Die Elektrik des Grauens!
…ist leider viel zu oft zu finden. Bootseigner tüdeln an ihrer Elektrik einfach irgendwie herum. Ziehen mal hier eine Strippe, bauen mal dort ein Gerät ein – ohne sich vorher zu informieren, wie so etwas handwerklich korrekt gemacht wird.
Das Problem dabei: Erstmal funktioniert ja alles. 12V Gleichstrom ist simpel und lädt zum Pfuschen ein. Betrachte das aber nun mal auf die längere Sicht:
- Ein Kabel scheuert durch, der Anschluss ist durch Unwissen nicht abgesichert, es gibt einen Kurschluss und mit Glück schmilzt nur der Leiter. Mit Pech fackelt das Boot ab.
- Irgendetwas funktioniert nicht – wer findet sich in so einem Chaos zurecht, um den Fehler eingrenzen und finden zu können?
- Korrosion durch salzhaltige Luft erzeugt bei schlechten Verbindungen einen zu großen Übergangswiderstand, dort wird es heiß und schmort vor sich hin.
- Ein Fachmann soll ein neues Gerät einbauen und braucht fünfmal so lange, weil er sich erstmal durch die wirre Installation wühlen muss.
und so kann die Liste fortgesetzt werden. Es ist mir völlig unverständlich, warum so viele Skipper großen Wert auf so viele andere Themen beim Boot legen, die Elektrik wird aber regelmäßig völlig vernachlässigt.
„Puh, nee, mit Elektrik kenn ich mich nicht aus, das ist mir zu kompliiziert…“
„Ja ok, d.h. du lässt alles vom Fachmann machen…?“
„Nein, auf keinen Fall, das ist ja viel zu teuer.“
Ich habe schon zu viele grauenhafte Installationen gesehen, die Folge genau dieser Einstellung sind. So gut wie jedes ältere Boot hat eine Elektrik, die eigentlich gesprengt und neu gebaut gehört. Bei meiner JULIUS war die Elektrik einigermaßen sauber, aber in vielen Details alles andere als perfekt. Gepfuscht wurde dort auch, und selbst nach vier Jahren finde ich immer noch mal wieder Dinge, die nicht fachmännisch sind und nicht nur in der Theorie Probleme erzeugen:
„Julian, guck mal, der Kühlschrank ist ganz warm. Der geht gar nicht mehr.“
das war irgendwann letztes Jahr. Tatsächlich schien der Strom im Schiff da zu sein, der Kühlschrank sprang aber nicht mehr an, die Lampe im Kühlraum funktionierte aber. Ursache: Die Spannung im ganzen Schiff war dramatisch abgesunken. Aber nicht, weil die Batterien leer waren. Sondern weil der zentrale Masse-Sammelpunkt aus einer missbrauchten Batterieklemme bestand, auf die unzählige Kabel irgendwie draufgeschraubt waren. An Übergängen hatte sich Korrosion gebildet, daher floss der Strom nicht mehr wie er sollte und die Spannung sackte ab. Mit einer sauberen Installation passiert so etwas einfach nicht.
Mein Punkt ist:
Mach es ordentlich, gleich beim ersten Mal, nur dann hast du Ruhe und kannst dich auf deine Elektrik verlassen.
Neu aufgelegt: „Elektrik auf Yachten“ von Michael Herrmann
Ich werde jetzt Werbung für die Neuauflage von „Elektrik auf Yachten“ von Michael Herrmann machen: Nicht, weil ich dafür bezahlt werde (das ist nicht der Fall, denn – glaube es oder nicht – ich bin kein böser, käuflicher Influencer, sonder schreibe rein als Hobby!). Sondern weil ich Michael erstens sehr mag und sein Einzelkämpfer-Unternehmen yachtinside.de sehr gerne unterstütze.
Vor allem aber: Weil es so so so wichtig ist, dass jeder, der auf seinem Boot an der Elektrik rumfummelt, zumindest elementare Grundlagen kennt und versteht.
