Vor etwas mehr als zwei Wochen erzählte ich von dem heftigen Zufallsbefund: Bei meinen in Reihe geschalteten Batterien hat sich eine erhebliche Ungleichheit entwickelt (was die Ursache ist und wie so etwas mit einem Balancer für wenig Geld verhindert wird habe ich hier beschrieben).
Auch wenn meine Tests zum Zustand der Batterien noch laufen sind mindestens zwei der vier Batterien beschädigt, vermutlich sogar alle – in unterschiedlicher Ausprägung. Denn: sie wurden über eine unbekannte Zeit mit entweder zu hoher Spannung geladen oder dämmerten im teilweise entladenen Zustand mit niedriger Spannung vor sich hin.
Die Chemie in Blei-Säure Batterien ist im Detail nicht ganz trivial. Daher nur kurz angerissen: Schäden aus Teilentladung (genauer: wenn sich Teile der Blei-Paste, die an Gittern hängt und an den chemischen Prozessen teilnimmt, zu Kristallen verhärtet hat und damit nicht mehr mitspielen kann) können über längere Zeit durch einen Pulser „repariert“ werden (d.h. die Kristalle werden aufgebrochen und das Material steht wieder zur Verfügung).
Bei Ladung mit zu hoher Spannung verliert die Batterie Elektrolyt („Wasser“), was bei den meisten heutigen Modellen auch nicht mehr nachgefüllt werden kann. Und es passiert noch mehr im Inneren der Batterie (Stichwort: Gitterkorrosion) – alles Schäden, die nicht wieder gutzumachen sind.
In Grenzen könnte sich meine Batteriebank (bestehend aus 4 x 230Ah) also wieder „erholen“ (durch die Pulser), aber die ursprüngliche Leistung werde ich nie wieder erhalten. Dazu sind die Batterien nun sicher acht Jahre alt. Bevor ich das Schiff hatte, wurden sie unterwegs nur von der Standard Lichtmaschine geladen (böse! Besser z.B.ein Lichtmaschinen-Batterie-Lader wie von Sterling – für AGM und Gel sogar Pflicht!) – insgesamt scheint die Bank reif für ein Refit zu sein.
Tipp: Wenn du tiefer in dieses Thema einsteigen möchtest, lies die Artikel von Michael Herrmann auf yachtinside.de.
Blei oder Lithium? Nass, AGM, Gel?
Vier neue Batterien sollen es nun sein. Aber welche? Wie bei so vielen Themen bei Booten sind auch Batterien ein weites Feld. Und bei vier so dicken Brummern sprechen wir hier über eine signifikante Investition – von der Mühe, diese quasi Immobilien zu bewegen mal ganz abgesehen. Es lohnt sich also, genau hinzugucken und zu überlegen.
Zuerst ein paar Grundfakten:
- Lithium kann konsequent zu 80-90% entladen werden, ohne Schaden zu nehmen.
- Lithium lädt viel schneller als Blei.
- Nur wenige Lithium Batterien können viel Strom auf einmal abgeben – für mich aber wichtig, da ich nur eine Bank habe, die auch den Motor startet. Und der Inverter für Wasserkocher und Mikrowelle muss auch versorgt werden.
- Lithium gibt es als „Drop-In-Replacement“ mit eingebauter Technik, so dass sie mit bestehender Lade-Infrastruktur (Landstrom, Lichtmaschine) funktionieren.
- Lithium ist in der Anschaffung um Faktor zwei bis vier teurer als Blei.
- Blei als Nassbatterien ist die älteste Technologie, erfordert Wartung und ist am wenigsten leistungsfähig.
- Blei als Gelbatterie hält am längsten, kann aber nur schlecht hohe Ströme (Motorstart, Inverter, Bugstrahlruder) liefern.
- Blei als AGM ist die jüngste Technologie und es gibt Versionen, die hohe Ströme liefern können, aber auch sehr gut als Verbraucherbatterie („zyklenfest“) funktionieren.
- In der Regel können Bleibatterien nur zu maximal der Hälfte entladen werden, ohne Schaden zu nehmen. Es gibt aber Ausnahmen.
- AGM lädt am schnellsten, benötigt aber wie alle Bleibatterien lange, um die letzten 20% zu laden (vier Stunden oder mehr).
Was erwarte ich von den Batterien?
Am Anfang jeder Entscheidung steht die Frage: Welche Ziele möchte ich erreichen?
Klar, erstmal möchte ich an Bord eine Batteriebank haben, die irgendwie Strom liefert. Anhand dieser unscharfen Aussage kann aber unmöglich eine vernünftige Auswahl getroffen werden. Genauer überlegt sind meine Anforderungen:
- Mindestens drei Tage Autonomie vor Anker im Sommer.
