Was ein MFD können sollte. Und: Touch oder Knöpfe?

So kann es aussehen: Drei Anwendungen gleichzeitig auf einem Raymarine MFD: Karte mit AIS und Radar, Radar alleine und Rückfahrkamera.
So kann es aussehen: Drei Anwendungen gleichzeitig auf einem Raymarine MFD: Karte mit AIS und Radar, Radar alleine und Rückfahrkamera.

„Was sollte ein MFD denn können?“ ist eine ebenso wichtige wie schwierig zu beantwortende Frage. Wie schon im ersten Artikel dieser Serie beschrieben ist es sinnvoll, die komplexeren Komponenten (Radar, Sonar…) von dem gleichen Hersteller zu beziehen.

Somit ist die Entscheidung für ein MFD eines Herstellers sehr wichtig, wenn nicht sogar am wichtigsten. Und so stellt sich die Frage: „Wie soll ich auswählen?“

Selbstverständliches

Die MFDs der großen Hersteller haben grundsätzlich ähnliche Funktionen:

  • Darstellung einer elektronischen Seekarte.
  • Navigation mit Routen, Wegpunkten und das Aufzeichnen von Tracks.
  • Darstellung von Radar, Sonar/Fischfinder, Navigations- und Umgebungsdaten (Kurs, Geschwindigkeit, Wind…).
  • Anbindung von weiteren Geräten wie Autopilot, Kameras oder auch Musiksysteme.
  • Steigerung des Situationsbewußtseins mit der Darstellung von AIS und Radardaten auf der Karte.

Wer einfach nur diese grundlegenden Ansprüche erfüllt haben möchte, kann sich auch vom persönlichen Geschmack leiten lassen. Auf einer Messe oder beim Händler können die Geräte ausprobiert und beurteilt werden, ob einem die Gestaltung und Bedienung der Oberfläche zusagt.

Eine angepasste Oberfläche auf dem Raymarine es98 auf der JULIUS. Von hier sind verschiedene Anwendungen schnell erreichbar.
Eine angepasste Oberfläche auf dem Raymarine es98 auf der JULIUS. Von hier sind verschiedene Anwendungen schnell erreichbar.

Lohnt der tiefere Blick?

Eine Entscheidung für ein MFD und einen Hersteller ist eine Entscheidung für viele Jahre. Die Geräte sind – zumindest auf den ersten Blick – teuer. Und wer auch noch in Zusätze wie Radar, Netzwerk, Kompass- und Tiefensensor investiert kann fünfstellige Eurobeträge an den Händler überweisen.

Vielleicht wird in einem Jahr eine Funktion wichtig, die heute egal scheint? Oder das Gerät wird in zwei Jahren vom Hersteller zum alten Eisen gestempelt und erhält keine Aktualisierungen mehr?

So lohnt es sich also durchaus, ein paar Gedanken und Recherchen auf die Frage zu verwenden: Welche MFD Funktionen sind mir heute und möglicherweise in der Zukunft wichtig?

Touch oder Knöpfe?

Durch Smartphone und Tablet haben wir uns an die Touch-Bedienung gewöhnt. Und die Geste mit den zwei Fingern, die auseinandergezogen werden, fühlt sich ganz natürlich an um beispielsweise die Seekarte zu vergrößern.

Tatsächlich sind viele Aktionen mit Touch viel schneller zu bewältigen als mit Knöpfen. Einen neuen Wegpunkt erstellen? Einfach auf den gewünschten Punkt in der Karte tippen. Informationen über ein AIS Ziel aufrufen? Auch hier reicht einmal tippen – solche Beispiele gibt es viele.

Die Bedienung per Touch ist also nützlich, und die meisten MFDs bieten diese Möglichkeit.

Grenzen gibt es für Touch aber auch: Bei schwerem Seegang (schwierig, dann genau zu tippen) und bei Nässe und Kälte (mit Handschuhen).

Ideal finde ich daher ein MFD, das sowohl mit Touch als auch mit Knöpfen bedienbar ist. Ausnahme: Das Gerät steht drinnen und das Boot wird nur Binnen (d.h. ohne Seegang) betrieben.

Wichtige und schöne, aber nicht notwendige Funktionen

Im Folgenden notiere ich Merkmale, die ich – persönlich! – wichtig oder schön, aber nicht notwendig finde. Diese Punkte sind das Ergebnis meiner Erfahrung aus über 8 Jahren Fahrt mit dem Motorkreutzer auf Ost- und Nordsee. Da ich aber ehemaliger Segler bin versuche ich, auch die Sicht des Seglers zu berücksichtigen.

In jedem Fall gilt: Die Liste ist zur Anregung und Ideengebung gedacht. Wenn ich etwas übersehen oder falsch dargestellt habe freue ich mich über Hinweise mittels Kommentar unter diesem Artikel!