Auch wenn du bisher keine Ahnung von grundlegenden elektrotechnischen Zusammenhängen hast: Es ist nicht schwer. Es reicht, wenn du dich dafür einfach mal ernsthaft interessierst und das erste Kapitel von dem Buch durcharbeitest. Dazu dann noch das letzte Kapitel über handwerkliche Grundlagen, dann hast du schon sehr, sehr viel gewonnen.
Der erste Bonus sind dann die Abschnitte über Fehlermöglichkeiten und systematische Fehlersuche. Auch auf deinem Boot wird es Elektrik-Probleme geben (außer, du hast keine…). Und dann kannst du ahnungslos im Nebel stochern, oder planvoll und zielorientiert vorgehen.
Alleine diese Inhalte sind das Geld für dieses Buch wert. Dazu gibt es fachlich korrekte, handfeste Informationen zu eigentlich allem, was auf dem Boot zählt, wie z.B.:
- Batterien (die vermutmaßten Stegdiskussion können damit auf eine informierte Ebene gehoben werden).
- Stromerzeugung durch Solar, Generator etc.
- Stromversorgung durch Inverter, Landstrom, Lichtmaschine.
Auch wenn du nicht vorhast, all solche Dinge selbst zu installieren – aber was für einen Unterschied macht es, wenn du grundsätzlich verstehst, was ein Fachmann dir da eigentlich vorschlägt! Und wenn du dann auch noch einigermaßen beurteilen kannst, ob der Typ eigentlich Ahnung hat und ordentliche Arbeit macht!
Wer auf dem Folkeboot mit einer Petroleumlampe und einer Handfunke unterwegs ist, der braucht „Elektrik auf Yachten“ nicht. Aber je mehr Elektrik auf deiner Yacht vorhanden ist, je mehr du selbst daran baust oder durch andere bauen lässt, desto mehr solltest du wissen, worum es geht. Und dann ist „Elektrik auf Yachten“ schlicht das Buch der Wahl (und wer es schon hat: Es gibt einen günstigen Upgrade-Preis).
Und um es noch mal deutlich zu machen: Ja, ich lobe den Michael Herrmann hier in den Himmel. Trotzdem bin ich kein böser Influencer, jedes Wort hier entspricht meiner ehrlichen, persönlichen Meinung. Und es macht mich traurig, dass ich so einen Disclaimer überhaupt schreiben muss, weil sonst irgendwelche Trolle über mich herziehen.
Hi Julian,..ich bin dabei,..habe seine Bücher „Marinisierung“ und „Elektrik“ gekauft – es folgt noch „Technik“.
Gr Friedel
Hi Julian, das kann man ja fast nicht glauben das auf einem Boot was meine Sicherheit auf See bedeutet tatsächlich so viel “ gebastelt “ wird. Grundahnung schadet nie… Ob ich es dann selbst hinbekomme ist eine andere Sache. Aber ich kann dem Fachmann halbwegs folgen !
Grüße
Detlef/Karlsruhe
Von zehn Booten die älter als sagen wir mal 15 Jahre sind hast du meiner Erfahrung nach zwei mit einer katastrophalen Elektrik, vier mit „bringt mich nicht sofort um, muss aber neu gemacht werden“, zwei mit „ok, geht einigermaßen“ und zwei mit sauberer Elektrik. Es wird tatsächlich häufig erschreckend wenig Wert darauf gelegt. Vermutlich auch, weil Elektrik den Ruf hat, sehr kompliziert zu sein. Die Basics sind aber einfach, wenn man sich mal dafür interessiert.
Hallo, oft wird vergessen, dass das Kabelwirrwarr standardmäßig bei Auslieferung der neuen Yacht vor, sagen wir, 30 Jahren üblich war. Gelötet, geschraubt,Farbenmix, PVC,… alles dabei, skandinavischer Qualitätsbau in großer Serie! Bitte nicht _alles_ auf die dummen Eigner schieben.
Hallo Julian,
sehr interessante Empfehlung, werde ich gleich mal ordern. Schade das es scheinbar nur als Pdf vorliegt. Ich habe gerade bei solchen Werken lieber etwas in der Hand.