- Möglichst schnelles laden.
- Haltbarkeit mindestens 8 Jahre.
- Versorgung der allgemeinen Verbraucher genauso wie ausreichende Leistung für den Motorstart (auch bei kalten Temperaturen), Inverter und Bugstrahlruder.
Drei Tage Autonomie – wie groß muss die Bank dann sein? Zur Beantwortung dieser Frage muss eine Aufstellung her, wie viel Strom wir im Sommer in 24 Stunden (ein Etmal) verbrauchen:
Der Unterschied zwischen Sommer und Winter ist in meinem Falle wichtig, weil der Ertrag der Solarzellen im Winter viel geringer ist. Einige Werte sind (hoffentlich gut) geschätzt, andere habe ich gemessen. Die 7A Ertrag der Solarzellen sind ein guter Mittelwert bei wenig Bewölkung – bei praller Sonne bekomme ich bis 9A.
Aufgerundet 90Ah Strombedarf pro Tag bei gutem Wetter – das wird ungefähr hinkommen. Für drei Tage 270Ah. Das ist die Leistung, die ich effektiv von der Batteriebank erwarte.
Lithium oder AGM Batterie?
Fast 300Ah Leistung, schnelles Laden – da scheint Lithium die logische Wahl zu sein. Zum Beispiel eine Liontron 24V 100Ah: Drei Stück davon parallel ergeben 300Ah Gesamtkapazität, von denen 80% = 240Ah nutzbar sind. Jede Batterie liefert kurzzeitig 200A, macht zusammen 600A – das sollte für den Motorstart ausreichen. Dauerhaft können pro Batterie 100A (ingesamt 300A) entnommen werden, was mehr als ausreichend für den 1500W Inverter ist (1500 Watt geteilt durch 24V ergeben nur knapp 65A benötigten Strom).
Oder wie wäre es mit zwei Mal Mastervolt 24V 180Ah? Auch Victron hat interessante Lithium Batterien. Aber: Die Preise sind heftig. Eine Mastervolt Lösung liegt bei über 10.000 Euro. Und selbst die „günstigere“ Lösung von Liontron kostet immer noch deutlich über 5.000 Euro. Rechnet sich das über die geplante Lebensdauer von mindestens acht Jahren?
Blei Batterien in Form von AGM kosten deutlich weniger Geld. Sie laden nicht so schnell wie Lithium, aber schneller als klassische Nassbatterien. 4 x 230Ah ergeben bei 24V eine Gesamtkapazität von 460Ah, von denen aber nur die Hälfte genutzt werden kann. Nur die Hälfte – ist das wirklich so?
AGM Batterien, die zu 80% entladen werden können?
Tatsächlich gibt es bei Blei Batterien durchaus erhebliche Unterschiede, wie stark sie entladen werden dürfen. Gute Hersteller machen da genaue Angaben wie z.B. „800 Zyklen bei 50% Entladetiefe“ oder „300 Zyklen bei 60%“. So eine Angabe bedeutet in der Praxis: Die Batterie kann 300 mal eine gewisse Strommenge so lange abgeben, bis 60% (bei 230Ah sind das ca. 140Ah) entnommen wurden. Passiert das häufiger, können zunehmend Schäden entstehen.
Die Angaben müssen sich dabei auf eine definierte Strommenge beziehen: Je mehr Strom entnommen wird, desto weniger Energie kann eine Blei Batterie liefern. Wird beispielsweise eine 230Ah Batterie dauerhaft mit 100A belastet hält sie deutlich kürzer durch als bei einer Belastung von 10A. Daher übrigens ist eine Kapazitätsangabe wie „230Ah“ auch nicht exakt, je nach Art der Belastung können das nur 200Ah oder auch 260Ah sein.
Häufig bezieht sich eine Angabe wie „300 Zyklen bei 60%“ auf eine Last von 20% der angegebenen Kapazität: Eine 230Ah Batterie würde dann bei 46A Last (20% von 230) 300 mal 140Ah (60% von 230) liefern können, ohne beschädigt zu werden.
Eine ausführliche (und zeitraubende) Recherche brachte mich dann auf die Victron AGM Super Cycle Batterie (Datenblatt hier). Der Hersteller verspricht erstaunliche Leistungen:
- 300 Zyklen bei 100% (!!!) Entladetiefe.
- 700 Zyklen bei 60%.
Dazu ist sie auch noch kleiner und leichter als andere AGMs mit gleicher Kapazität. Eigentlich heißt es bei Blei Batterien: Je mehr Gewicht bei gleicher Kapazität, desto besser die Qualität (denn Blei ist schwer, und je mehr Gewicht, desto mehr Material ist in der Batterie). Mir kam das sehr außergewöhnlich vor, daher habe ich noch mal direkt bei Victron nachgefragt und auch eine Antwort erhalten (in englisch: hier). Mit diesen Zahlen kann ich tatsächlich rechnen.
