Abwettern des Sturms und zweimal Wiedersehen: In Hönö Klåva

Wellen brechen sich auf den Schären. Im Sturm auf Hönö Klåva.
Wellen brechen sich auf den Schären. Im Sturm auf Hönö Klåva.

Die JULIUS tanzt: Leider keinen Walzer mit sanften, gleichmäßigen Bewegungen. Vielmehr wild an den Festmachern zerrend, wie zu stampfenden Techno-Rhythmen. Mitten im eigentlich geschützten Hafen. Der Sturm heult, draußen kann man sich fast gegen die Luft lehnen, ohne umzufallen.

Nachdem wir in Gullholmen noch einen sehr schönen Sommerabend mit unseren neu gewonnenen Seglerfreunde Barbara und Peter verlebt haben, sind wir am nächsten Tag bei zunehmend trüben Wetter weiter in Richtung Süden gefahren. Der Plan war, vor den angesagten drei Sturmtagen eine möglichst gute Ausgangsposition für den Sprung über das Kattegat zur dänischen Ostküste zu erreichen.

Erstaunlicherweise gab die Windvorhersage nämlich tatsächlich zarte Hoffnung, dass nach dem Sturm ein kleines, ein ganz kleines Wetterfenster mit wenig Wind kommen könnte. Wir haben noch ein wichtiges Ziel in diesem Urlaub, und das liegt in der Nähe eines Hafens an eben jener dänischen Ostküste, mit über 100 Meilen offener See davor. 100 Meilen, das sind ungefähr 15 Stunden Fahrzeit. Beim Strom und Starkwind gegenan können daraus aber auch schnell 20 Stunden oder mehr werden.

Anholt liegt in der Mitte dieser Strecke. Eine wie uns schon oft berichtet wurde sehr, sehr schöne Insel, die wir in diesem Urlaub unbedingt besuchen wollten. Die Zeit werden wir aber nicht mehr haben, der Wind sperrt uns zu lange in die Schären ein.

Nun sind wir aber erstmal in Richtung Süden unterwegs mit dem Ziel Hönö Klåva. Dort waren wir schon am Anfang unserer Reise, und dort haben wir den netten Michael Rassmussen mit seiner Hündin Clara und den beiden faszinierenden Booten CRUM und MIRA kennengelernt. Eigentlich wollten wir nach Donsö, aber ein Blick auf die Karte ergab, dass unser nächstes Ziel auf der anderen Seite des Kattegats genau so weit von Hönö entfernt ist. Jetzt liegt Hönö aber ein paar Meilen näher, und wo kann man besser drei Tage abwettern als mit einem netten Nachbarn, der gute Geschichten zu erzählen weiß?

Also sind wir unterwegs, durch Regen und immer weiter zunehmenden Wind, nach Hönö Klåva.

In trüben Wetter durch die Schären.
In trüben Wetter durch die Schären.

Bei Michael hatte ich uns schon angekündigt und gefragt, ob wir noch mal bei der CRUM längsseits gehen dürfen. Die Fahrt verlief ereignislos, nur am Nachmittag machte sich der heraufziehende Sturm schon deutlich bemerkbar. Der Wind wehte kontinuierlich mit sechs und in Böen sieben Windstärken aus Südwest, also von See kommend in Richtung Küste.

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Auf obiger Karte ist vor dem Hafen von Hönö Klåva ein Stück relativ offenes Wasser zu sehen, wo Wellen aus Südwest ungehindert von der offenen See aus hereinlaufen können. Eine interessante Viertelstunde mussten wir dort bei über zwei Meter Welle fahren, bis wir in die Zufahrt nach Hönö Klåva einfahren konnten.

„Der Hafen ist bestimmt voll von Booten, die hier abwettern wollen. Gut, dass wir bei der CRUM einen Platz sicher haben.“

sage ich noch, als wir in den Hafen fuhren. Doch erstaunlicherweise hatten wir freie Platzwahl: Vor der MIRA und der CRUM lag ein anderes großes Schiff (eine Selene mit über 60 Fuß, auch recht beeindruckend…) und sonst war es leer am Kai. Selbst im Yachthafen an den Heckbojen wäre noch viel Platz gewesen.

