Viele Sportboote haben ein Radar. Aber welcher Skipper kann es auch sicher bedienen und interpretieren, so dass es im Ernstfall wirklich ein Helfer und kein Display mit wirren Punkten ist?
Im Sommer 2017 habe ich einen kleinen Törn von Damp in die Schlei genutzt, um bei Tageslicht verschiedene Ereignisse in Foto und Radarbild festzuhalten. Daraus entstand mein Artikel in der boote 11/2017 und ergänzend dazu zeige ich hier im booteblog noch mal die konkreten Situationen zur Erklärung, wie das Radar genutzt und interpretiert werden kann.
Radar Beispiele – Anmerkungen
Alle hier gezeigten Beispiele basieren auf einem Raymarine Quantum Solid State Radar und einem Raymarine es98 Plotter. Radaranlagen anderer Hersteller funktionieren vergleichbar, vor allem die Basis-Einstellungen wie Gain (Empfindlichkeit), Seegangs- und Regenfilter gibt es bei jedem Radar. Und: Es muss keine neue Anlage sein. Vorher hatte ich ein Raytheon RL70, das etwa 20 Jahre alt war und mit dem die meisten hier gezeigten Beispiele genau so funktioniert hätten.
Beispiel 1: Gain (Empfindlichkeit) und Seegangsfilter richtig einstellen
Der Seegangsfilter kann zuerst auf Null, die Empfindlichkeit kann auf einen hohen Wert, zum Beispiel deutlich über 90, eingestellt werden. Dann ist das Display voll mit Echos:
Mit etwas weniger Empfindlichkeit (in diesem Beispiel 94) sind die meisten Echos verschwunden, übrig sind nur Echos von echten Objekten (rot mit gelben Rändern) und einzelne, ganz schwache Echos (hellblau). Das sind kleine Wellen (die Aufnahmen wurden bei See eins bis zwei gemacht):
Mit ein klein wenig Seegangsfilter (in diesem Beispiel stand der Filter auf 10) sind nur noch die interessanten Echos übrig. Mittlerweile ist ein Segelboot voraus in den Radarbereich gekommen und wird nun deutlich auf dem Display abgebildet:
Beispiel 2: Ein entgegenkommender Segler querab
Das Radar steht auf einer Reichweite von 1/4 Seemeile und ein entgegenkommender Segler steht querab zu meinem Boot:
Am Radar habe ich die Nachleuchtspur aktiviert. Damit werden vorherige Positionen eines Echos mit einer immer schwächer werdenden Spur dargestellt:
Der Segler ist mit einem kleinen Echo, aber deutlich erkennbar (mit einem grauen Kreis umrahmt). Jedes Radar hat einen blinden Bereich in direkter Nähe des eigenen Bootes, bei dem Raymarine Quantum auf meinem Boot sind das ungefähr 50 Meter. Impuls-Radaranlagen haben meist einen größeren blinden Bereich. Wenn ein Objekt sich diesem Bereich nähert, wird sein Echo schwächer (kleiner).
Die Leuchtspur ist recht lang, das bedeutet dass uns das Objekt mit etwas Fahrt entgegenkommt.
Beispiel 3: Ein etwas langsamerer Segler, der uns entgegen kommt
Ich habe die Reichweite auf eine 3/4 Seemeile erhöht und ein weiterer Segler kommt mir entgegen und steht direkt querab.
Weil die Reichweite nun größer und der Segler etwas langsamer ist, zieht er eine etwas kürzere Leuchtspur auf dem Display hinter sich her (der Segler wieder im grauen Kreis).
Diverse andere Echos haben andere Leuchtspuren. Beispielsweise bewegt sich ein Echo an Steuerbord zum rechten Rand des Displays, also von meiner Steuerbordseite weg.
Beispiel 4: Entgegenkommer, Mitläufer und ein festes Objekt
Hier sind vier Objekte querab: Ein Segler (1), der sehr nahe an meinem Boot vorbeifährt. Dazu ein kleines Motorboot (2), das mir auch entgegenkommt. Dann ein kleines, offenes Boot, das in meine Richtung fährt (3), aber viel langsamer ist als ich. Und schließlich ein statisches „Objekt“, eine Person, die am Strand auf einem Stein steht (4).
