Lehren aus einem Sommer mit viel Bruch

Irgendwo in der Ostsee vor Anker.

Diese Sommersaison war sehr schön: Das idyllische Neuhaus an der Oste entspannte die Seele und im Urlaubstörn ging es einfach nur in die wohlbekannte dänische Südsee.

Wie – Keine Großambitionen, wie nochmal Norwegen oder mal in den englischen Kanal? Nein, das passte dieses Jahr alles nicht, dafür muss mehr Zeit da und das Leben im privaten Umfeld wieder gesetzt sein. Daher ging es nur durch den Nord-Ostsee-Kanal, hoch nach Sonderborg, ein Abstecher nach Flensburg und etwas hin und her in der Südsee.

Und: Das war überhaupt nicht langweilig. Ganz im Gegenteil. Selbst in diesem oft befahrenen Revier habe ich noch neue Plätze entdeckt, so einen Ankerplatz gegenüber von Sonderborg mit einem idyllischen, wildem Strand, auf dem wir mit guten Freunden zusammen einen wunderbaren Abend verbracht haben.

Dazu waren wir zufällig zu genau der richtigen Zeit unterwegs und hatten allerbestes Sommerwetter.

Bruch #1: Raymarine EV-1 Sensor

Getrübt wurde der Sommer allerdings durch eine außergewöhnliche Häufung von Bruch auf dem Boot.

Zuerst startete der Raymarine EV-1 Sensor nicht mehr, nachdem ich das Seatalk-NG Kabel im Rahmen eines Umbaus abgezogen und wieder angesteckt habe. Dieses Gerät enthält einen Kompass- und Bewegungssensor und ist ein Kernelement des Autopiloten. Ohne EV-1 kein Pilot.

Alle Tipps aus dem Netz und vom Raymarine Support waren vergeblich – der Sensor war tot. „Einfach so“. Nachdem ich frustriert ein neues Exemplar bestellt habe – und umgefallen bin, was so ein Ding kostet! – habe ich gelernt, dass ich aus Unwissenheit den Schaden verursacht habe: Ich habe das Seatalk-NG Kabel im laufenden Betrieb, ohne das Netz vorher abzuschalten, gezogen und wieder angeschlossen. Laut Raymarine kann das tatsächlich dazu führen, dass der Sensor stirbt.

Klingt erstaunlich, oder? Warum überlebt so ein Gerät so etwas nicht? Sicher gibt es eine technische Erklärung dafür… trotzdem wundere ich mich als ja technisch auch nicht direkt unerfahrener Mensch, dass das nicht besser zu bauen ist.

Erste Erkenntnis: Niemals ein Raymarine Gerät von einem laufenden Seatalk-NG Netzwerk trennen und wieder anschließen.

Bruch #2: Hydraulik-Zylinder von den Stabilisatoren

Der defekte und ausgebaute Hydraulik-Zylinder von den Stabilisatoren.

Die JULIUS ist mit hydraulisch betätigten Stabilisatoren gegen Seegang (Video-Test hier) ausgerüstet: Große Klappen am Heck unter Wasser, die von Hydraulik-Zylindern blitzartig so bewegt werden, dass sie eine Gegenkraft zu der vom Seegang erzeugten Bootsbewegung erzeugen.

Damit so ein System funktioniert, muss die Zentraleinheit jederzeit exakt wissen, welche Zylinder in welche Position ist. Daher sind das spezielle Zylinder, die einen hochgenauen Positionssensor mit Elektronik haben. Nichts, was es beim Landmaschinenhändler um die Ecke gibt.

Bei einem Zylinder war nun eben jener Positionssensor defekt. Effektiv hatte die JULIUS damit keine Stabilisatoren mehr – und das schon seit Herbst letzten Jahres.

Die Stabilisierung ist kein kritisches System – das Boot fährt auch ohne. Nur unkomfortabler im Seegang. Daher habe ich mir Zeit gelassen, um eine Reparatur zu organisieren. Denn das ist nicht so einfach:

  • Das Boot muss in einer Werft geslippt werden.
  • Dann kann der Zylinder ausgebaut werden.
  • Und wer kann sowas reparieren?
  • Schließlich muss das Boot erneut geslippt werden, um den reparierten Zylinder wieder einzubauen.