„Willkommen zurück! Gegen sieben gibt es Essen bei mir! Pasta, basta!“

empfängt Michael uns, als wir am Kai längsseits gehen und er unsere Leinen annimmt. War das eine Einladung zum Essen?

„Wow, das ist ja nett, danke! Woher wusstest du denn, wann wir kommen…?“

frage ich zurück.

„Ich habe deine Mail bekommen und geschätzt, wann ihr ungefähr hier seid. Anscheinend habe ich richtig gelegen…“

antwortet Michael mit einem zufriedenen Lächeln. Auf meine Rückfrage „Was können wir mitbringen?“ malt er nur einen Smiley in sein Gesicht und geht zurück zu seiner MIRA.

Am Kai in Hönö Klåva. Noch ist es ruhig im Hafen.
Am Kai in Hönö Klåva. Noch ist es ruhig im Hafen.

Wir richten uns ein, freuen uns, dass wir heute nicht noch kochen müssen, und wandern mit unserem Hondje zu den Schären. Der Wind pfeift schon ordentlich, und wir sind gespannt, was da in den nächsten Tagen noch kommt.

Um sieben stehen wir dann vor Michaels MIRA, mit dem gewünschten Lächeln im Gesicht und einer guten Flasche Rotwein.

Die MIRA, auf der Michael und seine Hündin Clara leben.
Die MIRA, auf der Michael und seine Hündin Clara leben.

Im Salon der MIRA brennt der Holzofen, die Pasta köchelt auf dem Herd, der Tisch ist schön gedeckt – wir fühlen uns willkommen. Michael, danke noch mal dafür!

Es wird ein sehr schöner und geselliger Abend, bei dem wir auch noch mal die MIRA in näheren Augenschein nehmen dürfen. Sie ist ein ganz anderes Schiff als die CRUM, aber nicht weniger interessant. Irgendwann nach Zehn Uhr verabschieden wir uns und gehen in fröhlicher Stimmung zu unserer JULIUS zurück. Ab morgen wird der Tanz losgehen.

Ich bin erneut beeindruckt von Michael. Was muss man alles für Fertigkeiten und Kenntnisse haben, um Schiffe wie die CRUM und die MIRA zu entwerfen und – zumindest teilweise – auszubauen?


Am nächsten Morgen ist er da, der Sturm. Die Sonne lacht, aber der Wind ist heftig und stürmt weiter aus südwestlicher Richtung von der See aus heran. Das ist genau die Richtung, in der auch die Einfahrt zum Hafen liegt. Eigentlich liegen vor dem Hafen eine Reihe von Schären, aber der Seegang draußen ist stark genug, um abgeschwächt bis zur Hafeneinfahrt und somit auch in den Vorhafen – wo wir liegen – zu kommen.

Das war so nicht geplant.

Vielmehr sollte der Wind weiter nach Westen drehen, dann wären wir hier besser geschützt gewesen. Nun aber tanzt die JULIUS. Das Schiff ist gut abgefendert, passieren kann nichts. Und die Crew nimmt es erstaunlich gelassen. „Da sind wohl doch ein paar Seebeine gewachsen…“ denke ich und freue mich darüber.

Wie verbringen den Tag mit Spaziergängen und Shopping. Ein weiterer Grund, der für Hönö Klåva sprach, sind die diversen Klamotten- und Schnickschnackläden, die für den weiblichen Teil der Crew gute Beschäftigungsmöglichkeiten bieten.

Die Schnauze im Wind. Dahinter: die JULIUS, eine 60 Fuß Selene, die CRUM und die MIRA.
Die Schnauze im Wind. Dahinter: die JULIUS, eine 60 Fuß Selene, die CRUM und die MIRA.
Es weht. Und weht. Und hört nicht mehr auf.
Es weht. Und weht. Und hört nicht mehr auf.

