– Diese Geschichte spielt am 17. und 18. Juli 2018. –
„Vorsicht! Felsen direkt voraus!“
Steffi steht am Bug, um Leinen für das Anlegemanöver vorzubereiten. Wir sind nach der Bake Nummer 552 wie im Revierführer beschrieben in einen kurzen Seitenarm der Göta eingebogen, um zu der Festung von Kungälv zu kommen.
Auf der Navionics Karte ist hier ein betonntes Fahrwasser mit der typischen Farbe für „null bis drei Meter“ verzeichnet. Erst später stelle ich fest, dass die Tonnen gar nicht ausliegen – jetzt bin ich beschäftigt, mir die Situation am Steg voraus anzuschauen und den Anleger zu planen.
Nach einem wunderbaren Ruhetag auf Anholt waren wir zur schwedischen Küste und in die Schären gefahren: Dieses mal war es eine sehr ruhige und schöne Passage, bei allerbestem Wetter.
„Unfassbar schön.“
Vorher hatten wir kurz vor Anholts Südküste geankert, dort, wo die Strände nicht enden und durch hohen Dünen vom Hinterland abgegrenzt werden. Es ist einsam hier, nur die Familie von einem einige hundert Meter entfernt ankernden Segler war in der Ferne zu sehen. Sonst: Niemand. Nur wir.
„Ole, hol!“
ruft Lena und wirft die Frisbee, die der Hund so liebt, dass er von hier bis nach Schweden schwimmen würde um sie zu holen. Unser Kooiker springt ins Wasser, schwimmt, holt das Spielzeug und kommt wie ein Biber aussehend wieder aus der See. Er guckt meine Tochter an: „Noch mal, noch mal!“ rufen seine Augen.
Besser kann es auch in der Südsee nicht sein. Wir spazieren über den Strand, klettern auf die Dünen, bestaunen die Heidelandschaft im Hinterland, baden und liegen in der Sonne.
„Schade, dass wir hier nicht noch bleiben können.“
sage ich zu Steffi, die entspannt und ausgeruht neben mir liegt und den Kindern und dem Hund zuguckt. Wir ankern völlig ungeschützt vor der Küste, und am Abend soll etwas Wind aufkommen, dann wird der Platz unruhig.
Wir machten uns also auf den Weg und kamen sehr komfortabel, aber spät, in Schweden an. Der Anker fiel in einer Bucht bei der Schäre „Stensh“, wo ich vor zwei Jahren schon mal war.
Heute nun sind wir durch die Schären gefahren, an Göteborg vorbei und ein gutes Stück die Göta hoch. Bei Kungälv gibt es einen Liegeplatz, der das Tagesziel sein soll.
Das sichere Fahrwasser in der Göta ist durch dicht an dicht stehende Baken ausgezeichnet markiert, die Navigation dementsprechend einfach. Nach Kungälv führen zwei Abzweigungen: Beide sahen für mich gleichwertig aus, eine Untiefen-Markierung ist in der Karte nur abseits der geplanten Route verzeichnet.
Nach Steffis Warnung sehe ich eine kleines Stück Felsen auf elf Uhr in etwa zweihundert Meter. Das Fahrwasser, dessen Tonnen nicht da sind, fängt hier an und ist tatsächlich mehr an Steuerbord (also rechts von uns), eng an das Schilf gekuschelt.
„Nein nein nein nein…. lass das bitte nicht wahr sein…“
fluche ich laut. Es rummst, es schabt. Nie gehörte Geräusche dröhnen durch das ganze Schiff. Die Masse von über 25 Tonnen Stahl schiebt über harten Fels.
Instinktiv hatte ich Fahrt aus dem Schiff genommen und bin nach steuerbord ausgewichen, dort, wo der bezeichnete Weg in der Karte eingezeichnet ist.
„Alle rauskommen!“
ruft Steffi in den Innenraum, wo die Kinder sich gerade für den Anleger und anschließenden Landgang fertig machen.
