Am nächsten Tag ging es dann um 16:00 Uhr weiter: Nun sollte es durch die Nacht über das Kattegat direkt in die Schären vor Göteborg gehen. Die Vorhersage blieb stabil: Wenig bis gar kein Wind. Und tatsächlich blies auf Sejerø schon ab Mittags nur ein sehr laues Lüftchen.
Da kann sich die Idee aufdrängen, auch schon früher los zu fahren. Jedoch: Sinn hätte es keinen gemacht. Denn die Nacht wollte ich ja auf dem freien Kattegat verbringen, wo mich nur andere Schiffe, aber keine Felsen, Tonnen oder Fischernetze beschäftigen. Und genau das hätte ein früherer Start bedeutet: Ich wäre in der Nacht in den Schären angekommen. Und will ich dort im Dunkeln navigieren?
Nein, natürlich nicht. Bei der Abfahrt um vier Uhr Nachmittags dagegen würde ich morgens, wenn es schon hell ist, in Küstennähe und bei den ersten Schären sein. Das ist ja ein Vorteil des Reisens unter Motor: Planbare Geschwindigkeit und Ankunftszeiten!
Also raus auf das Kattegat. Dort erwartete mich: Sehr wenig Wind, eine leichte Restdünung, blauer Himmel – genau so hatte ich mir das erhofft, was für ein Glück!
Die JULIUS fuhr den eingegebenen Kurs, im Radar hatte ich Alarmzonen eingestellt und CoastalExplorer hätte mich vor zu nahe kommenden Berufsschiffen gewarnt. So hatte ich Zeit, mit Ole zu spielen.
Spielen heißt in diesem Fall: Training. „Sitz“, „Platz“, „Bleib“ – diese Kommandos müssen jeden Tag geübt werden. Und etwas Neues habe ich probiert: „Such“. Dabei hab ich ein Leckerlie versteckt und Ole sollte schnüffeln und suchen, um es zu finden. Das hat schon ganz gut geklappt und uns die Zeit vertrieben.
Wie geplant fuhren wir mit ein paar Seemeilen Abstand parallel zum Weg T, einer Autobahn für die großen Dampfer. Der Verkehr auf diesem Weg war aber eher zurückhaltend. So alle 20 Minuten ein Schiff, und alle hielten sich strikt an das Fahrwasser, so dass sie mich nicht stören konnten.
Andere Sportschiffe waren kaum unterwegs, bis zum Sonnenuntergang habe ich nur zwei Motorboote gesehen, die in Richtung dänischer Küste fuhren.
Entspannt habe ich mich auf die Nacht vorbereitet. Ole schlief schon, als ich das Rotlicht im Salon, die Positionslaternen und die Instrumentenbeleuchtung anschaltete. CoastalExplorer habe ich auf Nachtmodus gestellt (dabei ändern sich die Farben und Kontraste der Kartendarstellung) und das große Display zur Sitzbank gedreht.
So konnte ich mich auf der Bank lang hinlegen und hatte die Navigation und AIS-Informationen (d.h. Position, Geschwindigkeit und Kurs der anderen Schiffe) immer im Blick. Dazu lief weiter das Radar mit den Alarmzonen.
Dieses große Display (mit Touchscreen) zusammen mit einem Mac Mini (ohne Festplatte, nur mit Flash-Speicher) hatte ich erst im Frühling installiert und bin total begeistert von dieser Lösung: Auf dem Kartentisch steht kein Laptop mehr im Weg, der Bildschirm hat viel Platz und kann mit der Wandhalterung in verschiedene Positionen gedreht werden. Für ein Sportschiff ist das schon eine einigermaßen professionelle Lösung, denke ich.
In der Nacht sah es auf dem Display dann beispielsweise so aus:
Das Bildschirmfoto ist ziemlich dunkel. Und das gehört so – denn es ist ja Nacht, und da darf das Navigationsdisplay nicht zu stark leuchten. Das orange Schiff ist die JULIUS, links daneben drei Dampfer auf dem Weg T. Die PATANI wird hinter meinem Heck, die ALDEBARAN vor meinem Bug kreuzen. Also alles entspannt.
So lief die Nacht relativ ruhig ab. Ich habe meistens in zwanzig Minuten Intervallen gedöst, das ging ganz gut. Ernsthaft schlafen konnte ich natürlich nicht, dafür war einfach zu viel Verkehr und je näher ich Anholt kam, desto häufiger kreuzten Schiffe meinen Kurs, so dass entweder das Radar oder das AIS Alarm geschlagen haben. Letztlich musste ich aber nur ein einziges Mal wirklich meinen Kurs ändern: Ein Fischer war bei der Arbeit und ich kam ihm etwas zu Nahe. Gepasst hätte es sicherlich, aber ich wollte ihn auch nicht nervös machen und bin einen schönen Bogen um sein Boot gefahren.
Eine Nacht zu dieser Jahreszeit ist ja auch eher kurz, und so ging auch bald wieder die Sonne auf.