Allgemeines

Eine weitere Startseite mit Anwendungen, teilweise im Splitscreen auf meinem Raymarine MFD.
Eine weitere Startseite mit Anwendungen, teilweise im Splitscreen auf meinem Raymarine MFD.
FunktionBeschreibung
Darstellung von Navigationsdaten (1)Frei wählbare Daten wie Geschwindigkeit, Tiefe, Position sollten ständig sichtbar sein können, beispielsweise in einer fixen Leiste am oberen Rand des Bildschirms.
Darstellung von Navigationsdaten (2)Schön ist, wenn zusätzlich noch frei wählbare Daten abhängig von der gerade verwendeten Anwendung (Karte, Radar, Sonar…) in eine Ecke dargestellt werden können.
Tag und Nachmodus, HelligkeitFür Fahrten bei wenig Licht oder in der Dunkelheit muss das MFD die Bildschirmhelligkeit in einem weiten Bereich regeln können. Noch besser ist es, wenn zusätzlich ein Nachtmodus mit anderer Farbgebung existiert.
SplitscreenSelbst bei einem 7 Zoll Bildschirm ist es schon nützlich, zwei Anwendungen gleichzeitig darstellen zu können. Am besten in einer frei wählbaren Aufteilung (z.B. Karte zu 2/3 links, Radar auf 1/3 rechts). Bei größeren Bildschirmen machen auch drei oder noch mehr Anwendungen gleichzeitig Sinn.
Aktualisierungen von Karte und GerätEinerseits sollte die elektronische Seekarte möglichst einfach aktualisiert werden können. Ideal ist es, wenn das MFD eine Verbindung zum Internet hat (z.B. über die Internetverbindung des Boot-WLANs wie hier von mir beschrieben) und die Karte darüber selbständig aktualisieren kann.

Regelmäßig aber wird übersehen, dass auch das MFD selbst möglichst lange (viele Jahre!) vom Hersteller gepflegt werden sollte, und dass auch diese Aktualisierung möglichst einfach ist.
Hier ist es sinnvoll, zu prüfen, wie lange ein Hersteller seine Geräte in der Vergangenheit gepflegt hat. Bekommt beispielsweise ein fünf Jahre altes Geräte heute noch Aktualisierungen?

Navigation mit der elektronischen Seekarte

Beispiel für eine Kartendarstellung: Navionics Karte (Marina in Rendsburg), 50% Luftbild Overlay, AIS Ziele, eigene Daten oben und links unten.
Beispiel für eine Kartendarstellung: Navionics Karte (Marina in Rendsburg), 50% Luftbild Overlay, AIS Ziele, eigene Daten oben und links unten.
FunktionBeschreibung
KartenformateEine Abhängigkeit von einem einzigen Kartenhersteller finde ich problematisch. Je mehr Kartenformate unterstützt werden, desto besser. Am Wichtigsten finde ich Navionics und NV-Charts. C-Map hat mir zumindest in der Ostsee überhaupt nicht gefallen.
Routen und WegpunkteDie Erstellung von Routen sollte einfach und selbsterklärend sein. Sowohl Routen als auch Wegpunkte sollten als Vorgabe automatisch sinnvoll benannt werden, aber auch manuell mit eigenen Namen versehen werden können.
Verwaltung von RoutenWie kann ich bestehende Routen wiederfinden? Kann ich nach Namen oder Start- und Zielort suchen? Ist die Liste der Routen übersichtlich?
Ausblenden von RoutenWenn alle Routen ständig auf der Karte dargestellt werden kann das sehr unübersichtlich sein. Schön ist es, wenn einzelne Routen auf der Karte ausgeblendet werden können.
Routen kopierenBei der Erstellung einer neuen Route kann es sein, dass eine andere sehr ähnliche Route schon vorhanden ist. Kann diese Route nun kopiert und dann einfach erweitert werden erspart das viel Arbeit.
Austausch von Routen mit Tablet oder ComputerEs ist hilfreich, wenn Routen auf einfachem Wege (drahtlos, ohne den Einsatz von Speicherkarten) mit einer App auf einem Tablet oder dem heimischen Computer ausgetauscht werden können. So kann die Routenplanung bequem von zu Hause aus erledigt und diese Routen dann auf dem MFD direkt genutzt werden.
AutoroutingDie automatische Erstellung von Routen („von Steg zu Steg“) finde ich völlig unwichtig. Letztlich muss so eine Route ohnehin noch mal Wegpunkt für Wegpunkt kontrolliert werden (es ist praktisch unmöglich, dass ein Automat hierbei keine Fehler macht), da ist die Arbeitsersparnis also übersichtlich.
Aufzeichnen von TracksEin tatsächlich gefahrener Kurs muss auf Wunsch aufgezeichnet werden können. So kann eine gefährliche Passage, die einmal erfolgreich durchfahren wurde, später viel einfacher passiert werden in dem einfach dem aufgezeichneten Track gefolgt wird.
Eigene MarkierungenEin schöner Ankerplatz, eine schlecht kartografierte Untiefe, ein guter Platz zum Fischen – diese Orte sollten mit eigenen Markierungen (mit Namen und Suchfunktion) in die Karte eingetragen werden können.
GefahrenbereicheSchön ist es, wenn ganze Bereiche (rechteckig, kreisförmig oder mit eigener Form) in die Karte eingetragen und optisch hervorgehoben werden können. So kann beispielsweise ein Gebiet markiert werden, wo schlechter Ankergrund ist.
Darstellung der KarteSelbstverständlich sind die Darstellungen nordweisend (Norden oben, Karte dreht sich nicht) und kursabhängig (Karte wird abhängig vom aktuellen Kurs gedreht und zeigt immer in Fahrtrichtung). Gut ist, wenn die Position des eigenen Boots mittig auf der Karte oder wahlweise mit Offset (in Fahrtrichtung ist mehr von der Karte zu sehen als hinter dem Boot) gewählt werden kann. Die Auswahl zwischen Darstellung mit relativer Bewegung (Boot ist immer in der Mitte, die Karte bewegt sich) oder absolut (Boot fährt über die Karte bis kurz vor dem Rand, dann springt die Karte ein Stück weiter) ist auch sinnvoll.
Tiden- und StrömungsdatenWenn die elektronische Karte Daten zu Tide und Strömungen enthält müssen die auf Wunsch in der Karte visualisiert werden. Ideal ist es, wenn diese Daten auch bei der Berechnung von Ankunftszeiten bei dem Planen einer Route verwendet werden.
SonarkarteAls äußerst hilfreich empfinde ich die wahlweise Darstellung einer Sonarkarte, wo sehr detaillierte Tiefenlinien (die aus Echolotdaten von tausenden Bootsfahrern aus aller Welt berechnet werden) mit nur den allerwichtigsten Seezeichen gezeigt werden. Bei der Fahrt durch flaches Wasser oder der Suche nach einem Ankerplatz ist diese Art von Karte sehr wertvoll.