Die JULIUS krängt zur einen Seite, dann zur anderen. Ein paar Mal, hin und her. Der Stahl schreit, wir stehen angespannt wartend auf dem Achterdeck, laufen von einer Seite zur anderen, um die Krängungen auszugleichen.
„Das muss das Boot abkönnen.“
sagt der Kaleu von U96 seinen Männern, während er testet, wie viel Tiefe sein Boot abkann und ähnlich quälende Laute wie jetzt bei uns zu hören sind. So möchte ich auch über meine JULIUS denken. Ich weiß: Der Rumpf ist massiv gebaut, mit einem durchgehenden Kiel, der aus massiven Metall gefertigt ist und die Antriebsanlage schützt. Diese Konstruktion war vor einigen Jahren einer der Gründe, warum ich mich für dieses Schiff entschieden hatte.
„Können wir umkippen…?“
fragt Lena. Sie ist erstaunlich ruhig, wie Leo und Steffi auch. Aber die Unsicherheit ob dieser möglicherweise kritischen Situation ist ihr natürlich anzusehen.
„Das halte ich für ausgeschlossen.“
antworte ich ruhig. Ich spreche lieber nicht über die Dinge, die theoretisch passieren könnten. Immerhin: Selbst wenn es tatsächlich ein Leck geben sollte, sitzen wir offensichtlich auf und können nicht sinken. Außerdem ist der Steg, an dem wir einen ruhigen Nachmittag verbringen wollten, wenige hundert Meter entfernt.
Das Boot ist mittlerweile zum Stillstand gekommen. Wir gucken uns an und atmen erstmal tief durch.
„Wo ist eigentlich Ole…?“
fragt Steffi.
Der arme Hund. Keiner hat sich um ihn gekümmert. Er sitzt in der tiefsten Ecke hinter der Bank auf dem Achterdeck, zittert und guckt uns mit fragendem Blick an. Ihm haben nicht nur die Bewegungen und Geräusche Angst gemacht, er wird auch unsere Anspannung gespürt haben. Lena geht zu ihm, nimmt ihn in den Arm und sie trösten sich gegenseitig.
„Leo, guck in die Bilge achtern und im Maschinenraum. Schau nach Wasser und höre genau, ob es irgendwo plätschert. Ich prüfe die Bilge mittschiffs und im Bug. Steffi, Lena, ihr bleibt hier draußen und wartet.“
Mein Sohn geht runter, schnappt sich die Taschenlampe die neben dem Maschinenraum hängt und macht sich an die Arbeit. Im Boot habe ich drei starke Taschenlampen verteilt, jederzeit griffbereit. Ich öffne die Bilge mittschiffs, die vollgepackt mit Lebensmitteln ist. An den Rumpf komme ich nicht ran, ich beschränke mich auf mein Gehör: Bei einem Leck würde Wasser mit Druck hineinströmen und entsprechende Geräusche machen. Aber: Es ist nichts zu hören. Und der Feuchtigkeitssensor, der unter den Lebensmitteln ist, bleibt auch ruhig. Die Bilge im Bug: Auch hier ist alles ruhig.
Leo steht im Salon:
„Keine Schäden erkennbar.“
Woher hat der Junge eigentlich diese Coolness? Er ist seit Jahren bei der Jugend-Feuerwehr. Bald ist er alt genug, um echte Einsätze zu fahren: Ich glaub, er wird ein guter Helfer werden. Ruhig, besonnen, gibt klare Ansagen und Rückmeldungen – genau so soll es sein.
Zurück auf dem Achterdeck tauschen wir uns aus:
„Wir scheinen keinen unmittelbaren Schaden zu haben. Kein Leck erkennbar, die Maschine läuft, Ruder und Propeller fühlen sich erstmal normal an. Momentan haben wir also eine stabile Situation.“
sage ich.