Hocherfreut war ich, dass es den Hersteller des Systems (Hydrosta aus den Niederlanden) noch gibt und die bereit und in der Lage waren, dieses 20 Jahre alte System zu reparieren!

Insgesamt ein langwieriger und teurer Prozess – aber letztlich hielt ich irgendwann den reparierten Zylinder mit neuer Positions-Elektronik in Händen. Nach dem Einbau gab es noch einen Schreckmoment: Ich hatte mich mehrfach (!) beim Hersteller rückversichert, dass sich die Kabelbelegung nicht geändert hat. Nach dem Anschluß meldete der Positionssensor aber: Nichts.

So viel Geld! So viel Mühe! Und dann funktioniert es immer noch nicht?

Dann hat der – sehr nette – Mensch bei Hydrosta noch mal tief in den Archiven gekramt und herausgefunden, dass der Zulieferer des Sensors vor ungefähr 10 Jahren doch die Kabelbelegung geändert hat. Also zwei Kabel vertauscht und – es funktionierte.

Zweite Erkenntnis: Es gibt sie, die mittelständigen, europäischen Unternehmen, die lange bestehen und auch nach Jahrzehnten noch Kundenservice bieten.

Bruch #3: Radar

Radar auf der JULIUS – für mich ein kritisches System.

Unterwegs habe ich grundsätzlich das Radar auf einem Display mitlaufen (hier übrigens ein kleiner Kurs zum Umgang mit Radar auf einem Sportboot), und so war ich erstaunt, als ich einfach so, aus heiterem Himmel auf dem Törn nach Sonderborg, in eben jenem Display nur noch eine Meldung „Antennen-Selbsttest fehlgeschlagen“ las. Und so blieb es auch. Neustart, Verbindung zum Radar trennen und wiederherstellen – alles erfolglos.

Das Quantum 1 Radar war 8 Jahre alt. Das ist jetzt nicht mehr ganz frisch, aber alt in dem Sinne doch auch nicht? Nun war die Frage: Den Rest der Saison (und des Urlaubs) ohne Radar? Denn eine Reparatur erfordert das Einschicken der Radarantenne, was während eines Urlaubs nicht möglich ist. Oder die letzten Taler zusammenkratzen und eine Quantum 2 Antenne bestellen, in einen Hafen liefern lassen und die Reparatur mit anschließendem Verkauf bei eBay auf später verschieben?

Ich wollte tatsächlich nicht ohne Radar unterwegs sein. SVB konnte schnell nach Flensburg liefern, der Hafenmeister war nett und bereit, das Paket zu empfangen. Also noch mal (viel) Geld ausgeben.

Das Paket erreichte uns dann doch nur mit Hindernissen, aber letztlich war die neue Radarantenne da. Und der Austausch alt gegen neu – das sei positiv erwähnt – war in einer Viertelstunde erledigt. Auf einem Boot geht ja eigentlich nie etwas einfach, doch das war eine rühmliche Ausnahme.

Warum das Radar aus heiterem Himmel ausgefallen ist? Das bleibt noch zu klären.

Dritte Erkenntnis: Eine gewisse Unsicherheit über die Qualität von Raymarine stellt sich ein.

Bruch #4: VisuShip Schiffsüberwachung

Das alte VisuShip System

Ebenfalls während des Urlaubs und ebenfalls aus heiterem Himmel sprach meine VisuShip Schiffsüberwachung (Video darüber hier) nicht mehr mit mir. Nun bin ich studierter Informatiker und kenne mich durchaus mit Betriebssystemen und Netzwerken aus – aber das Ding war nicht mehr zur Zusammenarbeit zu überreden.

So schön und praktisch eine umfassende Schiffsüberwachung ist, stufe ich sie nicht als kritisch ein. Diesen Ausfall habe ich erstmal hingenommen und mir den weiteren Urlaub nicht vermiesen lassen.

