„Wohin soll’s denn gehen?“ – „Zu den Faröern“

Auf das Erlebnis mit dem Irren im Kanal (vorherige Geschichte – hier lesen!) hätte ich einerseits auch verzichten können. Andererseits hat es aber den ersten Teil der Kanalfahrt interessant gemacht. Am nächsten Tag ging es dann von Rendsburg weiter, durch den Rest des Kanals.

Im Nord-Ostsee-Kanal

Im Grunde ist eine Passage des Nord-Ostsee-Kanals für eine Yacht einigermaßen spektakulär: Wo sonst kommt man den großen Dampfern so nahe?

So empfanden beispielsweise die Hamiltons von der MV Dirona (US-Amerikaner) die „Kiel Canal Experience“ als so bemerkenswert, dass sie sich drei Tage (!) Zeit dafür genommen haben. Sehr anschaulich und mit vielen Fotos beschrieben hier (englisch):

So fasziniert James und Jennifer vom Kiel Canal – der internationale Name für den Nord-Ostsee-Kanal – sind, so langweilig finde ich diese Fahrt. Zwei mal pro Jahr fahren wir hier durch, da ebbt das Erlebnis, der Berufsschifffahrt so nahe zu sein, deutlich ab und es überwiegt die Monotonie der Kanalfahrt. Zumal, wenn ich alleine unterwegs bin.

Das Hörspiel „Blackout“ von Marc Elsberg hat mich auf diesem Weg (und auch danach) bestens unterhalten. Tolle Story, exzellent produziert – das war jeden Cent seines Preises wert. Und trotzdem war die Fahrt nach Brunsbüttel lang. Dort hatte ich dann aber ein seltenes Glück: Die Schleuse stand offen, das weiße, unterbrochene Licht war an und so wurde die JULIUS direkt in „der alten Süd“ geschleust.

In der“alten Süd“ Brunsbüttel.

Wer den Kiel Canal befahren will, sollte die im Funk gebräuchlichen Bezeichnungen für die Schleusen kennen: „Neue Nord“, „Neue Süd“, „Alte Nord“ und „Alte Süd“. Die großen Schleusen sind „Neu“, und Nord und Süd ergibt sich aus einem Blick auf die Karte.

Wenn auf der Elbe bei Brunsbüttel frischer Wind gegen den Strom steht, kann es da einigermaßen ungemütlich werden. Heute war aber alles entspannt, und mein Bordhund und ich sind komfortabel nach Cuxhaven gekommen.

Yachthafen Cuxhaven

Ein Spaziergang mit Ole, etwas Essen und dann früh in die Koje. Die Nacht soll kurz werden. Die Tide schreibt mir vor, dass ich mit dem ersten Licht ablege. Nach: Helgoland.


Ablegen in Cuxhaven in der Nacht.

„Damn it. Ich Idiot!“

Es wird mir nachgesagt, dass ich ein eher ruhiger, besonnener Mensch bin. Manchmal allerdings kann ich schimpfen und mich ärgern wie ein Rohrspatz. Vor allem, wenn ich selbst irgend etwas Dummes gemacht habe.

„Fuck, das gibt es doch nicht.“

Es ist mitten in der Nacht, so gegen halb vier. Ich war gerade noch kurz mit Ole Gassi gehen, dann soll mich das ablaufende Wasser nach Helgoland spülen. Ich muss dringend bunkern, die 2 x 1.500 Liter Tanks der JULIUS sind so gut wie leer. Auf Helgoland darf legal steuerfreier Brennstoff getankt werden, der außerdem auch noch ohne Bio Zusatz ist: Ein entscheidender Vorteil bei so großen Tanks.

„Wieder anlegen? Erstmal los fahren? Was mache ich jetzt…?“

Es ist wenig Wind. Ich lege im Dunkeln ab, der Steg wird an seinem Ende durch eine Lichtsäule erhellt. Die Boxengasse ist nicht groß, ich möchte so tief in der Nacht möglichst wenig Lärm machen. Das laute Bugstrahlruder verwende ich grundsätzlich wenig, und den Booten am Steg achteraus möchte ich nicht zu nahe kommen.

Ich bewege das Boot also langsam rückwärts aus der Box, an der Steuerbordseite der Fingersteg mit dem hüfthohen Lichtmast. Der Bug der JULIUS ragt weit auf, was erheblich zu der besonderen und meinem Empfinden nach sehr schönen Form beiträgt.

Nun aber verdeckt der hohe Bug den Lichtmast am Ende des Fingerstegs. Bin ich schon so frei, dass ich das Boot wenden und dann aus der Boxengasse rausfahren kann?