Diese vier Echos, die fast in einer Linie stehen, ergeben ein interessantes Bild auf dem Radar:
Wahrschau! Die Nummern (3) und (4) sind auf dem Foto vertauscht, im Radar-Screenshot sind sie aber korrekt.
Der Segler (1) ist so nah, dass sein Echo im blinden Bereich ist und daher nicht dargestellt wird. Die Leuchtspur verrät aber, dass da bis eben ein kräftiges Echo war. So ist deutlich, dass da ein Objekt näher als 50 Meter (so groß ist ungefähr der blinde Bereich bei meinem Radar) sein muss.
Die Länge der Spur zeigt, dass das Objekt ein Entgegenkommer mit eigener Fahrt ist.
Das kleine Motorboot (2) ist auch ein Entgegenkommer mit eigener Fahrt. Das Echo ist gut zu sehen und die Leuchtspur ungefähr so lang wie bei dem Segler, beide haben also eine ähnliche Geschwindigkeit.
Nummer drei, das langsame offene Boot, ist ein Mitläufer (fährt in die gleiche Richtung wie ich). Seine Leuchtspur sieht aber so aus, als wenn es ein Entgegenkommer ist. Warum?
Aus Sicht meines Bootes kommt mir das offene Boot (3) tatsächlich entgegen, denn es ist langsamer und ich hole es ein. Das Echo kommt mir also immer näher, und genau das zeigt die Leuchtspur an. Diese ist aber aufgrund der im Vergleich zu (1) und (2) langsameren Geschwindigkeit, mit der sich das Echo nähert, viel kürzer als bei den „echten“ Entgegenkommern.
Fehlt noch der Mann, der am Strand auf dem Stein steht (4): Dieses „Objekt“ ist steht fest, kommt mir durch meine eigene Fahrt aber auch entgegen – daher hat dieses Echo ebenfalls eine Leuchtspur. Die ist länger als bei (3), aber kürzer als bei (1) und (2). Somit kommt mir der Mann auf dem Stein schneller entgegen als das offene Boot, aber langsamer als das Motor- und das Segelboot.
Beispiel 5: Leuchtspuren können auch stören
Kurz vor Olpenitz macht die Landmasse einen Knick und es gibt viele Boote, das Radarbild wird unübersichtlich:
Die Leuchtspuren stören jetzt mehr, als sie nutzen. Ohne diese Spuren sieht das Bild klarer aus:
So hilfreich Leuchtspuren bei der Beurteilung eines Echos sind – zu viele davon können verwirrend sein.
Beispiel 6: Auch ein Paddler im Kajak ist sichtbar
In ein paar hundert Metern fährt ein Kajak in die gleiche Richtung wie mein Boot:
Ein kleines und vor allem sehr niedriges Objekt also. Trotzdem wird es auf dem Radar dargestellt:
Das Echo ist zwar klein, aber – vor allem durch die Leuchtspur – deutlich sichtbar. Und auch hier wieder: Dadurch, dass der Paddler viel langsamer ist als ich, kommt er mir (oder besser: ich ihm) entgegen, was durch die Spur auch angezeigt wird.
Beispiel 7: Ein schneller und ein langsamer Mitläufer
Zwei Boote, die in die gleiche Richtung fahren wie ich:
Das Radar zeigt für die beiden Boote völlig unterschiedliche Leuchtspuren:
Dank der vorherigen Beispiel ist aber schnell erklärbar, warum die Spuren in unterschiedliche Richtungen zeigen, obwohl beide Boote ja in die gleiche Richtung fahren: (1) ist schneller als ich, kommt mir von achtern aus gesehen näher und wird mich überholen. Daher zieht sein Echo eine Leuchtspur, die von mir aus gesehen nach hinten zeigt.
(2) dagegen ist ein Segler, der bei wenig Wind sehr langsam ist. Ich hole ihn ein. er kommt mir also frontal entgegen, daher deutet seine Spur in eine andere Richtung als bei (1).
