„Papa, wie schön das hier ist!“
ruft Lena ganz beeindruckt. Wir waren von Kungsham noch weiter nach Norden gefahren und wollten eigentlich bis nach Hamburgsund. Die „Schären-Autobahn“ verlief dabei durch den Sotenkanalen, einem kurzen (knapp 5km) Kanal, der die ungeschützte Umrundung von zwei Inseln erspart (mehr hier bei Wikipedia) – eine Option, die sehr willkommen war.
Denn: auch heute gab es viel Wind. Wie bisher jeden Tag seit Urlaubsbeginn. Erwähnte ich das schon?
Da so ziemlich jeder diesen geschützten Weg nutzte, erforderte die Passage durch diesen dichten Verkehr etwas Konzentration, war aber auch interessant und kurzweilig. Und hier hielten sich selbst die dicken norwegischen Motoryachten an die Geschwindigkeitsbegrenzung und drängelten zwar, überholten aber nicht.
Die weitere Fahrt in Richtung Norden verlief wie gewohnt zwischen den Schären in mal weiteren, mal engeren Fahrwassern. Das Wetter war eigentlich gut: Meistens schien die Sonne. Aber der ständige Wind machte alles kalt, so dass ein längerer Aufenthalt in Sommerkleidung außerhalb des geschützten Steuerstandes eher unangenehm war.
Dementsprechend standen alle Segler, denen wir begegnet sind, auch dick eingepackt am Steuer im offenen Cockpit und lächelten uns etwas gezwungen an, als wir sie in kurzer Hose und T-Shirt aus dem Windschutz unseren Außensteuerstands heraus grüßten. Ein paar Grad wärmer wäre schon nicht schlecht.
Auf vielen – auch sehr kleinen – Schären stehen durchaus respektable Häuser. Der Bau und Unterhalt dieser Feriendomizile muss ein ganz schöner Aufwand sein… aber schön ist es bestimmt, auf seiner eigenen Insel sitzen zu können.
Schließlich kam der Ankerplatz bei Dannemark in Sicht. Die entsprechende Schäre heißt wirklich so, hat aber mit dem Land Dänemark unseres Wissens nach nichts zu tun. Auf der NV Charts Karte ist der Platz sogar offiziell als Ankerplatz eingezeichnet, und einige Mooringbojen liegen auch aus.
Eigentlich wollten wir uns zuerst das beschauliche Hamburgsund angucken, dann wieder umdrehen und zurück nach Dannemark fahren. Doch für heute hatten wir das Gefühl, genug gefahren zu sein und die nächste Ortsbesichtigung konnte gerne noch etwas warten.
„Klarmachen für Ankermanöver!“
kam dann auch Skipper’s Ansage, was die Crew jedoch erfahrungsgemäß nicht dazu veranlasst, sich von ihren gemütlichen guck- (Steffi), lese- (Kinder) oder schlafplätzen (Ole) zu erheben. Wozu auch? Ein Vorteil des Ankerns ist ja, dass nicht viel zu tun ist: Platz mit passender Tiefe und Abstand vom Ufer finden, Boot zum Stillstand bringen, Anker fallen lassen, Boot leicht rückwärts fahren lassen, Kette nachgeben, Anker kurz einfahren, noch etwas Kette geben, fertig.
Doch dieses Mal wollten wir es noch einfacher machen: Es lagen einige Mooring-Bojen aus, und wir haben so einen tollen neuen Bojenhaken, mit dem das festmachen an eben so einer Boje ein Kinderspiel ist. Wir wussten, dass die Bojen von einem schwedischen Seglerverein ausgelegt sind und waren zuerst unsicher, ob wir da einfach festmachen dürfen.
„Schau mal, da sind einige Norweger, die liegen auch an den Bojen. Und sind Norweger Mitglied in einem schwedischen Seglerverband?“
sagte Steffi daraufhin, nachdem sie sich das Fernglas geschnappt und etwas umgeschaut hatte.
„Tja, keine Ahnung. Mehr als davonjagen kann man uns ja nicht, und ankern können wir immer, also versuchen wir das einfach mal.“
entschied der Skipper daraufhin. Also ran an die Boje, Bojenhaken eingeklinkt, Leine belegt, fertig. Ist ja schon bequem, so eine Boje.
Unmittelbar danach haben Leo und ich das Dinghy klargemacht, so dass die Kinder mit Ole Gassi fahren konnten. Der Hund war mittlerweile aufgewacht und stand schon aufgeregt auf dem Vordeck und schnupperte das neue Land. Und an dieser Schäre gab es sogar ein Stückchen Strand, und das versprach also Kletter- und Buddelspaß für unseren Hondje.
„Da hat mich so einer von dem Segelboot da drüber auf englisch angeschnackt… ich hab nicht alles verstanden, aber freundlich war er nicht und es klang danach, dass er gerne an die Boje will…“
berichtete Leo nach ihrer Rückkehr. Von Steffi und mir unbemerkt hatte ein schwedisches Segelboot kurz vor uns geankert, und als ich zu dem Boot herüberblickte, machte ein Herr in dessen Cockpit wilde Gesten und einen ausgesprochen unerfreuten Eindruck.
„Mehr als davonjagen kann man uns ja nicht…“ sagte ich vor dem Festmachen an der Boje, und genau das schien nun zu passieren. Seltsamerweise hatte der Schwede ja schon den Anker draußen, warum also noch mal Aufwand treiben und an die Boje verholen?
Ist aber auch egal, er hat Recht und wir haben Unrecht, also Maschine an, Verbindung zur Boje gelöst und mit einem entschuldigenden Lächeln an dem Segler vorbei zur nächsten freien Stelle gefahren. Dessen Miene hat das nicht aufgehellt, aber mehr als unseren Fehler einsehen und verschwinden können wir nicht. Ein paar hundert Meter abseits fiel dann unser Anker und Minuten später war die Sache erledigt und wir haben gelernt, dass wohl auch Norweger eine Erlaubnis für diese Bojen haben können.
Im Nachhinein haben wir übrigens bemerkt, dass die Bojenlieger einen bestimmten Wimpel führen und daran erkannt werden kann, ob jemand an so einer Mooringboje liegen darf oder nicht.
Nach einem guten Essen aus der Bordküche ging es für einen ausführlichen Kletter- und Spaziergang an Land. Und erneut hat uns alle die herbe Schönheit dieser Gegend fasziniert. Eigentlich sind es ja hauptsächlich karge Felsen, warum finden wir – und offensichtlich auch viele andere – sie so schön?
Es wird etwas mit dem tiefen Frieden, den diese Welt ausstrahlt, zu tun haben. Es ist – abgesehen von dem heulen des Windes, der wie schon erwähnt nicht mehr aufhören wollte – vor allem: ruhig. Und weit. Und trotzdem interessant. Das Auge kann sich gar nicht sattsehen an all den Details dieser Landschaft, und die Sonne taucht all das in ein ganz wundervolles Licht.
Am frühen Abend dann waren wir zurück auf der JULIUS, und die Sonne war fast verschwunden. Aber nur fast. Ein schwedisches Pärchen hat sich den perfekten Platz in der Bucht für ein Picknick ausgesucht. Nur dort kamen noch die letzten und auch noch die allerletzten Sonnenstrahlen hin. Wie schön, wenn man so genießen kann.
Dieser Eintrag spielt am 4.8.2016.