Bei der Fahrt mit einem Motorboot über Ostsee, Nordsee oder gar Ozeane kann der Seegang und das daraus resultierende Rollen und Stampfen („Schaukeln“) des Bootes zu einem Problem werden.
Die wenigsten wissen, dass Reisen mit dem Motorkreuzer über offene See und vor allem auch über Ozeane eine lange Tradition haben. Robert P. Beebe brachte eine Reihe von Konzepten – unter anderem für einen Boot Stabilisator – für einen seegehenden Motorkreuzer schon 1975 zu Papier in seinem Klassiker „Voyaging Under Power“:
(Das Buch gibt es mittlerweile in der 4. Auflage, z.B. hier bei Amazon.)
Ein seegehendes Motorboot sollte stabilisiert werden
Eine der wesentliche Aussagen von Beebe war: Ein seegehender Motorkreuzer muss unbedingt gegen den Seegang, insbesondere gegen das Rollen, stabilisiert werden. Sonst hält die Besatzung längere Seepassagen nicht aus, wird müde, unkonzentriert und aller Wahrscheinlichkeit nach seekrank. Das betrifft vor allem lange Passagen über Ozeane, gilt aber – ne nach Wetter – auch für Motorboote auf Ostsee und Nordsee.
Boot Stabilisatoren: Flopperstopper als einfache Lösung
Damals hat Beebe sein eigenes Motorboot mit Flopperstoppern ausgerüstet, einem sehr simplen aber auch sehr effizienten Prinzip: An langen Auslegern werden Flopperstopper in das Wasser gehängt und mitgeschleppt. Ein Flopperstopper ist ein Ding, das ein wenig so aussieht wie ein Anker, aber ganz anders funktioniert: er sinkt sehr leicht runter, geht aber nur sehr schwer wieder raufzuziehen.
Wenn das Boot nun also rollen will, hat es immer an einem der Ausleger einen erheblichen Widerstand, der es daran hindert. Ein sehr, sehr einfaches und zuverlässiges System! So kann das beispielsweise bei einer Nordhavn 46 aussehen:
Boot Stabilisator mit hydraulischen Flossen
Die Technik hat sich seit 1975 weiterentwickelt, und mittlerweile gibt es – neben den immer noch oft verwendeten Flopperstoppern – eine Reihe von technischen Möglichkeiten, ein Motorboot gegen den Seegang zu stabilisieren. Eine davon hat unsere Julius, und das sieht so aus:
Das System ist technisch aufwändiger als Flopperstopper, arbeitet aber einfach auf Knopfdruck und kann dem Seegang angepasst werden. Aber wie funktioniert das?
Ihr seht eine Flosse, die an einem Hydraulik-Zylinder hängt. Hier noch mal das Ganze aus der anderen Richtung:
Die Flosse kann durch den Zylinder nach unten bewegt werden und somit auf ihrer Seite des Rumpfs eine Widerstand erzeugen. Der Boot Stabilisator wird Im Schiff ergänzt durch ein Gyroskop und eine Elektronik, mit der die aktuelle Rollbewegung gemessen wird. Je nachdem, zu welcher Seite das Motorboot rollen möchte, wird die eine oder andere Flosse so gesteuert, dass sie auf der anderen Seite einen Widerstand erzeugt und damit der Rollbewegung entgegenwirkt.
Die Elektronik wirkt jedem Ansatz des Rollens entgegen
Die Elektronik und die Hydraulik sind dabei so schnell, dass sie schon jedem Ansatz des Rollens entgegengewirkt – und so den Seegang dämpft und angenehmer macht.
Mit einem Steuergerät kann das System an unterschiedlich starken Seegang angepasst werden, so dass die Flossen große oder weniger große Ausschläge haben. Denn: wenn eine Flosse einen Widerstand erzeugt, kostet das etwas Geschwindigkeit und damit Kraftstoff (das ist bei Flopperstoppern natürlich genau so). Das kann bis zu einem halben Knoten Fahrt ausmachen.
