Es heißt ja: beim Bootsfahren muss mann flexibel sein. Stimmt auch grundsätzlich. Aber: beim fahren mit dem Zug auch. Dazu gleich mehr.
Erstmal hatte ich heute den Wecker wieder auf 0530 gestellt. Nicht, weil es mich zeitlich gedrängt hätte: Bis Ystad waren es nur 35 Meilen, ein Katzensprung quasi. Aber das Wetter war gut, und wie schon vorher erwähnt, finde ich es sehr schön, so früh morgens unterwegs zu sein.
Kaffee trinken, Frühstücken und so weiter – das alles kann ich unterwegs machen. Also sieht der Ablauf so aus:
- 0530 Wecker klingelt
- 0532 aufstehen und etwas Wasser ins Gesicht
- 0535 Navigationssysteme hochfahren
- 0540 Maschine anschmeißen
- 0545 am Anker stehen, bereit für das Ankerauf Manöver
Hier noch mal zur Erinnerung der Platz bei Falsterbo, wo ich geankert hatte:
Von Falsterbo sollte es heute an der schwedischen Südküste entlang bis Ystad gehen:
Bei dem Wetter also eine ganz wunderbare Tour, wo es fast nur gerade aus geht. Und das bedeutet: Autopilot an, Alarmzone im Radar aktivieren und… Zeit haben! Je mehr ich mich mit dem Radar hier auf der Julius beschäftige, desto besser finde ich es. Richtig eingestellt sieht es wirklich alles: Segelboote, kleine Tuckerboote, große Tonnen, kleine Tonnen, Baken – alles. Naja, Fischerfähnchen erzeugen so ein schwaches Echo, dass sie den Alarm nicht auslösen würden – aber in tiefer See gibts in der Regel auch keine Fischerfähnchen.
Hier mal ein Eindruck von der Stimmung auf diesem Schlag:
Geht nicht schöner, oder?
Leider war meine ETA schon ca. 1300. Und die Familie sollte erst um 1549 in Ystad mit der Bahn ankommen. Was soll ich die ganze Zeit bei diesem super Wetter im Hafen? Da bin ich doch lieber auf See!
Folglich habe ich die Maschine langsamer laufen lassen, langsamer, immer langsamer, und noch etwas langsamer. So lange, bis die Drehzahl mal eben über Standgas war und ich mit 4,8 Knoten extrem gemütlich vor mich hin getuckert bin. Entschleunigung sagt mal wohl dazu.
So war ich dann um kurz vor zwei Uhr vor Ystad, das bei der Anfahrt nicht so schön aussieht:
Ankommen in Ystad
Und kurze Zeit später war die Julius dann fest in der Marina von Ystad, zwei nette Schweden haben meine Leinen angenommen. Aber auch sonst wäre der Anleger kein Problem gewesen, war ja kein Wind.
Ein wenig Zeit hatte ich ja noch, die habe ich genutzt um Wasser zu tanken und Müll zu entsorgen. Bei der routinemäßigen Ansicht des Maschinenraums habe ich gesehen, dass der Seewasserfilter ziemlich mit schwarzem Schlamm zugesetzt war, also habe ich den auch noch gereinigt und dann noch etwas Diesel nachgetankt (d.h. aus den großen Tanks in den Tagestank gepumpt).
Interessant war übrigens, dass ich auf der Tuckertour mit unter 5 Knoten nur 4,5 Liter / Stunde verbraucht habe (sonst bei 6,5kn ungefähr 8,5 Liter / Stunde). Das macht unter einem Liter pro Seemeile. Hier sieht man sehr plakativ, wie sehr die Geschwindigkeit den Verbrauch beeinflusst.
Dann klingelte das Telefon. Steffi war dran: der ICE nach Kopenhagen hatte Verspätung, die Umsteigezeit in den Zug nach Ystad betrug nur sieben Minuten und trotz erheblichem sportlichen Einsatz der Familie haben sie den Anschlusszug nicht erreicht.
Und nun?
Natürlich wäre demnächst ein anderer Zug nach Ystad gefahren. Aber: wir hatten uns sowieso überlegt, direkt von Ystad noch nach Simrishamm zu fahren:
Das sind noch mal 28 Meilen. Doch heute war leider erstmal der letzte schöne Tag, ab Samstag zieht ein Tief genau über uns und fegt das schöne Sommerwetter hinweg. Wir werden also einwehen, mindestens bis Montag. Und dann wollen wir lieber im hygeligen Simrishamm als in Ystad einwehen! Zumal unsere befreundete Familie, mit der wir letztes Jahr schon viele schöne Tage in Schweden verbracht haben, ab Sonntag auch in der Nähe von Simrishamm sind (mit dem Wohnwagen).
Doch wenn die Familie nun später in Ystad ankommt, kommen wir auch später in Simrishamm an… das wäre dann so gegen 2230 abends. Geht, ist aber nicht toll.
Steffi ist ja aber schlau und hat die Dame am Bahnschalter gefragt, ob nicht auch ein Zug nach Simrishamm fahren würde. Aber ja, kein Problem! Der Zug, der nach Ystad fährt, läuft auch weiter nach Simrishamm.
Also hat Steffi eine Fahrkarte für die Familie bis Simrishamm gekauft und ich habe unmittelbar wieder abgelegt und bin auch weiter nach Simrishamm gefahren.
28 Meilen – etwas über vier Stunden also, ETA für mich war dann 1920, ETA für die Familie war 1740. Das Wetter war unverändert schön, daher waren die vier Stunden zusätzlicher Fahrt keine Belastung, ganz im Gegenteil, sie waren genau so schön wie die vorherigen Stunden. Wobei ich meine Familie gerne auf diesem Törn dabei gehabt hätte, weil man auf solchen Törns eben sieht, wie schön es mit dem Schiff auf der See sein kann.
Kurz hinter Ystad habe ich dann die Bornholm Fähre gesehen. Ein unfassbares Geschoss: riesig, wie ein Hochhaus, aber als Katamaran gebaut und schnell, SCHNELL, S C H N E L L . Mit über 34 Knoten knallt dieses Ungetüm über die See, da will man als kleines Sportbötchen wirklich nicht in die Quere kommen.
Witzig allerdings ist diese Bildfolge, wo es so aussieht, als würde der Segler die Fähre überholen:
Ansonsten war die Fahrt nach Simrishamm ereignislos und ich habe weiter versucht, meiner Haut etwas Bräune beizubringen, was schwierig, aber nicht unmöglich ist.
Die Landschaft hat sich dann etwas verändert, bis Ystad war die Küste sehr flach, dann wurde es etwas hügeliger.
Zwischendurch erstarb der Wind fast völlig, was zu spiegelnder, aber nicht spiegelglatter, See geführt hat:
(Im zweiten Foto sieht man sowohl den Bug, der sich im Wasser spiegelt, als auch den Wulstbug unter Wasser.)
Die Ansteuerung von Simrishamm ist einfach, vor dem Hafen sind ein paar Fahrwassertonnen und die große Mole ist nicht zu übersehen. Die Marina war total voll, aber im Fischerheihafen sind auch ein paar Plätze für Yachten, und da hat Steffi mich hingelotst. In der Zufahrt zum Fischereihafen stand meine Familie dann und hat mich begrüßt:
Und kurze Zeit später war die Julius dann fest und die Familie wieder vereint.