Beispiele

Ich habe mal ein paar Screenshots von meinem Raymarine System gemacht. Zuerst noch mal die Karte:

Navionics Karte von Rendsburg
Navionics Karte von Rendsburg
  1. Oben ist eine frei einstellbare Datenleiste, die verschiedenste Navigationsdaten aus einem NMEA 0183 (siehe meinen Artikel hier) oder NMEA 2000 Netz (Erklärungen in diesem Artikel) enthalten kann. Bei Tipp auf diese Leiste öffnet sich eine weitere Leiste mit anderen Daten (Screenshot weiter oben).
  2. Ein AIS Ziel, in diesem Fall ein Motorschiff (an der Form erkennbar).
  3. Ein weiteres AIS Ziel, hier ein Segelboot (etwas verdeckt durch den Kreis um die 3, da habe ich nicht aufgepasst…).
  4. Die Landmasse auf der Karte ist durch ein Luftbild überlagert. Hier sind die Luftbilder sehr grob aufgelöst, daher sieht das alles sehr verschwommen aus. An anderen Stellen sind die Bilder viel besser.
Normale Navionics Seekarte und Sonarkarte nebeneinander.
Normale Navionics Seekarte und Sonarkarte nebeneinander.

Hier ein Beispiel für eine Navionics-Sonarkarte (rechts) im Vergleich zur normalen Navionics-Karte (links). Gezeigt wird ein Ankerplatz bei Maasholm (neben der Werft).

Deutlich zu sehen sind die deutlich detaillierteren Tiefenlinien in der Sonarkarte. In der Mitte ist auf der Sonarkarte ein Loch zu sehen, westlich wird genauer deutlich, wo es zum Ufer hin richtig flach wird.

Radar und Rückfahrkamera im Splitscreen.
Radar und Rückfahrkamera im Splitscreen.

Diese Aufteilung habe ich auf einem Raymarine MFD am Innensteuerstand. Von innen habe ich nach achtern keine Sicht, daher ist die Rückfahrkamera eine erhebliche Hilfe.

Parallel sehe ich das Radarbild und somit weiß ich genau, ob andere Boote, Objekte oder Landmasse um mich herum ist – auch in dem Bereich, den ich von innen nicht überblicken kann.

Weitere Empfehlungen im nächsten Artikel

Soweit zu meiner persönlichen Liste der allgemeinen und kartenspezifischen Merkmale. Im nächsten Artikel gehe ich auf weitere Anwendungen wie Funktionen für Segler, Radar, Anzeige von Daten, Fernbedienung via Tablet, Autopilot und mehr ein.

Hinweis: Ich schreibe als privater Autor und leiste keine professionelle
Beratung. Bitte schreibe Fragen und Hinweise als Kommentar unter den Artikel. So haben alle Leser etwas davon.
Hinweis: Ich habe persönlich die meiste Erfahrung mit Geräten von Raymarine, werde aber nicht von Raymarine gesponsort, noch hat Raymarine irgendeinen Einfluß auf meine Artikel. Wie immer gilt: Ich schreibe einfach über das, was mir Spaß macht und was ich gut finde.

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