Nein, bin ich leider nicht. Das merke ich aber erst, als es sanft rummst, und der Bug der JULIUS soweit herum ist, dass ich das Ende des Fingerstegs wieder sehen kann: Ich habe den Lichtmast bildschön gefällt. Flach liegt er auf dem Steg, aus seiner Verankerung gerissen. Er leuchtet aber immerhin noch.

Ich schimpfe kurz vor mich hin, kann es ja aber nun nicht ändern. Wieder anzulegen macht irgendwie keinen Sinn, vielleicht passiert dann noch etwas. Ich beschließe, das Manöver erst mal zu Ende zu fahren und los zu kommen. Dann habe ich Ruhe zu überlegen, wie ich mit dieser Situation umgehe.

Kurz vor Sonnenaufgang in der Elbmündung.

Nicht wenige Menschen würden das Problem für sich so lösen, dass sie einfach abhauen.

  • „Wer soll denn schon beweisen, dass ich den Lichtmast umgefahren habe?“
  • „Mich kennt da doch niemand, keiner weiß, wie er mich erreicht.“
  • „Sowas passiert bestimmt ständig, den Mast muss man sicher einfach wieder in die Halterung stecken und fertig.“
  • „Ist auch dumm gemacht, so einen Lichtmast am Ende des Stegs zu platzieren. Selbst schuld.“

Solcher Art Ausreden lassen sich beliebige finden, um sich aus der Verantwortung zu stehlen. Und ganz bestimmt käme ich damit ungeschoren davon.

Ich halte es für eine sehr unschöne Tatsache, dass zu viele Menschen immer Ausreden für eigene Dummheiten finden, immer sind irgendwie andere oder die Umstände schuld. Wie kann ich von meinen Kindern verlangen, dass sie die Verantwortung für ihre Fehler übernehmen, wenn ich das selbst nicht mache?

So schreibe ich an den Betreiber des Yachthafens:

„Moin,

Ich habe mich leider heute morgen im Dunkeln beim ablegen verschätzt und habe das Licht am Ende von Platz C43 umgelegt. […] Wenn es doch schlimmer ist und Kosten entstehen bitte ich um Nachricht.“

und füge meine Kontaktdaten hinzu. Das wird mich Geld kostet, aber ich habe das Teil ja nun umgefahren, also muss ich die Instandsetzung auch bezahlen. So einfach ist es.


Sonnenaufgang auf der Nordsee.

Die weitere Fahrt nach Helgoland genieße ich sehr. Die Nordsee ist freundlich zu mir, es ist kaum Welle. Der Horizont leuchtet einen intensiven Farbverlauf von Rot über Orange bis Gelb und kündigt einen wunderbaren Sonnenaufgang an. Es gibt nur wenige Orte, wo ein Sonnenauf- oder untergang so großartig aussieht wie auf der offenen See.

Ein Kunstwerk aus Licht, Farben und Kontrasten in den Himmel gemalt.

Tatsächlich ist dieser Sonnenaufgang einer der besonders Schönen. Die See ist fast glatt, das Farbenspiel des Himmels spiegelt sich in ihr. Ein paar scharf gezeichnete Wolken sorgen für spannende Kontraste, während sich die Sonne majestätisch und erstaunlich schnell über den Horizont erhebt.

Fest in Helgoland. Natürlich im Päckchen, aber an einer besonderen Yacht.

Am späten Morgen komme ich nach einer durchgehend ruhigen Passage auf Helgoland an und lege mich ins Päckchen an eine andere Stahlyacht: Einen großen Kutter, der offensichtlich äußerst seegängig ist und vermutlich so ziemlich überall hin kann.

„Schönes Schiff.“

Spreche ich den mutmaßlichen Eigner, einen freundlich aussehenden Mann in den besten Jahren, an. Im inneren wuselt seine Frau, beide treffen Vorbereitungen für eine nächste Fahrt.

„Danke, ihres aber auch.“

Ich lasse meinen Blick über verschiedene Details des Bootes schweifen: Robuste Stahlkonstruktion, große Speigatten, ein ernsthaftes Ankergeschirr, großzügig dimensioniertes Material. Ich habe mich mittlerweile genug mit der Seefahrt beschäftigt, um diese Details einordnen zu können.

„Das sieht wie ein Schiff aus, mit dem man fast überall hinkommt…“

Fange ich das Gespräch wieder an.