„Papa, ich halte das nicht mehr aus!“

Am Mittag des zweiten Sturmtages sitzt Leo auf dem Niedergang und sieht zermürbt aus. Der Wind hat nicht gedreht, weht weiter aus Südwest, mit unverminderter Stärke, die JULIUS tanzt weiterhin zum Technobeat der kurzen, mittlerweile mit kleinen Schaumkrönchen verzierten Wellen im Hafen.

„Können wir uns nicht verholen? Ich habe gesehen, im Innenhafen an den Bojen herrscht kein Geschaukel, und da ist noch viel Platz.“

Es stimmt: Im Yachthafen weiter drinnen ist es völlig ruhig. Dort würde es nicht schaukeln, das wäre schon angenehmer. Aber: die Plätze dort sind zu kurz für uns, und der Raum zum manövrieren sehr begrenzt. Bei ruhigem Wetter wäre das alles kein Problem, aber bei diesem Winddruck treibt auch ein 25 Tonnen Dampfer wie die JULIUS schnell ab.

Leo und ich diskutieren, ich teile meine Bedenken. Dann gehe ich von Bord und schaue mir die Situation im Yachthafen noch mal an. Und gehe weiter zu einem anderen Becken, wo wir auch längsseits am Kai liegen könnten. Auf dem Weg zurück zum Schiff durchdenke ich die Möglichkeiten, spiele Manöver im Kopf durch.

„Mein Junge, ich habe mir die Situation angeschaut und alles durchdacht. Mir ist bewusst, dass es hier ungemütlich ist, die Schaukelei nervt mich auch. Im zweiten Becken ist es voll. Im Yachthafen ist es sehr eng. Das ist mir zu heiß, bei diesem Wind werde ich kein Manöver riskieren.“

sage ich zu Leo, als ich wieder an Bord im Salon sitze: Der Skipper hat entschieden. Ich sehe zunehmende Verzweiflung in seinem Gesicht, das ändert aber an der Situation nichts. Frustriert schnappt Leo sich ein Comic, geht an Land, setzt sich dort auf eine Bank und liest.

Am Nachmittag sind alle Spaziergänge gegangen, alle Shoppingangebote erschöpft, alle Mittagsschläfchen verschlafen. Und nun?

„Hey Leo, das Licht ist gut, die Wellen brechen sich auf den Schären eindrucksvoll, ich will los und gucken, ob ich coole Aufnahmen machen kann. Willst du mit?“

versuche ich meinen Sohn aufzumuntern. Er hat den halben Tag auf der Bank an Land verbracht und sich seinem Schicksal gefügt. Die Aussicht, dem Sturm auch irgendetwas Gutes abzugewinnen, bringt dann doch wieder ein Lächeln auf sein Gesicht und er sagt „ja, gute Idee!“.

Ich ziehe meine Schwerwetterkleidung an mit dem Vorsatz, dass diese jetzt mal richtig nass wird, packe die GoPro Kamera ein und wir gehen das kurze Stück bis zu den Felsen. Leo kann sich hier tatsächlich gegen den Wind lehnen, zumindest ein Stück weit. Wir klettern auf die Schären, immer näher zur See, die beeindruckend heranrollt, sich an den Felsen bricht und Wasserfontänen in die Höhe schickt.

Ich finde ein paar gute Positionen, wo ich sicher stehen kann, aber trotzdem nahe genug dran bin um Fotos und Videos zu machen – und den Vorsatz, die Kleidung auf Dichtigkeit zu testen, einlösen kann. Mein Sohn bleibt etwas höher und damit trockener.

Aufgewühlte See rollt an die Schären.
Aufgewühlte See rollt an die Schären.

Trotz der vielen kleinen vorgelagerten Inseln ist die See hier aufgewühlt.
Trotz der vielen kleinen vorgelagerten Inseln ist die See hier aufgewühlt.

„Irgendetwas ist anders…“ denke ich am Morgen des dritten Sturmtages, nachdem ich aufgewacht bin. Einige Minuten später und mit zunehmender Wachheit realisiere ich, dass die JULIUS viel ruhiger liegt. Und tatsächlich: der Wind hat nun weiter nach West gedreht und etwas abgenommen.

