„Es ist schon nach zwei Uhr… wir bekommen bestimmt keinen Platz mehr in Langelinie!“ kommt wie gewohnt der Kommentar von Steffi, wenn wir kurz vor Kopenhagen sind. Dieses Mal allerdings mit einem Augenzwinkern, denn wir haben in all den Jahren gelernt: Irgendwie klappt’s schon.
Es ist Dienstag, und wir sind am Freitag Spätnachmittag von Damp gestartet. In vier Tagen nach Kopenhagen! Alleine hab ich das schon in drei Tagen gemacht, aber mit Familie und Hund… erstaunlich, wie ein attraktives Ziel motivieren kann.
Start in Damp am Freitag, viertel vor sechs – Nachmittags
Ein paar Seefahrer-Gene sind wohl doch in meiner Familie über die Jahre zur Entfaltung gekommen: Wir waren schon am Donnerstag Abend beim Boot, Freitag Vormittag musste ich noch arbeiten (vom Bootsbüro aus), am Nachmittag sind wir bei meinen Eltern auf einem nahegelegenen Campingplatz.
„Wollen wir noch los…?“ fragt Steffi, als wir in geselliger Runde bei schönstem Sonnenschein neben dem Wohnwagen sitzen.
„Wenn wir eine ruhige Fahrt rüber nach Aerø haben wollen, dann wäre das wohl sinnvoll.“ antworte ich. Morgen wird deutlich mehr Wind mit entsprechend unruhiger See sein. Der Plan ist: Erstmal rüber Richtung Aerø, an Marstal und Rudkøbing vorbei und dann in der nächsten Bucht den Anker werfen.
Das bedeutet: Ein enges, betonntes, aber unbefeuertes Fahrwasser in Dunkelheit durchfahren, und nach Mitternacht in einer unbekannten Bucht ankern. Ein Blick in die Runde nach Erläuterung dieses Plans ergibt nur ein „dann ist das eben so“-Schulterzucken bei der Familie. Und Bordhund Ole ist es ohnehin wurscht, solange er sein Rudel bei sich hat.
So erleben wir eine entspannte abendliche Passage zur dänischen Inselwelt und lassen Marstal (Buchtipp: „Wir ertrunkenen“ von Carsten Jensen – Seefahrer-Leben als Marstal eine Metropole war [Link zu Amazon]) um viertel vor Zehn im Kielwasser.
Wie erwartet erreichen wir das Fahrwasser bei Rudkøbing, als es schon dunkel ist. Die Tonnen stehen sehr eng beieinander, so dass ein Tonnenpaar auf dem Radar teilweise als ein einzelnes Echo dargestellt wird. Mit den eigenen Augen sind die Seezeichen schlicht nicht sichtbar, auch wenn sie nur noch wenige Meter entfernt sind.
Die Lösung ist aber einfach: Die Tonnen reflektieren rot oder grün, wenn sie mit der Taschenlampe angestrahlt werden. Und so tasten wir uns durch das Fahrwasser: Steffi leuchtet den Weg, Leo behält die Karte im Auge, ich fahre, Lena darf unten im Salon mit dem Hund kuscheln.
Nach Verlassen des Fahrwassers ist Mitternacht durch und wir haben nur noch ein kleines Stück bis zur Ankerbucht. Die Welt ist pures Schwarz, nur hier und dort durchbrochen von einigen Lichtpunkten: Leuchtfeuer, Häuser am Ufer, Autos auf fernen Straßen. Wohin wir fahren, ist nicht zu sehen. Nur das Radar, Echolot und die elektronische Seekarte, die in diesen Gewässern glücklicherweise sehr präzise ist, geben uns Orientierung.
Irgendwo in diesem Schwarz vor uns ist das Ufer der Bucht. Die Landmasse zeichnet sich auf dem Radar deutlich ab, und das Echolot meldet langsam abnehmende Tiefe. Steuerbord sehen wir drei Ankerlichter von anderen Booten. Von ihnen halten wir uns gut frei, und bei vier Meter Wassertiefe fällt unser Anker. Tatsächlich sehen wir voraus ein etwas dunkleres Schwarz, das sich ganz leicht vom anderen Schwarz abhebt. Vermutlich ist dort das Land.