Beispiel 8: Der schnelle Mitläufer ist ganz nah
Das Motorboot aus Beispiel 7 ist nun querab und ganz nahe:
Durch die Nähe ist das Echo nun fast im blinden Bereich und daher sehr schwach:
Allerdings zeigt die Leuchtspur deutlich, dass da ein schneller Mitläufer ist. Eine Leuchtspur nahe am eigenen Boot, das kein Echo mehr zeigt, deutet also auf ein Objekt in unmittelbarer Nähe hin – und somit auf eine möglicherweise gefährliche Situation.
Beispiel 9: Ein Ankerlieger vor der Küste
Mein Boot fährt mit knapp sechs Knoten parallel zur Küste entlang, wo ein kleines Boot vor Anker liegt:
Auf dem Radar ist deutlich der Küstenverlauf zu erkennen, und davor ein kleines Echo mit einer Leuchtspur die anzeigt, dass dieses Objekt auf mich zukommt:
Doch hier kommt das Echo nicht durch eigene Fahrt auf mich zu, sondern weil es fest liegt und mir durch die Fahrt meines Boots näher kommt.
Beispiel 10: Ein Fischerfähnchen
Eine Herausforderung sind oftmals Markierungen von Fischernetzen in Form von kleinen Fähnchen, die oftmals sogar schwarz sind und nicht so schön rot wie auf diesem Foto:
So ein Fähnchen bietet sehr wenig Fläche, die Radarstrahlen reflektieren und verursacht daher nur ein sehr schwaches Echo, das auch nur im Nahbereich dargestellt wird:
Aber immerhin: Es wird ein Echo gezeigt und wer das Radar stets im Auge behält, wird so auch auf schwer auszumachende Fischerfähnchen aufmerksam gemacht.
Beispiel 11: Eine große Tonne
Vor Damp liegt ein Sperrgebiet, das mit großen, massiven Tonnen markiert ist (Symbolfoto):
Solche Tonnen sind so gebaut, dass sie sehr gut Radarstrahlen reflektieren, und dementsprechend stark ist das Echo auf dem Display:
Aber ist dieses starke Echo eine Tonne oder vielleicht doch ein großes Schiff? Eine Leuchtspur könnte bei der Interpretation helfen, einfacher geht es aber mit dem Overlay auf der Seekarte:
Dabei werden die Radarechos über die Karte gelegt. Sofort wird klar: Das starke Echo ist die Tonne.
Beispiel 12: Ein Pulk Segler und eine Tonne
Neben einer Tonne sind nun eine Reihe Segler:
Entsprechend viele Echos gibt es auf dem Radar:
Und was ist nun was? In diesem Fall ist es einfach, denn die Segler haben einen Kurs nach „rechts“ (auf das Display bezogen), während ich auf die Tonne zu fahre. Dementsprechend sind die Leuchtspuren.
Das Radaroverlay auf der Karte bestätigt die Einschätzung – das einzelne Echo ist klar auf dem Tonnensymbol, der Pulk rechts daneben.
Beispiel 13: Tonnen, Boote und die Einfahrt zur Schlei
Vor der Schlei ist meistens eine Menge los: In diesem Fall haben wir:
- Zwei Fahrwassertonnen (1) und (3)
- Ein Segler zwischen den Fahrwassertonnen (2)
- Die Markierungen auf beiden Seiten der Einfahrt (4) und (6) und dazwischen noch ein Segler (5)
So sieht es auf dem Radar aus:
- (1) ist die rote Fahrwassertonne. Deren Echo ist sehr schwach, weil sie schon sehr nahe und damit fast im blinden Bereich ist.
- (2) ist der Segler, der zwischen den Tonnen fährt. Auch er ist sehr nah und sein Echo daher schwach.
- Die grüne Tonne (3) ist weiter weg und erzeugt daher ein besseres Echo.
- (4) ist die südliche Markierung der Schlei-Einfahrt, (6) ist der kleine Leuchtturm an der nördliche Begrenzung.
- Der Segler (5) fährt mitten in der Einfahrt, sein Echo ist daher direkt zwischen (4) und (6).
- Zwischen (4) und (6) ist eine Lücke bis zur Landmasse, die vermutlich durch Verschattung entsteht.