Nun habe ich auf der einen Seite richtig, richtig teure Lithium Batterien, die alles können was ich möchte. Und auf der anderen Seite AGMs für weniger als die Hälfte des Geldes, die mir ungefähr 500 mal um die 350Ah liefern können. Zusammen mit anderen Optionen habe ich einen detaillierten Vergleich aufgestellt:
Bezüglich der Autonomie in Tagen und dem Preis pro Ampérestunde (Ah) wird deutlich: Es sieht schlecht aus für Lithium. Selbst die günstigen Liontron Lithium Batterien sind effektiv um Faktor drei (!) teuer. Für welchen Vorteil?
Ja, die Liontron Lithium Batterien können schneller geladen werden. Das ist aber der einzig verbliebene Vorteil, der sich außerdem nach weiterer Überlegung auch sehr relativiert: Im Hafen am Landstrom ist es völlig egal, da liegen wir ohnehin 12 Stunden oder mehr. Das reicht auch für die AGMs locker zum laden.
Und unterwegs liefert meine Lichtmaschine nur maximal 50A, von denen um die 20 für den Fahrbetrieb direkt verbraucht werden. Es bleiben 30A zum Laden der Batterien übrig. Bei den meisten Törns reicht die Zeit also sowieso nicht zum Vollladen, egal ob Lithium oder Blei.
Und sonst hat Lithium auch durchaus Nachteile: Wird es zu kalt oder zu heiß werden sie schlicht abgeschaltet und das Boot ist völlig ohne Strom (zugegeben, ein Extremfall, kann aber passieren). Das eingebaute Batteriemanagement-System ist komplexe Software. Wie gut ist die getestet? Vielleicht führt ein Softwarefehler auch mal zu einer Abschaltung? Bei Mastervolt und Victron hätte ich da großes Vertrauen. Bei neuen und bisher eher unbekannten Herstellern aber weniger.
Die Entscheidung in meinem Fall kann daher nur lauten: Victron AGM Super Cycle.
…oder doch noch eine neue Option?
Ein Gespräch mit einem Yacht Elektriker in Glückstadt (Engels und Kieth, die ich übrigens sehr empfehlen kann – dazu schreibe ich aber noch mal gesondert etwas) brachte dann noch eine neue Möglichkeit: Q-Batteries, Typ 12LC-25. Die können exakt das Gleiche wie die Victron Super Cycle (ausführliches Datenblatt hier), kosten aber deutlich weniger.
Hier die aktualisierte Aufstellung mit der hervorgehobenen Q-Batteries 12LC-25:
Knapp 2.700 Euro gegen knapp 1.800 Euro bei gleichen Leistungsdaten. Dazu wiegen die 12LC-25 etwas mehr, was wie bereits erwähnt grundsätzlich ein Qualitätsmerkmal ist. Wie bei Victron bietet die Q-Batterie 700 Zyklen bei 60% – was exakt den 270Ah entspricht, die ich zur Verfügung haben möchte.
Also werden es die Q-Batteries 12LC-25 werden.
Wäre Geld kein bestimmender Faktor würde ich vermutlich Lithium von Mastervolt oder Victron nehmen. In dieser Position bin ich nicht, und ich kann nicht erkennen, dass sich de Mehrpreis von Lithium in meinem Fall lohnt.
Lade-Infrastruktur: Passt sie zur gewünschten Batterie?
Ein letztes Thema ist noch meine Lade-Infrastruktur:
- Landstrom via einem älteren Victron Centaur 24/70.
- Unterwegs lädt der Sterling Lichtmaschinen-Batterie-Lader.
- Die Solarzellen laden mittels einem Victron BlueSolar MPPT Regler.
Der Sterling kann auf die von der 12LC gewünschten Spannungen eingestellt werden und hat einen Temperatursensor, das passt. Der BlueSolar ist fast neu und kann problemlos passend konfiguriert werden.
Sorge macht mir der Centaur Landstrom Lader: Die gewünschten Spannungen können hier nicht exakt eingestellt werden, aber vielleicht gut genug. Er hat allerdings nur einen eingebauten Temperatursensor, passt das Ladeverhalten daher nur abhängig von der Umgebungstemperatur an.
Das könnte ein Problem sein. AGM Batterien sollen immer mit einem Temperatursensor an der Batterie geladen werden, damit das Ladegerät sich an die tatsächliche Batterietemperatur anpasst. In besonderen Fällen kann das wichtig sein: Wird mit zu viel Strom geladen, könnten in der Batterie sich selbst verstärkende thermische Prozesse entstehen, die zu Überhitzung und Zerstörung führen.
