Wie jeden Tag so begrüßte uns auch der Dienstag mit viel Wind. Und heute hatte er auch noch mal deutlich zugelegt, 6 – 7 Windstärken waren angesagt. Und weiterhin war nicht abzusehen, ob und wenn ja wann der Wind jemals wieder aufhört.
Aber: wir sind in den Schären und der weitere Weg nach Norden ist zu großen Teilen geschützt. Nur auf relativ kurzen Teilstrecken konnte die aufgewühlte See ungehindert in das Schärenfahrwasser gelangen, was für des Skippers Crew eine gute Gelegenheit ist, wieder Seebeine zu bekommen.
Nach der üblichen Prozedur mit unserem Frühaufsteherhondje Ole (Klogang gegen 0430, wachsein ab 0630, dann wieder schlafen ab 0700) und dem üblichen späten aufstehen der restlichen Crew haben wir von unserem Felsen abgelegt und haben wieder Kurs auf das Fahrwasser genommen.
In der Ferne waren schon brechende Wellen zu sehen: Vor uns lag das erste ungeschützte Teilstück der Strecke. Das bot eine Gelegenheit, ein paar gute Videoaufnahmen von der JULIUS im Schärenfahrwasser mit teilweise durchaus spürbarem Seegang zu machen:
Einige Segler waren bei dem Wind mit nicht viel mehr als einem Handtuch unterwegs – und waren trotzdem flott:
Aber die Sonne schien, und im fast geschlossenen Außenfahrstand waren wir mit kurzer Hose und T-Shirt angemessen bekleidet. Wie im Video zu sehen ist die Strecke abwechslungsreich: Sehr geschützte Bereich wechseln sich mit Ortsdurchfahrten und größeren, offeneren Bereichen ab.
Smögen war unser Ziel für heute:
Und so liefen wir in Erwartung eines netten, schönen, belebten schwedischen Örtchens in den Schlauch von Smögen ein. Der „Hafen“ dieses Ortes zieht sich wie ein Trichter weit hinein, auf der Satelliten-Karte ist das ganz gut zu sehen:
„Ohauerhauerha, das sieht aber mal wirklich schlecht aus.“
Sprach der Skipper schon, als wir noch am Anfang dieses Trichters waren. Bisher haben wir noch immer und überall einen Platz gefunden, aber das hier sah wirklich schlecht aus. Fünfer und Sechserpäckchen wo man hinsah, und sonst nur „Anlegen verboten“ Schilder. Dazu einige stylische Millionärs-Motoryachten und Jetskis, die überall herumrasten.
Mit Päckchen haben wir überhaupt kein Problem, aber wenn da schon fünf eher leichte Kunststoff-Boote liegen, können wir uns unmöglich mit unseren 25 Tonnen Stahl an das Ende des Päckchens packen. Wenn dann mal ordentlich Wind kommt, reißt unsere JULIUS Klampen bei den Seglern ab.
„Wir fahren noch ein Stück weiter nach hinten, mal schauen, wie es da aussieht.“
entschied ich und langsam, ganz langsam ging es tiefer in den Trichter. Hier im Ort war es geschützt und kaum Wind, daher war das manövrieren einfach.
Aber einige Meter weiter war klar: Es ist sinnlos.
Weiter hinten lagen nur noch kleinere Boote und der Platz für Manöver wurde immer begrenzter, ständig drängelten sich andere Boote an uns vorbei: Ein schwedischer Segler, der uns mit AK Fahrt im Zentimeterabstand überholte, um sich noch einen Platz zu sichern. Dinghys auf Sightseeing-Tour durch Smögen. Jetskis auf Prolltour. Es fing an, nervig zu werden.
„Das hat keinen Zweck, ich fahre ein Stück rückwärts, drehe und dann nichts wie weg hier!“
Doch leichter gesagt als getan. Mit der JULIUS rückwärts zu fahren ist nicht einfach, der enorm große Propeller sorgt für einen ausgeprägten Radeffekt. Sprich: bei Rückwärtsfahrt dreht das Heck immer sehr schnell nach Backbord und erfordert eine Kurskorrektur mit kurzem Vorwärtsschub oder dem Bugstrahlruder.
Mit unserem 25 Tonnen Verdrängung beherzige ich grundsätzlich die drei goldenen Regeln für gelungen Manöver der M/S Kinette:
- langsam
- langsam
- langsam
Leider nur hat das die uns umgebene Meute nicht interessiert: Selbst als ich zum Wendemanöver im relativ engen Schlauch von Smögen angesetzt habe, drängelten sich ständig irgendwelche Boote in kürzestem Abstand vor und hinter uns durch. Nun bin ich ein eher ruhiger und höflicher Mensch und lasse andere ihren Weg gehen. Diese ganzen ungeduldigen Menschen aber fingen echt an, mein Manöver zu stören.
Das Horn auf der JULIUS kommt sehr selten zum Einsatz. Denn: es ist mit Druckluft betrieben und richtig, RICHTIG, RICHTIG laut. Hier war nun aber eine wirklich passende Gelegenheit. Beherzt drückte in den Knopf „Horn“ und lies ihn für lange fünf Sekunden gedrückt.
Das hat die erhoffte Wirkung gezeigt. Wir waren nun zwar Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des ganzen Hafens, aber dafür fielen die ganzen Drängler in Schockstarre, blieben, wo sie waren und ich konnte in alle Ruhe mein Manöver beenden und langsam aus dem Trichter zurück in die Freiheit dampfen.
Als Alternative lockte Kungsham, direkt neben Smögen. Auch dort war es voll, aber an einem großen Motorsegler konnten wir längsseits gehen und hatten einen guten, ruhigen Platz.
Kungsham war klar die bessere Wahl. Ein Supermarkt direkt am Hafen, Strom und Wasser direkt am Steg und alles viel entspannter. Wir sind dann später mit dem Dinghy kurz nach Smögen gefahren und haben eine sehr belebte Touristen-Hochburg erlebt:
Ein leckeres Eis haben wir in Smögen allerdings bekommen, und Steffi und Lena konnten in einem Outlet etwas shoppen, ansonsten sind wir zügig wieder zurück nach Kungsham gefahren und haben dort den restlichen Tag und Abend genossen.
Dieser Eintrag spielt am 2.8.2016.
Schönes Video. Ich vermute ohne Stabilisatoren?
teilweise mit, teilweise ohne. Die Stabis verhindern ja nicht vollkommen das Schaukeln, sie dämpfen allerdings erheblich die Stärke der Bewegungen.