Tatsächlich ging es mir ähnlich. Ich habe 2017 ein ca. 40 Jahre altes Boot in Holland gekauft. Äußerlich in exzellentem Zustand traten die ersten elektrischen Probleme bereits bei der Überführung auf. Die Vorbesitzer, ein älteres Ehepaar haben alles super selbst gepflegt und die technischen Ein- und Umbauten immer in Auftrag gegeben.
Dabei passierte dann regelmäßig genau das was ich auch oft beobachte. Entweder erklären die Fachleute – das sieht hier alles katastrophal aus, ich kann nur eine direkte Verbindung zur Batterie legen oder die andere Sorte Fachmann schneidet irgendein Kabel auf, setzt eine Lüsterklemme dahinter eine fliegende Sicherung irgendwo im Boot und die Welt ist schön. Alte Kabel bleiben liegen bzw. werden kurzerhand abgeschnitten. An 3 Stellen waren eine Art Kleinverteiler und die wenig vorhandenen Aufzeichnungen waren vollständig unbrauchbar. 1,5er Kabel umrundeten teilweise das ganze Boot und dienten zudem als Zuleitung für weitere Verteilungen.
Ich habe den gesamten Winter aufgewendet und komplett alles was nicht vollverkleidet war erneuert und mit ca. 50/60 Einzelkreisen und einem Seatalk ng Netz ausgestattet. Ich werde wohl noch etliche weitere Stunden für die Verschönerung und Dokumentation aufwenden. Fertig wird man glaube ich sowieso nie.
Bei vielen Arbeiten greife ich gern auf deine sorgfältig recherchierten Beiträge zurück. Teilweise erspare ich mir nahezu vollständig eigene Netzsuchen und baue einfach 1:1 nach (wie z.B. beim Internet an Bord). Nicht weil ich es nicht selbst könnte, aber meine Zeit verwende ich dann lieber effektiver woanders.
noch ein Wort:
Bitte rechtfertige doch nicht deine Arbeit. Die Trolle schaltest du doch damit eh nicht ab. Jeden der sich in den Kommentaren als Selbstdarsteller outet oder asoziales Diskussionsverhalten anbringt triffst du doch wirksam mit Ignorieren.
Grüße aus Berlin
Bernd
Hallo Bernd, vielen Dank für deinen Bericht aus dem Leben und die netten und aufbauenden Worte! Viel Spaß mit „Elektrik auf Yachten“ (von der du übrigens auch eine Druckvorlage über Michael beziehen und es bei einer Druckerei, die er dir auch empfehlen kann, drucken lassen kannst).
Ich lerne auch immer und immer wieder etwas neues aus seinem Buch. Gerade vor ein paar Tagen erst hatte ich eine Verbindung mit Quetschverbindern (Kabelschuh und Stecker) gemacht, die gelben mit 6mm2 Kabel. Abends lese ich noch mal was in Elektrik auf Yachten und dort steht, dass die Kabelschuh/Stecker Kombination nur für max. 20A zugelassen sind, perspektivisch können aber bis zu 40A über mein Kabel laufen. Also habe ich das am nächsten Tag noch mal durch Quetschverbinder ersetzt… kostete mich noch mal eine Stunde Arbeit, aber lieber ordentlich machen als später noch mal ran müssen!
Hallo Julian, das habe ich bei der Bestellung dann auch festgestellt und gleich die notwendige Order bzw. den Druckauftrag ausgelöst. Wusste ich bisher auch nicht, das es so eine komfortable Möglichkeit zu einem fairen Preis überhaupt gibt. Steckverbinder habe ich übrigens gar nicht mehr eingesetzt und alles mit entsprechend dimensionierten Aderendhülsen – teilweise hydraulisch gepresst – versehen und geschraubt. Gerade bei den Gelben waren mir die mechanischen Kräfte auf den Stecker wegen der starken Adern suspekt. Aber mal sehen, vielleicht ist meine Ausführung nach Herrmann ja trotzdem nicht ideal.
