„Das nächste Tonnenpaar hat die Kennung Flash 3 Sekunden, danach kommt ein Paar mit der Kennung Quick.“
Leo blickt konzentriert auf die Karte, sagt mir an, wie sich die nächsten Tonnen zu erkennen geben und schaut dann auf, um sie in der Dunkelheit vor uns zu suchen. Es ist Mittwoch, spätabends.
Nachdem wir zwei sehr schöne Tage in dieser für eine Millionenstadt ganz außergewöhnlich entspannten, ganz eigenen Kopenhagener Atmosphäre verbracht haben, sind wir noch um halb elf abends aufgebrochen. Eigentlich wollten wir nördlich um Seeland herum, aber für die nächsten paar Tage ist viel Wind angesagt und da wäre diese Route recht ungemütlich. Letzlich wären wir wohl irgendwo eingeweht worden, dazu hatten wir aber keine Lust.
Nach Süden, dort, wo das Wetter besser ist.
So fiel die Entscheidung: Wieder nach Süden, über die Køge Bucht zur Faxe Bucht, durch den Bogø Strom und Smalånds Fahrwasser in Richtung Fünen. Auch werden die nächsten Tage von starkem Wind geprägt sein. Nicht aber die kommende Nacht, bis zum morgigen Mittag bleibt es sehr ruhig.
„Die nächste Grüne ist auf ein Uhr. Aber was soll denn dieses ganz helle rote Licht auf zwölf Uhr?“
„Ok, die Grüne hab ich. Keine Ahnung, für eine einfache Tonne ist das zu hell. Steht da hinten ein Leuchtfeuer?“
In der idealen Welt hätte ich mir das Fahrwasser, das von Kopenhagen nach Süden führt, vor der Abfahrt genauer angeguckt: Welche Tonnen haben welche Kennung? Wo stehen Leuchtfeuer? Welche Sektoren mit welchen Farben haben die?
Tatsächlich mussten wir aber los, damit wir zumindest beim Verlassen des Hafens noch einen Hauch Licht haben. Grundsätzlich kenne ich die Strecke sehr gut, und einen Track vom Hinweg haben wir auch. Die gleiche Route zurück zu fahren sollte also auch bei Dunkelheit kein Problem sein.
Viele Lichter in der Dunkelheit
Dieses Fahrwasser ist in praktisch völliger Dunkelheit allerdings anspruchsvoll. Die Tonnen, die den Weg auf beiden Seiten markieren, sind befeuert und blinken jeweils mit einer individuellen Kennung. Das ist einfach. Viele andere Lichter wetteifern jedoch mit den für uns wichtigen Feuern um Aufmerksamkeit: Gefahrentonnen eines Windparks, Lichter an den Sockeln der Øresundbrücke, andere Fahrzeuge, ein Flughafen und dazu am Ufer die unzähligen Lichtpunkte einer Großstadt.
„Verdammt, wo ist die grüne Tonne denn jetzt? Die muss schon ganz nah sein! Leo, hast du sie noch im Blick?“
Es ist deutlich nach Mitternacht, Steffi achtet auf Positionslichter von anderen Fahrzeugen, mein Sohn sitzt immer noch neben mir und behält weiter die navigatorisch wichtigen Feuer im Blick. Ihm macht die Arbeit offensichtlich Spaß, und er hat das System der Befeuerung von Seezeichen schnell durchschaut.
„Sie ist gleich querab, ziemlich nah.“
Ich verlasse kurz den geschützten Außensteuerstand, so dass ich einen ungefilterten Blick nach draußen habe. Die große Fahrwassertonne zieht gerade geschätzt fünfzig Meter entfernt an uns vorbei, ihre Umrisse sind gerade eben so auszumachen. Nur ihr hilfsbereites Blinken verrät deutlich ihre Position.
Eigentlich wäre es viel einfacher gewesen
„Das helle rote Licht scheint tatsächlich ein Leuchtfeuer zu sein, das uns durch das Fahrwasser führt. Leo, schau mal auf der Karte.“
„Ja, stimmt, am Ende des Fahrwasser steht ein Leuchtturm und der rote Sektor führt direkt durch den Tonnenstrich.“
Wir hätten also einfach mal in der Karte etwas nach unten gucken müssen, haben uns stattdessen aber auf die Kennungen der naheliegenden Tonnen konzentriert. So war es aber eine gute Übung in Sachen Navigation bei Dunkelheit für meinen vierzehnjährigen Sohn. Und für meine Frau, auch bei einer weniger übersichtlichen Situation ruhig zu bleiben.
Zu früh, viel zu früh, um in Præstø einzulaufen
„Gute Nacht!“
Das Kopenhagener Seegebiet haben wir verlassen und stehen am nördlichen Ende der Køge Bucht. Nun kann der Autopilot einen geraden Kurs für viele Stunden halten, es gibt kaum weitere Seezeichen oder andere Fahrzeuge. In der Ferne ist schon das freundliche Leuchten des Feuers Stevens zu sehen.
Es gibt also nichts mehr zu tun. Lena und der Bordhund Ole schlafen schon längst, Steffi und Leo haben sich nun auch in die Kojen verabschiedet. Und ich? Kann nun endlich mal stundenlang völlig ungestört lesen. Herrlich.
Nach Præstø am Ende der Faxe Bucht führt ein enges, unbefeuertes Fahrwasser. Wir kommen um kurz nach fünf Uhr vor der Ansteuerungstonne an. Ein wunderschöner Sonnenaufgang spendet bisher nur wenig Licht, ich habe mein Buch durch gelesen, bin müde und habe kein Interesse, andere Segler mit einem fast noch nächtlichen Anlegemanöver aus dem Schlaf zu holen.
So werfen wir erstmal den Anker direkt vor der Küste, bis zum Mittag wird es hier ruhig sein. Ab in die Koje!
Diese Geschichte spielt am 2. und 3. August 2017.