlig undenkbar. Aber wie findet man Techniker, die in den USA einer Deutz Maschine eine große Revision unterziehen können?

Doch die Breidenbachs wurden fündig: Deutsche Deutz Techniker nahmen sich der Maschinen an und überholten sie vollständig. So konnte es weiter gehen: Binnen zu den großen Seen wieder nach New York, wieder runter nach Florida, dann wieder nördlich nach Neufundland und mit Extra-Brennstoff über die Azoren und kanarische Inseln zurück nach Hause.

Eine deutsche Motoryacht verewigt sich vor fast 30 Jahren an der berühmten Mauer auf Horta.
Eine deutsche Motoryacht verewigt sich vor fast 30 Jahren an der berühmten Mauer auf Horta.

Blauwasser-Langfahrt mit dem Motorboot

Heute gibt es eine Reihe von Motoryachten, mit denen Ozeanüberquerungen verhältnismäßig einfach möglich sind, ich hatte darüber sogar schon in der boote geschrieben. In den Niederlanden können Yachten aus Stahl oder Aluminium für diesen Zweck gebaut werden, zum Beispiel ein Trawler von Privateer über den ich hier geschrieben hatte. In den USA werden Langfahrt-Motoryachten beispielsweise von Nordhavn oder Kadey-Krogen gebaut. Auch in Eigenbau geht es, wie die Kaniva beweist. Sogar mit meiner eigenen JULIUS könnte der Sprung über den Atlantik gelingen.

Dazu GPS und moderne Navigation mit dem Computer oder einem Plotter zusammen mit größtenteils genauen Seekarten. Verschiedene Notfallsender erlauben eine Benachrichtigung von Rettern von fast jedem Punkt der Welt aus, und sogar mitten auf dem Atlantik kann man telefonieren und E-Mails senden.

Natürlich ist auch eine Passage auf der üblichen Barfußroute immer noch echte Seefahrt und keinesfalls trivial! Aber die heutige Situation im Vergleich zu den 80er Jahren ist eine völlig andere. Dazu noch hat die MANTA die Nordroute mit Starkwinden und Eis genommen, dazu gehört neben einer großen Portion Mut ganz ausgezeichnete Seemannschaft. Dafür haben sie meinen allergrößten Respekt.

Nachzulesen ist das alles im Buch „Kurs New York„, das es vereinzelt noch bei Amazon gibt.

Das Buch über diese Reise: Kurs New York (Klick für Link zu Amazon).
Das Buch über diese Reise: Kurs New York (Klick für Link zu Amazon).

 

Inhalt des Buches "Kurs New York" von Karlheinz Breidenbach.
Inhalt des Buches „Kurs New York“ von Karlheinz Breidenbach.

 

19 Kommentare zu “Wahnsinn? D-Schottland-Island-Grönland-Kanada-USA unter Motor, in den 80ern

  1. Jan-C. Ebert

    Julian, einfach beeindruckend! Wo hast Du denn diesen Reisebericht gefunden? Amazon ist leider jetzt, wahrscheinlich aufgrund Deines Berichtes, diesbezüglich ausverkauft:(
    Daneben sieht unser Plan einer Atlantiküberquerung von West nach Ost mit modernerem Gerät ganz klein aus…
    Freue mich schon auf Deine nächsten Entdeckungen! Jan

    PS: Ich habe übrigens Dein WWAN/WiFi setup letzten Monat installiert. Das wird sich nun in Florida und der Karibik beweisen müssen!

    1. Julian Buß

      Ich hatte irgendwann noch mal den Reisebericht der LENA von Hans-Jürgen Haardt gelesen (PDF gibt es irgendwo tief vergraben im boote-forum.de). Dort hatte er eingangs erwähnt, dass ihn (unter anderem) eben dieses Buch „Kurs New York“ zu der Fahrt inspiriert hat.

      Such sonst mal bei eBay oder auch direkt bei Google nach dem Buch, vereinzelt wird man noch fündig 🙂

      Viel Erfolg mit dem WLAN Setup… ich hatte da letztens noch eine Ergänzung zu geschrieben, hast das gelesen?

      1. Jan

        Ja, habe ich gelesen. Das grundsätzliche setup steht schon. Aber das Strippenziehen durch das Stahlboot ist, insbesondere in der Florida-Sonne, ein ziemliches Unterfangen gewesen. Muss jetzt noch alles durchgemessen und dann fest verkabelt werden. Im Grundsatz scheints aber schon zu laufen. Merci nochmals, Jan

    1. Julian Buß

      Ja, hier ein paar Daten zur MANTA:

      Doppelschrauben-Motoryacht Typ „Pernica“
      Bauwerft: Schiffswerft Hameln (Weser) W. Müller KG
      Baujahr: 1979
      Maße: Länge u.a. 18m, Breite 4,5m, Tiefgang 1,4m
      Verdrängung: 27t
      Rumpf: Stahl
      Aufbauten: Holz mit Alu-Dächern
      Maschine: 2 x 8 Zylinder Deutz-MM Diesel je 200kW (270PS) bei 2300 Upm mit Kielrohrkühlung
      Tanks: Diesel 4.600l, Wasser 2000l

  2. Peter

    Wie schön, davon zu lesen. Breidenbach´s waren Clubmitglieder in unserem heutigen Verein und gerade beim letzten Arbeitsdienst konnte ich das zweite und letzte Buch dieser Familie ergattern. Hierbei geht es um die Fahrt um den Globus, allerdings mit einem etwas größerem Schiff. Die Route in Kurzform: Cote d´Azur-Rotterdam-Kanaren-Karibik-Panama-Costa-Rica-Mexico-Tahiti-Tonga-Neuseeland-Australien-Malaysia-Ägypten-Cote-d´Azur.

      1. Peter

        „Rund um den Erdball“.

        Das Schiff heißt West Indies und ist 26 Meter lang und hat 130 Tonnen Verdrängung. Davon sind schon mal 16 Tonnen der Diesel für 7400 km Reichweite. Werft heißt Cammenga aus den NL.
        Die Reise begann 1992 und endet 1997 nach über 33000 sm.

    1. Armin Hornung

      Hallo Peter,
      habe das Schwesterschiff von der „Manta“ gekauft, die „Independence“.
      Würde mich freuen mit den Breidenbachs Erfahrungen auszutauschen.
      Könntest Du mir eventl. helfen den Kontakt herzustellen ? ( falls erwünscht )
      Danke im voraus,
      Armin

        1. Heinz -Dieter Breidenbach

          Hallo Peter, ich bin der Sohn, meine Mutter ist noch „putzmunter“ und würde sich bestimmt über einen Kontakt freuen. Ich war auf der Rückfahrt dabei und habe 2009 mit meinem Boot die Überquerung von den Kanaren aus gemacht.
          Wenn gewünscht stelle ich den Kontakt zu Armin Hornung her.
          Herzliche Grüße Dieter

  3. Volker Schäfer

    Hallo, mein Name ist Volker Schäfer. Ich bin der Sohn von Alfons Schäfer dem die 3. Yacht im Bunde gehörte. Der Name der Yacht war oder ist noch Moana. Die Manta gehörte Fam.Breitenbach. Die Espania gehörte der Fam. Neubeck. Wenn jemand etwas über den Verbleib der Moana weis wäre ich über eine Info dankbar.

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