Zusammentreffen mit der Familie und eine interessante Begegnung auf Hönö

Mein erster Ankerplatz in den Schären vor Göteborg
Mein erster Ankerplatz in den Schären vor Göteborg

Steffi und die Kinder hatten sich am Freitag in Kiel mit der Stena Line in Richtung Göteborg eingeschifft und sollten am Samstag um 09:15 Uhr ankommen. Da es von meinem Ankerplatz, an dem ich Freitag angekommen war, noch 13 Seemeilen bis Göteborg waren bedeutete das: Früh aufstehen.

Also klingelte am Samstag um 05:15 Uhr der Wecker. Ich war noch müde und hatte überhaupt keine Lust, aufzustehen. Aber zu spät nach Göteborg zu kommen war ja auch keine Option, also dachte ich „Disziplin bitte, Skipper!“ und stand auf.

Etwas neidisch guckte ich allerdings doch auf Ole, den der Wecker nicht interessiert hat und ganz entspannt weiter schlief. Hund müsste man sein. Manchmal jedenfalls.

Ich hatte schon am Freitag gesehen, dass der Grund am Ankerplatz – den ich im obigen Foto mal mit der Drohne fotografiert habe – stark bewachsen ist und hatte daher etwas Zeit für das Ankermanöver eingeplant. Und als ich kurz nach halb sechs den Anker oben hatte, wusste ich, dass ich richtig lag:

Ein kleines Unterwasserwäldchen hing am Anker. Bis ich das ganze Grünzeug mit dem Bootshaken abgepult hatte war es sechs Uhr und ich konnte endlich Fahrt aufnehmen.

Es war bedeckt, windig und noch ganz schön kalt, als ich eben vor Acht in den Göteborg Fjord (oder Sund?) einlief. Wo ich anlegen wollte, wusste ich noch nicht. Möglichst nahe bei dem Stena Terminal, damit ich die Familie zu Fuß oder mit dem Dinghy abholen konnte.

Einfahrt nach Göteborg bei trübem Wetter.
Einfahrt nach Göteborg bei trübem Wetter.

In den Yachthafen in der Stadt wollte ich nur ungern: Er ist weit vom Stena Anleger entfernt und dort wird mit einer Mooringleine angelegt (eine feste Leine, die auf Grund liegt und hochgeholt wird, um das Heck fest zu machen). Wie ich das alleine machen sollte, wusste ich noch nicht. Also mal schauen, ob sich nicht eine bessere, einfachere Möglichkeit ergibt.

Als ich kurz vor dem Stena Terminal war und nach Backbord blickte, sah ich einen offensichtlich recht neuen, kleinen Hafen. Da lagen ein paar Yachten und dort war ein Steg, an dem ich bequem längsseits festmachen konnte.

Ein kleiner Hafen in einem Neubaugebiet. Für ein paar Stunden wird es gehen.
Ein kleiner Hafen in einem Neubaugebiet. Für ein paar Stunden wird es gehen.

War das ein Gästeplatz? Dürften Gäste überhaupt in diesem Hafen festmachen? Das wusste ich nicht, und für die paar Stunden hat es mich auch nicht wirklich interessiert.

Der Platz war genau gegenüber des Anlegers, eine Stena Express Fähre lag da schon. Also habe ich das Dinghy klar gemacht und hatte dann sogar noch Zeit für einen Kaffee.

Die Stena Line ist direkt gegenüber - perfekt!
Die Stena Line ist direkt gegenüber – perfekt!
Der Skipper hat noch Zeit, Kaffee zu trinken und Selfies zu machen.
Der Skipper hat noch Zeit, Kaffee zu trinken und Selfies zu machen.

Etwas seltsam war nur, dass auch um kurz nach Neun noch kein Stena Line Schiff aus Kiel zu sehen war. Eine Verspätung wäre bei diesen Schiffen sehr ungewöhnlich. Also, was stimmt denn hier nicht?

Nach dem Kaffee war es 09:10 Uhr und ich bin einfach mal mit Ole im Schlauchboot los gefahren. Von der Stena aus Kiel war allerdings immer noch nichts zu sehen.

