In der aktuellen Palstek hat Michael Herrmann einen sehr gelungenen Artikel über das Thema Rumpfgeschwindigkeit publiziert.
Es geht darum, mit welcher Art Rumpf welche Geschwindigkeiten erreichbar sind. Segler und Stahlboote wie die Xenia sind Verdränger, und für die gilt:
Rumpfgeschwindigkeit in Knoten = Wurzel(Wasserlinie in Meter) * 2,43
Boote mit einem breiten Spiegelheck, das viel Auftrieb generiert, können etwas höher gehen, aber nur unter Einsatz von erheblich höherer Motorleistung. Boote mit einem spitzen oder rundem Heck dagegen sind bei dem Faktor 2,43 festgenagelt.
Nun höre ich beim Klönschnack im Hafen vom Segler nebenan:
„Meine Yacht ist schmal und sportlich, die läuft problemlos über 8 Knoten!“
„Mmmhh… wie lang ist dein Boot denn…?“
„11 Meter!“
Eine 11 Meter Segelyacht dürfte eine Wasserlinie von um die 9,5m haben. Das ergibt eine Rumpfgeschwindigkeit von 7,49 Knoten.
Selbst mit 10m Wasserlinie sind das nur 7,68 Knoten, erst bei echten 11m Wasserlinie geht die Rumpfgeschwindigkeit auf 8,06 Knoten.
Je nach Rumpfform ist sicher eine kleine, kurzfristige Überschreitung der Rumpfgeschwindigkeit möglich. Zum Beispiel wenn das Boot einen Wellenberg heruntersurft. Aber dauerhafte Geschwindigkeiten von über 8 Knoten mit so einem Boot?
Ich habe mal Herrn Herrmann gefragt, ob und wie sowas möglich ist. Vielleicht ist das aber auch nur Seemansgarn 🙂
Update 19. Januar 2015:
Nach einem sehr netten Gespräch mit Hr. Herrmann hat sich mein Verdacht bestätigt: Seemansgarn!
Erstens stellt sich die Frage nach der Messmethode. Eine Logge, die Fahrt durch das Wasser angibt, ist naturgemäß ungeeignet da nicht genau genug. Die GPS Empfänger, die man normalerweise auf Booten hat, haben eine Frequenz von 1Hz oder 2Hz, geben also ein oder zweimal pro Sekunde eine Position. Dadurch kann man auch mit GPS eine Geschwindigkeit nur über einen längeren Zeitraum exakt messen. Aber welches Boot, vor allem welches Segelboot, hat schon über 10 Minuten oder mehr eine konstante Geschwindigkeit?
Dann hat er mir von Tests erzählt, die mit befreundeten Booten auf Kanälen mit Hilfe eine Stoppuhr und einer gegebenen Wegstrecke unter Motor gemacht wurden. Selbst grob übermotorisierte Boote kamen nie über die Rumpfgeschwindigkeit, auch wenn die Konstrukteure der Rümpfe meinten, dass die Rumpfgeschwindigkeit für ihre Rümpfe nicht gelte.
Aber: wird man den stolzen Stegnachbarn mit dem sportlichen Boot mit harten Zahlen überzeugen können, dass seine Geschwindigkeiten unrealistisch sind? Vermutlich nicht. Und vor allem: warum auch? Seemangsgarn gehört zum Stegschnack!
Nebenbei bemerkt: wieder einmal erfreut mich die Kompetenz von Artikeln in der Palstek. Ich kann nur jedem empfehlen, Palstek zu lesen. Egal, ob man mit dem Motorkreuzer oder unter Segel unterwegs ist!