Da waren dann schon die schwedische Küste in Sicht und der Schiffsverkehr nahm deutlich ab, so dass auch ein paar längere Ruhepausen möglich waren.
Genau wie geplant war es schon vollkommen hell, als die JULIUS in das Schärengebiet einfuhr. Hier sind die Schären noch sehr kahl, haben aber auch so schon ihren Charme.
Nun war es nicht mehr weit bis zu dem Ankerplatz bei einer Schäre namens „Stensh“, wo erwartungsgemäß nichts los war. Der Anker fiel, und hielt – wie bisher immer – auf Anhieb.
Geschafft also! Alleine „mal eben“ von Damp bis fast nach Göteborg. Ein leichtes „Yeah, cool!“-Gefühl stellte sich ein, aber viel Zeit war dafür nicht. Denn: Ole hatte Land gewittert und wurde schon hibbelig. Und ganz ehrlich hat er sich den Landgang auch wirklich verdient, er hat diesen langen Törn völlig problemlos mit gemacht, obwohl stellenweise schon gut spürbarer Seegang war. Der kleine Kerl ist eine ganz coole Socke.
Also, Schlauchboot klar gemacht und ab auf die nächste Schäre. Und festzustellen ist: Ole ist zwar auch ein Seehund, vor allem aber wohl ein Kletterhund. Ganz erstaunlich, wie er schon auf den Felsen herumturnt!
Nach dem ersten Landgang gab es für uns beide dann etwas ordentliches zu Essen (getrennt allerdings, der Hund würde bestimmt gerne meine Mahlzeit futtern, umgekehrt kann ich das nicht behaupten) und dann wurde geschlafen.
Am Abend dann war mehr Zeit für ein persönliches Resümee: Ich hatte ganz großes Glück mit dem Wetter. Trotz sehr wenig Wind war auf dem Kattegat stellenweise erstaunlicher Seegang, aber alles völlig problemlos und jederzeit ausreichend komfortabel. Bei viel Wind, also mehr als fünf Windstärken, wäre diese Tour nicht schön sondern anstrengend geworden.
Von der Sache mit dem Lüfter (beschrieben hier im vorherigen Beitrag) abgesehen hat die JULIUS perfekt funktioniert und hat gezeigt, dass ich solche Törns mit diesem Schiff jederzeit machen kann. Ich weiß genau, wie schön das Segeln ist und welche Vorteile es hat. Aber: So ein Törn in so kurzer Zeit wäre unter Segel nicht oder nur mit viel mehr Anstrengung möglich gewesen.
Und so kann ich auf die Frage „War es anstrengend?“ tatsächlich antworten: Nicht wirklich. Unter diesen Bedingungen war es eigentlich sogar sehr einfach.
Dieser Eintrag spielt am 28./.29.7.2016.
Moinsen Julian,
Gratuliere,
gut geschrieben und sehr schöne Bilder.
Viel Spass noch im Urlaub.
Für uns ist nächste Woche die Saison zu Ende.
Aber fast 3 ½ Monate reicht auch.
Sonnige Grüße aus Braunschweig
LG Jens
Danke, Jens!
3 1/2 Monate ist doch super… und jetzt hast Du bestimmt eine lange Liste mit Wünschen für die Werft 🙂
ich freu mich auf due Fortsetzung, sehr schön geschrieben. euch weiterhin viel Spass und immer genug Wasser unter dem Kiel.
grüsse thomas
Danke!
Die Lösung mit dem Mac ist ja auch ganz praktisch aber müsste der Flash-Speicher nicht irgendwann Probleme bezüglich des dauerhaften lesen und schreibens beziehungsweise der Speicherzugriffe ?
Viele Grüße
Dominik
Moin Dominik,
das glaub ich nicht, Flash-Platten (d.h. SSDs) sind da schon ziemlich gut geworden. Und wie lange läuft der Mac denn aufs Jahr gesehen? Das ist ja minimal.
Ahoi Julian (ich hätte fast Julius gesagt 😉 )
Ich bin letzte Woche per boote-forum über Deine Seite gestolpert, hab an einem Abend alles interessiert und begeistert weg geschreddert und freute mich schon über die Fortsetzung, also den aktuellen Turn.
Und da isser nu….klasse!
Ich lese beigeistert mit. Tolles Schiff (!), tolle Crew, tolle Berichte, Bilder etc. Macht richtig Spaß, Euch zu „verfolgen“. Danke dafür.
Euch weiterhin eine klasse Reise,viel Erholung und alles, was außer der Handbreit noch dazu gehört….
P.S. Ole ist ja nun mom. wirklich der „Kracher“ auf dieser Tour. 😉
Gruß aus Hamburg
Bea
Halllo Bea,
vielen Dank für die netten Worte!
Ja, Ole macht sich super und ist für uns alle ein Highlight (nicht nur) auf diesem Törn 😀
Gruß aus den Schären,
Julian