Auf dem Weg zum Stena Terminal - aber wo bleibt die Fähre aus Kiel?
Auf dem Weg zum Stena Terminal – aber wo bleibt die Fähre aus Kiel?

„Sind da, steigen jetzt aus. Akku alle. Leos Telefon ok“.

Diese Nachricht brachte dann mein iPhone zum vibrieren, also wir schon unterwegs waren. „Sind da“…? Das ist ja fein, aber wo denn?

Steffis iPhone ist ein fast schon antiquarisches Modell und der Akku entsprechend schwach. Nun war er wohl leer, und somit konnte ich sie nicht anrufen. Schlau wie mein Sohn ist, hat er aber sein Telefon am Mann, mit geladenem Akku. So rufe ich ihn an, während Ole und ich im Dinghy langsam das Fahrwasser queren.

Es klingelt. Und klingelt, Ich warte. Es klingelt immer noch. Und ich warte weiter. Bis ich aufgebe. Hört der Herr Sohn sein Telefon nicht?

Neuer Versuch: Es klingelt, und klingelt… und klingelt – ohne Erfolg. Kein Leo. Seufz.

Fassen wir zusammen: Die Familie ist angekommen, aber ich weiß nicht wo. Ole und ich tuckern im Schlauchboot zu einem leeren Stena Terminal. Steffis Telefon ist tot, Leo hört sein Telefon offensichtlich nicht, also ist keine Kommunikation möglich. Das ist… doof.

Während ich nachdenke, schaue ich mich um. Und sehe: hinter einigen Häusern in westlicher Richtung (d.h. weiter weg von der Innenstadt) ragt etwas auf, was wie die Brücke von einem Stena Line Schiff aussieht. Na sowas. Da scheint es noch ein zweites Stena Terminal zu geben!

Gibt es eigentlich eine Geschwindigkeitsbegrenzung in diesem Bereich? Ich lasse es drauf ankommen, drehe auf, lasse das kleine Zodiac Schlauchboot von den zwanzig Pferden beschleunigen und flitze zu diesem weiteren Stena Anleger. Ein Schiff der Port Security kommt auf mich zu, ich denke noch „jetzt haltet mich bitte nicht an, die Verzögerung kann ich nicht gebrauchen..“ und sie ignorieren mich auch tatsächlich.

Am Stena Kai angekommen liegt dort tatsächlich die Fähre aus Kiel. So weit, so gut. Aber wo kann ich nun anlegen? Wo ist meine Familie? Ein neuer Versuch, meinen Sohn anzurufen, schlägt erwartungsgemäß erneut fehl. Das wäre ja auch zu einfach.

Am Kai hängen Leitern. Da könnte ich kurz festmachen, hochklettern und die Lage checken. So ein Hafengelände ist ja mittlerweile grundsätzlich ein Sicherheitsbereich, wo man nicht einfach herumspazieren darf. Andererseits: an den Leitern steht davon nichts. Also ran da.

Ich klettere mit Ole die Leiter hoch und laufe zwischen geparkten LKWs auf dem Gelände herum. 100 Meter neben mir liegt das Stena Schiff, und 200 Meter vor mir sehe ich eine Fußgängerbrücke. Ein paar Arbeiter stehen vor dem geöffneten Autodeck, beachten mich aber nicht.

Trotzdem denke ich „das gibt ganz ganz ganz bestimmt Mecker, dass ich hier so herumspaziere…“, gehe aber trotzdem weiter zur Fußgängerbrücke. Vorbei an einem Auto mit der Aufschrift „Security“, in dem ein äußerst gelangweilter Mann sitzt und mich etwas verwundert anschaut: „Ein Typ in kurzer Hose und T-Shirt, mit einem Hund, der eine gelbe Schwimmweste trägt, latscht einfach auf dem Gelände herum…?“ – so ähnlich wird der Wachmann wohl gedacht haben.

Gemacht hat er aber: nichts. Ich gehe weiter, und sehe tatsächlich wie Steffi und die Kinder gerade über die Brücke gehen. Lena entdeckt mich und winkt mir!