In meinem Fall entsprechen die 70A Leistung des Centaur nur ungefähr 15% der Kapazität der Batteriebank. AGMs können mit bis zu 30% ihrer Kapazität geladen werden – mit zu viel Strom kann ich sie also nicht aufladen. Eigentlich sollte da nichts passieren. Da bleibt aber schon ein Stück Unsicherheit.
Bezüglich des Landstrom-Laders habe ich noch keine Entscheidung getroffen. Von den Q-Batteries AGM 12LC bin ich aber bisher überzeugt. Da wird die Reise hingehen.
Hallo Julius, schau Dir doch mal die Rolls Deep Cycle AGM Batterien an. Ich habe als Service Block 2x Rolls S12-290AGM an Bord im Einsatz. Die geben erheblich höhere Zyklenzahlen an: bei 40% Entladung 1500, bei 50% Entladung 1200, bei 60% Entladung noch 900 Zyklen! Sind bei mir seit 2014 im Einsatz, bisher keinerlei Schwäche erkennbar.
Hallo Christian,
danke für den Tipp – die sehen in der Tat sehr gut aus! Ich denke drüber nach – vermutlich werden sie mir aber zu teuer, zu schwer, zu groß sein.
900 Zyklen bei 60% sind echt eine Ansage 😀
Hallo Julian,
habe am Wochenende meine Batteriebank umgebaut von 4 x 200AH wartungsfrei Blei Säure Batterie auf 4 x 260AH Zenith Deep Cycle AGM, angeblich 600 Zyklen bei 80% Entladung. Habe Deinen Tipp mit mit Balancer auch gleich mit realisiert. Mal Schauen was die Zeit so bringt.
PS In NL bei Abholung € 560,00 per Stück
Wow, klingt auch sehr gut. Ich habe aber kein Datenblatt dazu gefunden – hast du einen Link?
Hallo,
da ich auch aktuell über neue Batterien nachdenke sehr interessant!
Woher hast du die Info, dass die Q-Batterie 700 Zyklen bei 60% zulässt? Im Datenblatt finde ich das nicht
Gruß
Till
Till, da hast du Recht, exakt 60% stehen im Datenblatt nicht. Aber 50% mit ca. 800 und 80% mit ca. 500 wenn ich auf ca. 80% Restkapazität gucke. Daraus habe ich 700 Zyklen bei 60% interpretiert, um in meiner Tabelle mit einheitlichen Werten arbeiten zu können.
Hallo Julian, danke für die Erläuterung! Ich vermute, Du hast das Diagramm auf der zweiten Seite des Datenblattes dafür genutzt? Ich fand das zuerst etwas unübersichtlich, aber ich sehe wie Du es interpretiert hast.
Hast Du schon Daten für die zulässigen Spannungen für normales Laden, Schnellladen und Erhaltungsladen für die Q-Batteries 12LC-25 gefunden?
Ja, genau das Diagramm hab ich genutzt. Nein, die zulässigen Spannungen habe ich noch nicht – da muss ich noch mal nachhaken.
Ladeschlussspannung laut Hersteller: 14,4-14,7V.
Hallo Julian, bei mir steht auch eine Erneuerung an. Hast Du die Batterien mittlerweile eingebaut und erste Erfahrungen sammeln können?
Gibt es zu den Ladeschlussspannungen eine offizielles Datenblatt vom Hersteller? Habe leider auch nix gefunden.
Vielen Dank und viele Grüße
Hi,
ja, die Batterien sind eingebaut, habe aber nur wenig Erfahrung bisher – musste ja im Hafen liegen. Ein paar erste Tests habe ich gemacht, mal Landstrom für 24h ausgestellt und sowas… da entsprachen die Batterien bisher den Erwartungen.
Die Ladeschlussspannungen stehen auf dem Gehäuse der Batterien aufgedruckt.
Den Einbau und eine Beschreibung meiner Ladeinfrastruktur habe ich hier beschrieben: https://booteblog.net/2020/03/19/boot-batterien-lader-landstrom-solar-lichtmaschine-batteriemonitor-balancer/
Jetzt fängt die Saison an und wir werden viel ankern, wirklich valide Aussagen werde ich aber erst im Herbst treffen können.
Hallo Julian, hast Du Erfahrungen mit den Q-Batterien sammeln können? Möchte mir auch 4 x 107 AH holen.
LG Ralph
Hallo Ralph,
Ich kann bisher nichts Negatives berichten. Über Winter hängt das Boot praktisch durchgehend am Landstrom, interessant wird es im Frühjahr wenn wir ankern und ich wieder Last auf die Batterien gebe.