„Lass uns erstmal das Schlauchboot runterlassen.“
meint Steffi.
„Ja, das macht auf jeden Fall Sinn. Leo, mach das bitte mal. Und dann versuche ich, uns hier runterzubringen.“
Oh, wie ein Krimi…..hoffe, es ist alles gut gegangen
Zitat:
„Wir sind nach der Barke Nummer 552 wie im Revierführer beschrieben in einen kurzen Seitenarm der Göta eingebogen, um zu der Festung von Kungälv zu kommen.“
Zitat Ende
Wie deutlich erkennbar, seid ihr nicht an der Bake/Tonne 552 sondern an der Nummer 554 abgebogen, dort gibt es kein Fahrwasser, denn das liegt nödlich der Insel Sätuvan und ist auch ausgetonnt… btw „Barke“ ist eine Bezeichnung für ein Boot, das richtige Wort ist Bake
gut aufgepasst! Im nachhinein ist uns auch bewusst geworden, dass wir 554 für 552 gehalten haben, jedenfalls laut Karte. Wie es in echt ist können wir nicht mehr feststellen, wir haben „552“ als letzte Bake im Kopf.
Das „r“ in Bake ist natürlich quatsch, danke für den Hinweis, korrigiere ich gleich 🙂
Oh jeh, das ist ja so was von ärgerlich! Zum Glück weist du schon in der Überschrift darauf hin, dass es letztendlich doch nicht ganz so schlimm war. Bin gespannt! Natürlich habe ich auf meiner Navionics-Karte gleich nachvollzogen, was passiert ist. Auf der ist die Untiefe offenbar dort eingezeichnet, wo ihr aufgelaufen seid. Die Betonnung leitet tatsächlich eher im Norden bei der besagten 552 um das Sävtuvan-Gebiet herum. Auf dem Arm, den ihr gefahren seid, kommt man aber wohl auch durch – wenn man nicht gerade die beiden Untiefen ansteuert. Zumindest legt die Karte das nahe. Aber es sieht trotzdem riskant aus. Im Nachhinein und so… vorher ist aber Murphy leider häufig zur Stelle…
Ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht!
Übrigens sind auf meiner iPad Navionics-Karte (die Plotter-Karte prüfe ich später) keine Tonnen an der Stelle eingezeichnet. Das ist zwar nicht gut, scheint nach deinen Worten aber der Realität zu entsprechen.
Ja, ich hätte die Untiefe sehen können. Es ist mir Rätsel, wie ich das übersehen konnte… Details dazu kommen auch noch in den Fortsetzungen 🙂 Es war halt Tief (weiß) und ein kurzes blaues Stück. Beim nördlichen Weg ist auch ein blaues Stück und dann ist es weiß (auf der NV bzw. schwedischen Karte). Vermutlich hat mich das dazu verleitet, nicht genauer hinzugucken.
Der Weg, den wir genommen haben, ist aber tatsächlich völlig üblich. Wir haben diverse Sportboote gesehen, die völlig selbstverständlich dort gefahren sind – allerdings enger am Schilf.
Ein Segler allerdings ist exakt den gleichen Weg wie wir gefahren, ist aber halt nicht nach Steuerbord ausgewichen. Der hatte großes Glück. Er hatte eine NV Binnen Karte von 2016, da war es durchgehend tief, auch dort, wo wir aufgelaufen sind.
Und BTW ist der Weg, den wir genommen haben, offensichtlich völlig üblich – vor und nach uns sind diverse andere Sportboote genau da lang gefahren. Details dazu folgen in der Fortsetzung…
du laesst die Spannung aber ganzschoen steigen 🙂
Ich guck mehrfach am Tag, wie das wohl weitergegangen ist …
lg
wolfgang
Sorrry, ich arbeite wieder und hab weniger Zeit… Teil 2 ist inhaltlich fertig, vor morgen Abend bekomme ich ihn aber nicht online 🙂