Die Familie 20 Meter über mir, rufen wir uns zu:

„Ich kann hier nicht bleiben und komme nicht zu Euch, ihr müsste irgendwo ans Ufer gehen. Leo geht nicht an sein Telefon!“ rufe ich.

Leo greift in seine Hosentasche, zückt sein Telefon und antwortet:

„Oh, das hatte ich auf Stumm gestellt!“

Seufz. Super, dass er sein Telefon dabei, geladen und angeschaltet hatte. Aber wenn es nicht klingelt, nützt es ja nichts. Ein paar Rufe tauschen wir noch aus, ich schicke die Familie in Richtung Innenstadt in der Hoffnung, dass der Sicherheitsbereich dort irgendwann endet und ich sie dann aufpicken kann. Anschließend gehe ich zügig wieder zum Kai, wo das Schlauchboot liegt.

Wieder vorbei an dem Security-Auto, in dem der Wachmann weiterhin gelangweilt sitzt und keine Notiz von mir zu nehmen scheint. An einigen geparkten LKWs vorbei gehen Ole und ich zum Rand des Kais, und gerade als ich die Leiter herunterklettern will, werde ich angesprochen:

„Excuse me…? This is a security area!“

Zwei Männer stehen auf einmal vor mir. Einer sieht aus wie ein Vorarbeiter, ein anderer trägt das typische Security-Outfit. Sie sind höflich, aber durchaus ernsthaft. Verdammt. Kann sowas teuer werden? Kann das Zeit kosten?

„I’m sorry, I just wanted to pick up my family who just arrived with the Stena. I noticed that I cannot get to them here and I’m just about to leave…“

antworte ich freundlich und stelle mich etwas dumm.

Stirnrunzeln bei den Herren. Der Security Typ spricht in sein Headset, der Vorarbeiter schaut mich durch die Sonnenbrille an. Dann den Hund. Dann das Schlauchboot, das sich friedlich an der Leiter angebunden in kleinen Wellen wiegt. Der Vorarbeiter spricht auf schwedisch mit Mr. Security.

„I will try to get them somewhere over there“

sage ich einfach in die Pause und zeige in Richtung Innenstadt. Der Vorarbeiter entspannt sich etwas, zeigt sowas wie ein Lächeln und antwortet:

„No, that’s not a good idea. Take the other direction, it’s much shorter for your family.“

Das klingt doch gut. Die Security sagt dazu nichts und schaut mich nur weiter an. Er macht aber keine Anstalten, mich aufzuhalten als ich „Great, thank you very much!“ sage, Ole auf den Arm nehme und die Leiter runter zum Schlauchboot enter.

Dann bin ich unten, im Boot, lasse Ole herunter, mache den Motor an, löse die Leinen und fahre los, ohne noch mal hochzuschauen. Sollte ich wirklich davonkommen, ohne weiteren Ärger zu bekommen…?

Schnell fahre ich an dem geparkten Stena Schiff vorbei in die Richtung, die mir der Vorarbeiter empfohlen hat. Und tatsächlich, kurz nach dem Stena Kai gibt es einen kleinen Museumshafen, der frei zugänglich ist. Sehr gut!

Ein kleiner, frei zugänglicher Hafen. Hier kann ich endlich die Familie aufnehmen.
Ein kleiner, frei zugänglicher Hafen. Hier kann ich endlich die Familie aufnehmen.

Ich rufe Leo an und in der Tat hört er sein Telefon nun und geht ran. Ich sage ihm, wo wir uns treffen und tuckere zu dem Museumshafen.

Ich glaube, ich hatte ziemliches Glück. In der heutigen Zeit hätte ich auch gut einen Großeinsatz auslösen können, denke ich im Nachhinein. Meine einzige Ausrede wäre gewesen, dass das Gelände von der Wasserseite aus nicht als Sicherheitsbereich zu erkennen war. Die Jungs dort hatten mich bestimmt von Anfang an auf dem Schirm und haben mich wohl auch nicht zuletzt des Hundes wegen als komischen, aber harmlosen Typen eingestuft.