Uns ist es egal. Der Anker hält, laut Karte liegen wir gut, und wie es hier aussieht, werden wir morgen früh sehen. Nach dieser interessanten Fahrt fallen wir erstmal in die Koje.
Der Samstag bringt den ankündigten frischen Wind
„Aha, so sieht es hier also aus. Hübsch“ denke ich, nachdem Ole mich wie üblich gegen sieben geweckt und zur ersten Streicheleinheit in den Salon gebeten hat.
Der nun kräftige Wind erzeugt selbst in dieser kleinen Bucht Wellen und Schaumkronen. Das Übersetzen mit dem Beiboot zum Ufer wird nass und schaukelig, aber Bordhund Ole muss ja mal Auslauf haben. Heute wäre die Passage von Damp nach Aerø deutlich ungemütlicher geworden – das haben wir also richtig gemacht.
Der starke Südwind erzeugt auf dem großen Belt über 1,5m Welle, die kurz, steil und unbequem ist. Darauf hat keiner Lust, und so verholen wir uns nur ein Stück weiter nördlich in den Hafen von Lohals (auf Langeland).
Lohals kennen wir noch nicht. Wir treffen am späten Mittag ein, erkundigen die Umgebung und finden: Ein netter Ort!
Sonntag: Durch Smålands Fahrwasser weiter Richtung Kopenhagen
Über Nacht bis zum (sehr) frühen sonntäglichen Morgen beruhigt sich der Wind und die Welle im großen Belt. Den Begriff „ausschlafen“ habe ich ja ohnehin schon aus meinem Wortschatz entfernt, und so klingelt der Wecker um 04:30. Steffi und ich stehen auf, gehen kurz mit dem Hund und legen mit dem ersten Licht ab.
Um nicht den ganzen Hafen (und unsere Kinder) zu wecken verzichte ich beim Ableger auf den Einsatz des Bugstrahlruders (das ist erstens bei uns in der Bugkajüte und zweitens durch das Wasser in allen anderen Booten brutal laut zu hören), dafür muss ich aber einige Male deutlich Schub mit der Hauptmaschine geben. Wen auch immer ich damit geweckt habe, der hat sich hoffentlich gleich wieder umgedreht und weitergeschlafen.
Tatsächlich steht im Belt nur noch eine alte Dünung, die relativ komfortabel ist. Als wir auf Höhe von Omø sind hat der Wind bereits wieder gut zugelegt. „Kein Problem“ hab ich gedacht, „Smålands Fahrwasser ist ziemlich geschützt, was kann da schon für Seegang entstehen?“.
Falsch gedacht, Skipper!
Die See baut sich immer mehr auf, und schnell sind wir wieder bei 1,5m Welle und mehr, der wir gegenan laufen. Die JULUS stampft ordentlich, es spritzt bis zum Außensteuerstand, die Geschwindigkeit fällt auf unter sechs Knoten.
Wo eben noch gute Stimmung an Bord war („hat sich gelohnt, dass wir so früh losgefahren sind!“), wird nun Superpep (hilft bei uns allen sehr gut gegen Seekrankheit und macht nur wenig Müde, Link zu Amazon) verteilt. Der Bordhund hat sich mit eingezogener Rute in eine Ecke verkrochen und ich hocke alleine am Steuer.
„Das ist doch doof.“ denke ich und grübel über eine Lösung. Der Wind kommt aus südlicher Richtung, und so liegt die Maßnahme auf der Hand: Kursänderung in Richtung südlicher Küste, dann um die Insel Vejrø herum und an Femø vorbei weiter in Richtung Vordingborg. Das ist ein kleiner Umweg, aber dafür kommen wir unter Landschutz und die Stampferei hat ein Ende.
Das funktioniert genau wie erwartet, der Rest der Fahrt wird ruhig und schön. Abgesehen davon, dass der Fäkalientank nicht abgepumpt werden kann: Da ist irgendwo was verstopft, und darum muss ich mich kümmern. Leo und Steffi übernehmen die Wache, während ich mich dieser bedingt angenehmen Arbeit widme.