Hier das Steuergerät:
An den Balken kann man im Betrieb zuschauen, wie das System arbeitet – je nachdem wo der Punkt innerhalb des Balkens ist, ist die entsprechende Flosse nach unten ausgeklappt.
Im Maschinenraum ist die Hydraulik
Im Maschinenraum sitzt an der Maschine eine Hydraulikpumpe und daneben ein Tank und Steuerelemente für die Hydraulik:
Wie stark wird das Rollen reduziert?
Der Hersteller, Hydrosta aus den Niederlanden, spricht auf seiner Webseite sogar von mehr als 90% Reduktion des Rollens. Das ist etwas übertrieben, die JULIUS liegt nicht wie ein Stein im Wasser bei Seegang, das Boot bewegt sich schon noch. Aber: Wenn die Stabilisatoren arbeiten sind die Schiffsbewegungen spürbar gedämpft und langsamer.
Insgesamt können diese Boot Stabilisatoren keine Wunder bewirken, bei mehr als einem Meter Welle sind da schon große Kräfte im Spiel, die eben nicht überlistet werden können. Aber: Die Flossen bei der JULIUS wirken und machen definitiv einen Unterschied, die Seefahrt bei Seegang wird damit erheblich angenehmer.
Eine Bugnase gegen das Stampfen
Ach ja, und gegen die Stampfbewegung hat der Vorbesitzer übrigens diese Bugnase installiert:
Tatsächlich ist so eine Nase bei großen Schiffen vor allem dafür da, um mittels Verlängerung der Wasserlinie Kraftstoff zu sparen, bei kleinen Schiffen aber um Stampfbewegungen im Seegang zu dämpfen.
Fazit
In 2015 schrieb ich an dieser Stelle:
Insgesamt ist meine Vorstellung, dass wir auch z.B. bei Ost 6 von Damp aus über die Ostsee nach sagen wir mal Bornholm aufbrechen können, ohne dass jemand seekrank wird oder es als unangenehm empfindet. Ob das realistisch ist? Ich werde berichten!
Das ist nicht eingetroffen, denn – siehe oben – Wunder gibt es nicht. Ost 6 auf dem Weg nach Bornholm bedeutet um die zwei Meter Welle, und das ist mit Stabilisatoren sicherlich weniger unangenehm, aber angenehm ist es trotzdem nicht. Trotzdem könnten wir so eine Fahrt machen, ohne dass einem Angst und Bange wird.
Und bei Wind 4 bis 5 unterwegs zu sein ist tatsächlich kein Problem mehr. Auch da ist der Seegang trotz Stabilisatoren zu spüren, aber harmlos und gut auszuhalten.
Wer sich weiter für Boot Stabilisatoren und Motorboote für Langfahrt interessiert: Hier gibt es das Buch „Voyaging Under Power“ bei Amazon.
Siehe auch:
Bremerhaven – Helgoland bei ordentlich Wind mit Test der Stabilisatoren
Ein halbes Jahr mit der Julius – Erfahrungen aus über 1.300 Seemeilen
Hallo Julian
Interessanter Beitrag, danke.
Ich finde beim Julius zwei Dinge interessant, die mir auffallen:
1. Die Position der “Flügel“. Das ist ganz ungewöhnlich, dass die so weit hinten und komplett waagerecht sind. Bei den meisten Booten (auch bei meinem Obelikx) sind die so in etwa in der Mitte vom Rumpf. Als wir die angebracht haben, haben mir die Fachleute von Naiad erklärt, dass sie dann die wenigste Steuerwirkung haben, die der Autopilot sonst mit dem Ruder wieder ausgleichen muss („Kampf“ von Stabilisatoren mit dem Autopilot etc.). Weißt du warum das beim Julius anders gelöst ist und was die Vorteile sind?