Im Museumshafen habe ich Steffi und die Kinder dann endlich getroffen, wir konnten zurück zur JULIUS fahren und haben dabei quasi noch eine Stadtrundfahrt mit dem Schlauchboot gemacht, denn bis zu unserem Boot war es schon ein kleines Stück.

Auf jeden Fall wollten wir noch raus aus Göteborg, und Hönö war ein naheliegendes Ziel:

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Mittlerweile hatten sich die Wolken verzogen, die Sonne lachte – nur der Wind wehte immer noch kräftig. Das Stück bis Hönö aber war geschützt, da war kein Seegang zu erwarten.

Leo hat seinen Fauxpax mit dem Telefon durch einen perfekt gefahrenen Ableger wett gemacht und so sind wir entspannt aus Göteborg gefahren.

Fahrt durch Göteborg in Richtung See.
Fahrt durch Göteborg in Richtung See.
Da ist sie, die Stena Line aus Kiel.
Da ist sie, die Stena Line aus Kiel.

Der Törn nach Hönö war windig, aber unspektakulär. Hönö ist ein beliebtes Ziel für Tagesgäste, die alle mit dem Boot kommen. Dementsprechend dachte ich schon, dass es nicht ganz einfach wird, dort einen Platz zu finden.

„Heh, Hallo, hier könnt ihr gerne anlegen!“

hören wir jemanden rufen, als wir in Hönö eingelaufen sind und uns suchend umschauen. Der Ruf kam von einem sehr seefest aussehenden Boot mit der Aufschrift „SAR“ (Search And Rescue). Ein Seenotretter also. Und da sollen wir festmachen?

Unter den Buchstaben „SAR“ steht allerdings „private“, und auf Nachfrage unsererseits bestätigt der nette Herr in bestem Deutsch, dass wir bei ihm längsseits gehen können. Bei anderen Plätzen direkt am Kai ist sehr viel Publikumsverkehr, und bei dem SAR Dampfer ist es ruhig – also warum nicht?

Längsseits an einem Rettungskreuzer.
Längsseits an einem Rettungskreuzer.

Der Mann, der uns zum festmachen eingeladen hat, war schon etwas älter und wie sich herausstellte der Besitzer von dem Boot. Michael Rasmussen heißt der Gute, und wir sind schnell ins Gespräch gekommen.

Sein Kreuzer wurde tatsächlich auch für SAR Aufgaben eingesetzt, ist aber momentan außer Dienst. Dieses sehr ungewöhnliche Boot gehört ihm privat, genauso wie das dahinterliegende Schiff „Mira“, das wie ein Forschungsdampfer für das Polarmeer aussieht. Beide Schiffe gehören ihm nicht nur, sie wurden auch von ihm entworfen. Michael scheint ein interessanter Mensch zu sein und kann völlig unaufdringlich, aber spannend erzählen.

Der Samstag war fast zu Ende, und wir beließen es erstmal dabei. Ich hoffte aber, morgen weiter mit Michael schnacken zu können.

Und – so viel sei vorweg genommen – diese Hoffnung bestätigte sich. Die Begegnung mit Michael war sehr spannend und lehrreich, und seine beiden Boote äußerst bemerkenswert. Auf seinem „SAR Kreuzer“ namens CRUM haben ich eine detaillierte Führung bekommen, wo ich viele Fotos gemacht habe und von der ich hier in einem eigenen Artikel berichteDie CRUM zeigt, was möglich ist wenn man ein Boot für den härtesten Einsatz bauen will.

Unser Tag endete mit Auslauf für Ole auf einer Schäre gegenüber von unserem Liegeplatz.

Mit dem Schlauchboot zur Schäre übergesetzt, wo Ole herumtoben konnte.
Mit dem Schlauchboot zur Schäre übergesetzt, wo Ole herumtoben konnte.
Gegenüber ist die rote MIRA und davor die CRUM mit der JULIUS zu sehen.
Gegenüber ist die rote MIRA und davor die CRUM mit der JULIUS zu sehen.

Dieser Eintrag spielt am 30.7.2016.

9 Kommentare zu “Zusammentreffen mit der Familie und eine interessante Begegnung auf Hönö

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