Nach knappen acht Stunden Fahrt fällt gegen halb zwei Uhr vor Tjaerø der Anker. Nun sind wir unserem ersten Wunschziel Kopenhagen schon erheblich näher gekommen!
Zufallsfund am Montag: Die Idylle von Nyord
Zuerst führt uns die weitere Fahrt nach Stege (auf Møn). Der Ort ist durchaus ganz hübsch, der Liegeplatz im alten Handelshafen gefällt uns aber überhaupt nicht: Direkt an einer dicht befahrenen Straße gelegen ist es sehr laut und so gar nicht, was ich mir unter einem Urlaubsliegeplatz vorstelle.
Netto und Super Brugsen sind in unmittelbarer Nähe. Wir bunkern also nur kurz Lebensmittel und entschließen uns dann, irgendwo in der Nähe zu ankern. Als ich vor zwei Jahren die JULIUS einhand nach Schweden gebracht habe, habe ich auch hier in der Stege Bugt geankert. Der damalige Ankerplatz ist aber nicht für das Mit-dem-Beiboot-Gassi-fahren geeignet: Ein anlanden am Ufer ist nirgends möglich.
Uns fällt aber eine kleine Insel mit einem winzigen Hafen auf: Nyord. Zum anlegen scheint uns der Hafen zu klein, so werfen wir davor den Anker. Nachdem wir mit dem Beiboot übergesetzt haben erkennen wir: Mit etwas Engagement hätten wir durchaus in das Hafenbecken gepasst. Vor allem aber: Was für eine Idylle!
Und dann treffen wir auch noch zwei weitere Kooikerhondje aus Hamburg! Beides Geschwister und 7 Monate alt. Ein witziger Zufall. Der Rüde „Fiete“ sieht unserem Ole sehr ähnlich, und seine Schwester „Elsa“ ist auch eine ganz Hübsche.
Die Hunde spielen, wir klönen sehr nett mit den Besitzern, bestaunen danach den sowas von hyggeligen Ort, gehen baden und beschließen den herrlichen Sommertag mit einem Grillfest an Bord.
Am Dienstag weiter zum ersten großen Ziel: Kopenhagen
Eine ferne Erinnerung an das Konzept „ausschlafen“ wabert noch ab- und zu in meinem Kopf. Unsere Kinder könnten mir das sicher noch mal näher erklären. Für Steffi und mich jedenfalls heißt es auch heute: Anker auf sobald es halbwegs hell ist.
Das Wetter ist ruhig, das nutzen wir für die Querung der großen Buchten auf dem restlichen Weg nach Kopenhagen: Faxe Bugt und Køge Bugt. Außerdem müssen wir früh da sein, damit wir noch einen Platz im Langelinie Hafen bekommen. (Ja, ich weiß, Christianshavn hat eine super Stimmung und wird oft bevorzugt. Mit meinem Dampfer, der nur schwierig rückwärts zu steuern ist, scheint mir ein langer, enger, schlauchartiger Hafen ohne Wendemöglichkeit jedoch keine gute Wahl zu sein.)
Durch den Bogø Strom kommen wir ohne Hindernisse (die flachste Stelle im Fahrwasser messe ich mit 2,1m) und die weitere Fahrt verläuft entspannt. Schon um 12:10 Uhr haben wir völlig problemlos in Langelinie einen Platz bekommen und noch genug Zeit, heute noch etwas von Kopenhagen, dieser wunderschönen und so gar nicht hektischen Großstadt zu sehen.
Diese Geschichte spielt vom 29. Juli bis 2. August 2017.
Hallo Julian. Danke für Deinen ersten Fahrbericht. Dank der tollen Bilder und Deiner so lebendigen Schilderung werden bei mir viele Erinnerungen an dieses wunderschöne Fahrtrevier wach. Ich wünsche Dir und der ganzen Familie weiter gute Fahrt und viel Spaß. Annemarie
Freut mich, wenn schöne Erinnerungen wach werden!
Ahoi Ostseesegler,
Ich möchte auch mal wieder das Dänische Gemütliche.
Bin z.Zt. noch in Schwedens Schärenmeer von Stockholm und habe die Ostsserunde gemacht.
Rundostsee-havet.de
Gruß Guido