Hi Julian,
Ich kann Deine Beschreibung dessen, was auf vielen älteren Schiffen in Sachen Elektrik verbaut ist, nur bestätigen, und das auch aus eigener schmerzlicher Erfahrung. Als wir unser Boot 2014 aus 1. Hand gebraucht kauften, hatten wir als Bootskaufneulinge sogar einen offiziell bestallten Gutachter an Bord. Und nicht mal der hat uns auf die katastrophale E-Installation aufmerksam gemacht. Bezüglich Elektrik oute ich mich als echten Laien, nur das optisch sichtbare Chaos an Kabellage unter dem Steuerstand hat mich von Anfang an an frühere Märklin-Eisenbahnanlagen im Umfeld erinnert, frei nach dem Motto, nur das Genie beherrscht das Chaos. Das Ergebnis war, dass wir auf Überführungstörn in der früh um 5 Uhr das Schiff wegen Rauch räumen und die Feuerwehr rufen mußten. Die rückten dann mit schwerem Atemschutz an und wir hatten noch Glück im Unglück. Es war „nur“ ein Schwelbrand in genau jener Kabellage in genau jenem Kabelsalat unter dem Steuerstand. Und wir hatten ein grosses Glück, dass der Schwelbrand ganz knapp nicht in einen offenen Brand überging. Wir waren dann für eine knappe Woche nicht fahrtüchtig, bis wir einen Schiffselektriker fanden, der das soweit repariert hat, dass wir überhaupt wieder fahren konnten. Man kommt in so einer Situation ja auch mit anderen Bootsleuten ins Gespräch, einer berichtete, dass er sein Schiff schon mal komplett neu aufbauen mußte, ebenfalls durch Ausbrennen verursacht durch Kabelbrand. Und ich erinnere mich an eine Statistik, die ich von Pantenius mal gesehen habe. Deutlich mehr Schiffe brennen aufgrund von Fehlern in der Elektrik ab, als aufgrund von Problemen mit der Gasanlage. Das sollte echt zum Nachdenken bringen.
Die Radikallösung war bei uns, dass wir in einer Werft, die das super professionell gemacht hat, die komplette Elektrik mit allen Kabeln entfernen ließen und das komplett neu aufgebaut haben. Jetzt hat das Hand und Fuß, wir haben auch einen Schaltplan, jedes Kabel ist nummeriert, falls mal was sein sollte. Aber ich bin überzeugt, damit haben wir keinen Ärger mehr … Dass das ein irrer Kostenfaktor war, keine Frage. Aber wenn Du einmal das Boot geräumt hast und die Feuerwehr da war, kennst Du die essentiellen Prioritäten von Sicherheit an Bord.
Herzliche Grüße – Christian
Krasse Geschichte, danke fürs teilen!
Hallo Julian,
ich lese mit Begeisterung deine Berichte und ich kann Dein Entsetzen sehr gut verstehen.
In erster Linie wird der Strom (Stromstärke) komplett außer Acht gelassen entweder wegen nicht Wissen oder dem Passt schon. Der Kabeldurchmesser wird nicht beachtet und anstelle mit Kabelschuh wird halt die Litze so eingeschraubt und dann am besten noch so das sich die Hälfte der Kupferadern wegbiegt, so das der Kabelquerschnitt nicht mehr passt. Nur hat man dieses Problem leider überall, wenn man sich mal die Verkabelung in Betrieben anschaut entsteht vielerorts das gleiche Grauen, es werden neue Kabel gezogen (teilweise auf Eigenregie) alte abgeklemmt und liegen gelassen, Elektriker finden Verdrahtungen im Unterverteiler zu der es keine Beschriftung gibt u. s. w.. In meinem Golf II ist damals der Kabelbaum an einem Steckverbinder zu heiß geworden, weil an der Verdrahtung gebastelt wurde, den Geruch hab ich heute noch in der Nase.
Von daher, Dein Appell an die Gemeinschaft ist gerechtfertigt und sollte wirklich ernst genommen werden. Meinen Golf konnte ich rechts ran fahren, auf dem Wasser sieht das schon bescheidener aus mit rechts an fahren.
Es wird nicht umsonst immer und immer wieder gesagt Einbau nur von fachkundigen Personen vornehmen lassen.
In dem Sinne erst Denken dann Machen und erst Recht nicht am falschen Ende sparen!
Ich wünsche Dir und jedem Anderen immer die Hand breit Wasser