„Och ja, die eine oder andere Reise haben wir damit gemacht…“

Antwortet er, und zählt Orte wie die Karibik, USA, die Lofoten, auf, während er Strecktaue über das Boot spannt. Wir unterhalten uns ein wenig über schöne Ziele, Langfahrt, Ausrüstungsdetails. Kurz sehe ich auch seine Frau: Fit, freundliche Ausstrahlung, ebenfalls weiter mit Vorbereitungen beschäftigt.

„Und, wo soll es jetzt hingehen…?“

„Zu den Faröern.“

Kommt die Antwort, ein bisschen so, als wäre es, wie nach Bornholm zu fahren: Das Wetter muss passen, sonst aber unspektakulär. „Wenn die Zeit da ist, kann man schon schöne Sachen mit einem ordentlichen Schiff machen…“ denke ich und freue mich für diese netten Menschen, dass sie das Leben so genießen können.

Wir schnacken noch kurz weiter, dann möchten sie ablegen. Ich fahre eben bei Seite und sehe während ihres Ablegers den Namen des Bootes: Die HEIMKEHR aus Hamburg.

Die HEIMKEHR aus Hamburg legt ab.

Irgendetwas klopft ganz leise in meinem Kopf. „Heimkehr… Heimkehr… mmmh…. sagt mir das nicht etwas…?“ Eine kurze Suche im Netz ergibt: Das waren Bert und Marlene Frisch, auf deren Webseite www.heimkehr-hamburg.de ich irgendwann mal zufällig gestoßen war.

Das ist eine der Sachen, die ich an Helgoland mag: Hier kann man auf interessante Menschen treffen. Ich werde einen Tag auf dieser Insel bleiben, arbeiten und die ruhige, anregende Stimmung hier genießen. Dann steht ein Törn zu einer anderen Insel an.

Der Südhafen auf Helgoland bei Niedrigwasser…
…und bei Hochwasser.
Behördenschiffe sammeln sich für eine anstehende Übung: Hier ist immer interessantes Treiben, und trotzdem ist es ruhig und entspannt.

Diese Geschichte spielt am 15. Juni 2019.

3 Kommentare zu “„Wohin soll’s denn gehen?“ – „Zu den Faröern“

  1. Bert Frisch

    Moin,
    wir bedanken uns herzlich für die freundlichen Worte über Schiff und Besatzung in Helgoland. Wir sind inzwischen mit drei Wegpunkten auf den äußeren Hebriden, 1. Fair Isle, 2. Färöer, 3. St.Kilda. Nun wollen wir weiter zu den Isles of Scilly.
    Wir wünschen weiter gute Reise, und lesen mit Interesse besonders die technischen Beiträge.
    Fairwinds Marlene und Bert
    Heimkehr

  2. carl gerald selmer

    hallo hier die bluenote 2016/17 hat mich carl erworben
    und ist in Nl durch alle landes teile geschippert2018
    sollte es weiter gehen aber carl hatte einen untermieter
    einen Krebs . die chemotherapie könnte ihn überzeugen
    wieder aus carls körper auszuziehen so weit so gut
    nach 9 monaten führen wir übers isselmeer über
    lemmer bei grote brekken als ein kabelbrand
    bluenote ko schlug über den winter wurde bluenote
    wieder fit gemacht.
    leider hat das schiff eine reperatur nach der anderen gezogen soweit ich in sneek bei brandsma yard gesehen habe reparieren die alle nur habe ich handwerklich nicht so viel drauf also habe
    2-3 monate versucht einiges fix zu machen aber eine lady wie blue note lindenkotter 13.70 ist ein bisschen capricious heute wurde es den simrad ap 20 zu
    heiß und die elektronische ruder anzeige stellte in
    vor leuwarden den geistein kurz und gut pause gemacht
    2 termin anlauf mit geschlossenen dach warum müssen die gehäuse auch schwarz sein weiß wäre ja auch möglich
    also der traum lebt via deutsche kanäle nach
    lübeck zu kommen und vielleicht über die nordsee
    nach deiner beschreibung via no kanal helgoland
    delfzijl nach sneek unserem heimat hafen bis
    mitte september müsste es passen.
    lese immer mit spannung deine geschichte
    aber 20-30 see erfahrung lassen sich nicht in ein zwei
    saisonen aufholen.
    und elektronische Geräte sind auch nicht gerade mein hobby aber was noch ist kann ja noch werden

    vor einiger zeit hatten wir kontakt und ich habe mir erlaubt einige zeilen einzu werfen in das
    Ringelspiel von computer
    als ich mein berufsleben begann gabs fernschreiber

    blaupapier & schreibmaschine also bitte weiter schreiben lerne mit jeder zeile …

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