Beispiel 14: Einfahrt zur Schlei mit Seglern
Die Einfahrt direkt voraus, ein Segler ganz nah an Backbord und drei Segler in der Einfahrt:
Das ergibt interessante Echos:
- Der Segler an Backbord ist (1). Hier wieder: Schwaches Echo durch die Nähe zu meinem Boot.
- (2) und (3) sind wieder die Molenköpfe mit dem südlichen Leuchtfeuer und dem nördlichen Leuchtturm.
- Der Kreis bei (4) enthält die drei Echos der drei Segler.
Beispiel 15: Fahrwasser in der Schlei mit Ankerlieger
Am Anfang der Schlei liegt ein kleines Boot vor Anker, direkt neben dem Fahrwasser:
So haben wir die Fahrwassertonnen (1) und (2) unmittelbar neben dem Ankerlieger (3):
Die Leuchtspuren sind bei allen drei Echos gleich lang – denn alle machen keine eigene Fahrt und kommen auf mich zu. Der Ankerlieger liegt ein paar Meter vor den Tonnen, die direkt nebeneinander liegen und dadurch gut zu erkennen sind.
Fazit
Eine gut eingestellte Radaranlage sieht fast alles: Von kleinen Fischerfähnchen und Kajaks über Segler bis zu großen Schiffen und Landmasse. Aber: Die Echos müssen interpretiert werden und sind alles andere als selbsterklärend.
Da hilft nur, bei Tag und guter Sicht ständig zu üben. Am besten läuft das Radar immer mit, was bei den modernen Solid State Anlagen durch deren sehr niedrigen Stromverbrauch möglich ist.
Nur wer gelernt hat, die Echos seiner Radaranlage zu lesen, kann es auch sicher einsetzen wenn es ernst ist: Bei schlechter Sicht, in der Nacht, bei Regen oder schwerer See.
Hallo Julian,
herzlichen Dank für den sehr gut recherchierten und eingängig bebilderten Beitrag. Ich hatte die Nachleuchtspur bei meinem Simrad Broadband 4G immer ausgeschaltet, werde ich nächste Saison mal ausprobieren.
Für mich ist das Radar zusätzlich zu den hier beschriebenen Einsatzgebieten auch unverzichtbar beim Peilen bei Ausweichsituationen. Gerade bei Wellengang ist es oft nicht ganz leicht, eine stehende Peilung über eine Deckspeilung schnell herzustellen. Einfach das Radarobjekt markieren und eine Peillinie drauflegen. Und so kannst Du sehr genau erkennen, ob die Peilung steht, das Schiff vor oder hinter dir durchgeht. Je nachdem kannst Du dann auch 2 oder 3 Peillinien auf verschiedene Objekte legen. Und dann natürlich die genaue Entfernungsmessung. Einfach den punkt auf dem Plotter markieren und schon kannst Du die genaue Entfernung ablesen.
Herzlichen Dank und liebe Grüße
Christian
Ja, das stimmt – die Sache mit der Peilung mittels Radar Peillinie (EBL = Electronic Bearing Line heißt das bei eigentlich allen Geräten) ist eine super Sache, das haben wir letzten Sommer bei Nachtfahrten viel genutzt.
Danke für den Hinweis!
Hallo Julian,
herzlichen Dank für die detaillierte Beschreibung mit den vielen Bildern aus der Praxis. So aussagekräftig habe ich das noch nicht gefunden. Sie helfen mir sehr dabei, die Prospektangaben wie „Zielerfassung im Nahbereich ab 18ft“ einzuordnen.
Ich hätte nicht vermutet, daß vergleichsweise große/hohe Objekte wie der Segler (Bsp. 4) und der Mitläufer (Bsp. 7 und 8) sich nur noch mit der Leuchtspur verraten, während das Fischerfähnchen (Bsp. 10) in größerer Entfernung doch deutlich angezeigt wird.
Herzliche Grüße aus dem Binnenland
Wolfgang
Hallo Wolfgang,
danke für das Lob 🙂
Große Objekte sind im direkten Nahbereich nicht oder nur noch sehr klein zu erkennen, kleine Objekte dann aber natürlich auch nicht. Vielleicht machen andere Antennen das noch besser als Quantum, aber einen gewissen blinden Bereich werden sie alle haben.