Die Sonne scheint auch heute Morgen, aber kalt ist es. 13° Außentemperatur zeigt meine Wetterstation, morgens im herbstlichen August.

13° Außentemperatur. Morgens im August.
13° Außentemperatur. Morgens im August.

„Aber lieber kalt als Wind“ denke ich und mache Kaffee.

Mein Smartphone brummt: Eine Nachricht von der ORA BLU:

„Seid ihr noch in Hönö? Wir wollen weiter und könnten heute zu euch kommen“

schreibt Peter. Ja, heute fahren wir bestimmt noch nicht los, es bläst immer noch mit sechs Windstärken,  erst morgen am Mittag soll der Wind ernsthaft nachlassen.

„Ja, kommt, hier ist Platz, wir freuen uns! Bringt Hunger mit.“

tippe ich meine Antwort. Das ist ja ganz wunderbar, wir hatten Michael ohnehin für heute Abend zum Essen eingeladen, und Barbara und Peter bekommen wir auch noch untergebracht.

Das nun erheblich ruhiger liegende Schiff hebt die allgemeine Stimmung an Bord und wir verbringen den Tag entspannt mit lesen, spazieren und – Bus fahren. Einmal mit dem Bus über die Insel, mit einer kurzen Wanderung zwischendurch.

Das Buch fand Ole eher anknabber- denn lesenswert.
Das Buch fand Ole eher anknabber- denn lesenswert.
Die See ist viel ruhiger. Aber es ist kalt, und der Skipper am dritten Hafentag leicht genervt.
Die See ist viel ruhiger. Aber es ist kalt, und der Skipper am dritten Hafentag leicht genervt.

Am Abend läuft dann wie angekündigt die ORA BLU ein. Sie mussten ein gutes Stück außen herum auf offener See fahren, aber die Beiden sind gute Segler und mittlerweile hat sich der Sturm zum ja fast schon gewohnten Starkwind abgeschwächt.

Die ORA BLU ist da. Und ein paar andere Boote sind heute auch noch dazugekommen.
Die ORA BLU ist da. Und ein paar andere Boote sind heute auch noch dazugekommen.

Michael von der MIRA, Barbara und Peter von der ORA BLU und wir verbringen einen sehr netten Abend bei gutem Essen und gutem Wein. Peter ist an Michael und seinen Schiffen genauso interessiert wie wir, und so kommt es noch zu einer spätabendlichen Führung durch die CRUM für ihn – und für Steffi, die dieses bemerkenswerte Schiff ja auch noch nicht kennt. Und natürlich gucke ich auch gerne noch mal.

Der Skipper auf der Flybridge der CRUM.
Der Skipper auf der Flybridge der CRUM.

Peter ist durch und durch Segler. Aber: die CRUM fasziniert auch ihn. Er schwärmt und träumt davon, was für Unternehmungen mit so einem Schiff unternommen werden könnten. Nur was hilft es, wenn man die CRUM hätte – dann müssten auch ein paar Jahre Zeit zur Verfügung stehen.

„Wenn man jung ist, hat man Zeit und Gesundheit, aber kein Geld. Wenn man älter ist, hat man Geld und Gesundheit, aber keine Zeit. Wenn man alt ist, hat man Zeit und vielleicht Geld, aber keine Gesundheit.“

fasst Michael philosophisch das Dilemma zusammen. Dem ist schwerlich etwas hinzuzufügen.


Dieser Eintrag spielt am 7., 8. und 9.  August 2016.

Ein Kommentar zu “Abwettern des Sturms und zweimal Wiedersehen: In Hönö Klåva

  1. Thomas

    Tolle Erfahrung, gut und ehrlich erzählt. Ja, so gehts den MOBO-Fahrern auch mal. So eine Situation hatten wir im Golf de Lion etwa ähnlich erlebt. Gehört das doch auch zum Rüstzeug eines guten Skippes und Schiff. Bin gespannt wie es auch weiter ergeht. Die übliche Handbreit unter dem Kiel, und wie wir sagen, einen Finger tief guten Wein im Glas dazu!

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