Der Mittwoch begann, wie der Dienstag endete: mit schönem Wetter. Ja, es ist dieses Jahr ein paar Grad zu kühl, vor allem am Abend. Aber in dieser Woche konnten wir uns nicht beklagen: Wir hatten viel Sonne und die Temperaturen waren völlig in Ordnung für kurze Hose, T-Shirt und Barfuß.
Wir konnten den Tag wieder ruhig angehen lassen, denn erstmal wollten wir heute nur nach Nexø, was gerade mal knappe fünf Meilen (etwas über eine halbe Stunde) von Svaneke entfernt ist:
Dafür gab es zwei gewichtige Argumente:
- Wie im vorigen Bericht erwähnt, gibt es dort einen Kop un Kande Laden, und außerdem einen guten Supermarkt.
- Dort soll man sehr gut Heringe angeln können, und nachdem wir die Mission „kaufe einen Heringspaternoster in Rønne“ erfolgreich abgeschlossen hatten, wollten die Kinder natürlich nun auch ein Abendessen angeln.
Außerdem hatten wir einen Plan für den Rückmarsch Richtung Seeland – dazu gleich mehr. Für die Fahrt nach Nexø jedenfalls lohnte es sich kaum, die Maschine anzuwerfen. Die See war wieder ziemlich ruhig und Nexø empfing uns mit einem fast leeren Hafen.
Der Hafen von Nexø besteht aus vielen Teilen: direkt nach der Einfahrt an Steuerbord ein Becken für eine Fähre, danach an Steuerbord ein für Bornholm typisches kleines, fast schon winziges, Becken für Boote unter 10 Meter. Danach ein größeres Becken, wo Sportboote mit Heckbojen festmachen können. Danach geht es zu mehreren großen Becken, die den Fischern vorbehalten sind und wo auch diverse Lagerhallen stehen, die Nexø erstmal unattraktiv erscheinen lassen.
Natürlich kann Nexø nicht mit dem Charme von Svaneke oder Gudjem mithalten. Dafür bekommt man hier vermutlich immer einen Platz, und der Hafen kann eigentlich immer angelaufen werden. Denn: hier liegt auch der Seenotretter, der ja nun bei jedem Wetter raus- und wieder reinkommen muss.
Ein weiterer Pluspunkt für Nexø: direkt am Hafen ist ein recht gut sortierter Schiffsausrüster. Eine Positionslaterne an Steuerbord war defekt, und dort konnte ich eine neue Glühbirne erstehen. Damit war das Problem zwar nur teilweise erledigt und ich habe mehrere Stunden mit dieser eigentlichen Trivialität zugebracht, aber damit will ich euch gar nicht langweilen.
Steffi jedenfalls ist direkt nach dem Anlegen zu Kop un Kande verschwunden, wo sie aber erstaunlicherweise nichts gekauft hat. Da denkt man, man kennt seine Frau, und dann überrascht sie einen doch… aber beim Supermarkt wurde sie fündig, während ich mit besagter Positionsleuchte gekämpft habe.
Als abendliche Aktivität stand dann Angeln auf dem Programm. Die Heringspaternoster lagen bereit, und ein Mann beim Schiffsausrüster, der auch ein paar Angelsachen hat, meinte „aber ja, es ist noch Heringszeit, geht einfach vor Sonnenuntergang auf die Mole!“. Danach hat der Skipper ersthaft befürchtet, dass heute tatsächlich echte Fische geangelt werden und sich schon seelisch auf das Ausnehmen der Tiere vorbereitet.
Leider hatten wir am Abend nicht unbegrenzt Zeit. Nach ausgiebigem Studium der Wetterlage hat sich nämlich abgezeichnet, dass es von Mittwoch Abend bis Donnerstag mittags sehr ruhig auf der Ostsee ist. Wir hatten viel überlegt, wie wir von Bornholm wieder Richtung Heimat, also erstmal nach Seeland, kommen. Zuerst nach Ystad bringt irgendwie nichts, denn nach Ystad kommt erstmal nichts mehr. Und über Rügen hatten wir keine Lust.
Von Nexø um Bornholm herum und dann in die Faxe Bucht, durch den Bøge Strom zu einem Ankerplatz bei Vordingborg waren es 120 Meilen, also ungefähr 18 Stunden Fahrt, einmal quer über die Ostsee.
Das ist nicht nichts, aber wenn das Wetterfenster passt und es auch noch über Nacht ist – warum nicht? So viele Stunden so ruhiges Wetter würden wir danach erstmal nicht mehr bekommen, also stand der Entschluss schnell fest: wir machen die Passage von Mittwoch auf Donnerstag.
Eigentlich wären wir gerne schon gegen 2000 losgekommen, aber das Angeln war natürlich wichtig. Und Heringe kann man halt nur zwei Stunden vor Sonnenuntergang bis zwei Stunden nach Sonnenuntergang angeln, jedenfalls an der Mole von Nexø. Also war der Kompromiss: Abfahrt um 2130, Angelbeginn um 2000.
So sind wir zur Mole gewandert (das ist ein kleines Stück vom Liegeplatz aus), und wir waren weder die einzigen noch die ersten Angler. Das haben wir mal als gutes Zeichen interpretiert. Tatsächlich füllte sich die Mole nach und nach mit ungefähr 20 weiteren Anglern – na, dann muss da doch was zu holen sein?
Die Kinder haben die Angeln klargemacht und losgelegt, zuerst passierte aber nichts und etwas Geduld war gefragt. Eine Disziplin wo beide Kinder noch Verbesserungspotential haben.
Es war schon kurz vor 21 Uhr, als Bewegung in die Anglermeute kam. Die ersten haben Heringe rausgeholt! Heringe tauchen immer im Schwarm auf, wenn also an einer Angel Heringe hängen, ist die Chance für die eigene Angel ebenfalls sehr groß.
„Ich glaub, ich habe welche!“ rief Lena dann auf einmal. Jetzt wird es also ernst, dachte der Skipper sich. Und „hoffentlich ist Lena cool genug, dass sie die Fische hochholt und nicht vor Schreck von der Mole fällt“ meinte Steffi.
Natürlich war sie cool genug. Sie hat die Angel langsam eingeholt und hatte auf einen Schlag vier Heringe an der Angel. V I E R. Wenn das kein Erfolgserlebnis ist!
Heringe sind ja keine großen Fische, aber trotzdem erstmal ganz schön zappelig, wenn sie auf dem Trockenen liegen. Ein beherzter Schlag auf den Kopf der vier Fische beruhigte die Situation erheblich, und danach ging es weiter.
Es kamen dann noch viele weitere Schwärme, und auch Leo hatte noch Glück. Insgesamt haben die beiden 16 Heringe aus dem Wasser geholt, das sollte für eine Mahlzeit ausreichen.
Aufgedreht und stolz sind die beiden mit uns (und den Fischen, natürlich) dann zur Julius zurückgekehrt. Der Fang blieben erstmal im Eimer auf dem Achterdeck, denn nun musste es dringend losgehen, solange noch etwas Licht war. Vor der Küste sind überall Fischerfähnchen, und da ist es gut, wenn man die auch noch sehen kann.
Lena wurde schnell müde, hat sich freiwillig den Schlafanzug angezogen und ist in die Koje gekrochen, noch während wir abgelegt haben. Kurz darauf waren wir unterwegs, auf ganz ruhiger See, mit Kurs in die schwarze Nacht.