Später habe ich nach ausführlicher Überlegung entschieden, mich von VisuShip zu trennen: Ich war nerdig neugierig darauf, wie ich mit Hilfe von Standardkomponenten und -software ein eigenes System aufbauen kann. Spoiler: Das habe ich mittlerweile mit einem sofort nutzbaren Raspberry Pi (HALPI 2 Computer aus Finnland), ein paar Shelly Komponenten und Standardsoftware (Signal-K, Influxdb, Grafana) umgesetzt und bin sehr zufrieden mit meinem Werk. Wenn ich Lust habe, werde ich dazu noch ein Video machen – so ein System zu bauen ist für einen Software-Ingenieur wie mich faszinierend, aber definitiv nichts für Einsteiger.

Eine von vier Seiten meiner neuen Schiffsüberwachung: Wetter und Umgebung.
Eine weitere Seite über Solarerträge und Batteriezustand: Jetzt im Dezember gibt es kaum Ertrag.

Interessanterweise meinte der Hersteller von VisuShip, nachdem er meine Hardware zurück erhalten hat und etwas unglücklich über meine Trennungsabsicht war, dass alles einwandfrei funktionierte und sie noch nie einen Ausfall gehabt hätten.

Vierte Erkenntnis: Eine zentrale Schiffsüberwachung ist toll. Aber du musst auch ohne problemlos leben und fahren können.

Und sonst so?

Als fast schon Kleinigkeit machte der Boiler im Herbst Probleme: Sofort nach dem Anschalten löste der FI-Schutzschalter an Bord aus. Das hatte ich vor sechs Jahren schon einmal, Grund war ein defektes Heizelement. Sechs Jahre finde ich hier auch kein Grund, um zu brechen – aber sei’s drum. SVB hatte das passende Element, der Austausch war erstaunlich einfach.

Auf der idyllischen Werft in Neuhaus – fast fertig.

Dann war noch das Unterwasserschiff dran: Nach dem Waschen waren leider wieder ungefähr 30% der Beschichtung lose und nicht mehr zu gebrauchen. Es folge eine harte Woche auf der Werft mit meiner regulären Arbeit plus Schleifen dieser Stellen bis auf das Blech und Neuaufbau der Beschichtung.

Und so sah es vorher aus: Ein Biotop.

Dann kamen dort zwei bis drei Schichten hochwertiges Antifouling (International Micron 350) drauf, ebenfalls für erstaunlich viel Geld. Aber an der Oste ist der Bewuchsdruck mit Pocken derart hoch, dass am Antifouling nicht gespart werden sollte.

Propeller-Antifouling habe ich das erste Mal auch appliziert. Ob das hält und wirksam ist? Ich werde es nächstes Jahr sehen.

Propeller Antifouling von International

Ein teures Bootsjahr endet

Zusammengefasst schmerzte dieses Jahr finanziell doch sehr. Während der Hydraulik-Zylinder wirklich alt war und Elektronik irgendwann halt mal ausfällt, war der Bruch des EV-1 Sensor schon sehr ärgerlich. Selbstverschuldet, kann man sagen, aber warum sind diese Komponenten so gebaut, dass sie so eine Handhabung nicht überstehen?

Dann der Ausfall des Radars, einfach so, nach acht Jahren? Das geht eigentlich nicht. Ich bin mit Raymarine-Komponenten ja grundsätzlich zufrieden, aber dass sie verlässlich für Jahrzehnte halten, kann ich nicht sagen. Auch zwei MFDs musste ich vor zwei Jahren auswechseln, weil beide kritische Probleme mit dem Touchscreen entwickelten. Etwas mehr Robustheit wäre hier schon schön.

Der Bruch der Schiffsüberwachung war ärgerlich, aber eher Chance als Problem. Ich wurde dadurch motiviert, eine faszinierende Reise durch die aktuelle Hard- und Softwarewelt zum Bau eines solchen Monitoring-Systems zu unternehmen.

Doch all die schönen Momente in der einsamen Natur der Oste und während des Urlaubs zeigen dann ja doch immer wieder: All der Aufwand lohnt sich. Außerdem ist mein Boot ja mein zu Hause, und das darf gerne bestmöglich Instand sein.

Entschädigung für all den Aufwand: Naturidyll Neuhaus an der Oste.

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