2. Die Bugnase. Hab da schon öfter drüber nachgedacht und viele Meinungen gehört. Das ist natürlich eine endlose Diskussion, ob das bei kleinen Schiffen überhaupt sinnvoll ist (und sicher nicht zum Sprit sparen). Bei den beschriebenen 6 bft und 2 m Welle ist für mich allerdings das Stampfen, wenn man dagegen anfahren muss, bei weitem das Unangenehmste. Weißt du vom Vorbesitzer, ob die schon immer dran war oder , falls die nachgerüstet wurden, was der Effekt war? Es gibt auch Berichte (ich glaube auch in dem Buch, das du zitierst), das die Nase wieder ab musste, weil das Boot viel harter stampfte als vorher.
Lg
Wolfgang
Hallo Wolfgang,
zu 1: Einfache Erklärung: Die Flossen wurden nachgerüstet und mittschiffs war am Rumpf keinen Platz mehr. Achterlich sind sie nicht perfekt angeordnet, die Wirkung der Flossen ist – hat mir der Vorbesitzer gesagt – etwas geringer als wenn sie mittschiffs wären.
Eine Konkurrenzsituation zum Autopiloten habe ich aber bisher nicht bemerkt. Das liegt aber sicher auch daran, dass ich die Euro 500 Ruderanlage auf See mit ziemlich starker Dämpfung fahre.
zu 2: Die Bugnase wurde auch vom Vorbesitzer (Schiffsbauingenieur mit eigener Werft: http://www.gouwerok.nl/nl ) nachgerüstet. Er meinte, das hat was gebracht – aber was und wie viel ist nicht mit Fakten belegt.
Ich kann da tatsächlich auch nur spekulieren – die Nase ist hohl, vergrößert also den Auftrieb direkt am Bug. In der Theorie müsste der Bug dadurch weniger eintauchen bzw. früher wieder aufsteigen. Andererseits könnte das die Stampfbewegung auch schneller und damit heftiger machen.
Ich beobachte bei der Julius, dass der Bug relativ schnell (schon so bei 1m Welle) so eintaucht, dass es spürbar spritzt. Bei größeren Wellen geht es schnell, dass es bis hoch zum Fahrstand spritzt.
Wie ist denn Dein Eindruck von Deinen Stabilisatoren bei der Obelikx? Als wie stark empfindest Du die Wirkung gegen das Rollen?
Herzlichen Gruß,
Julian
Die Rollstabilisation von den mittschiffs angebrachten Stabilisatoren ist schon sehr, sehr gut. Obelix hat ja auch einen Rundspantrumpf und die rollen ohne Stabilisierung sehr stark. Die Stützsegel bringen auch schon was, aber nur bei Wind. Und mit den Stabilisatoren muss ich auf der Nordsee die Pillen erst ab 6 bot und nicht mehr ab 3-4 austeilen und der Kaffee schwappt auch nicht mehr , kostet aber bei starkem Seegang bis zu einem halben Knoten.
Stampfen bei Wind von vorn und gegen Strom bleibt aber dann weiter unangenehm, aber ob die Nase da viel hilft ist noch die Frage?
Lg Wolfgang
Hallo Julian,
Die Beiträge beziehen sich ja hier auf Motoryachten,
ich habe einen Segler, reinke S10,
meine Frau leidet extrem unter dem seitlichen Rollen.
So habe ich mir gedacht man könnte zumindest am Ankerplatz den Spibaum als seitlichen Ausleger benutzen und zum Beispiel mit einem Reitgewicht, das auf den Grund abgelassen wird oder einer runden Platte, die beim rollen auf und ab durchs Wasser bewegt wird, eine Besserung erzielen.
Die Frage ist ob der Spibaum/Mast die Kräfte aushält….
probiert hab ich es noch nicht , was hälst Du davon ?
Gruss Andi
Hallo Andi,
Reitgewicht oder eine runde Platte wird nix bringen. Es muss ein Objekt sein, dass mühelos nach unten sinkt, aber nur sehr schwer nach oben zu ziehen ist. Google mal Bilder über „flopperstopper anchor“.
Ich wäre tatsächlich unsicher, ob der Spibaum das aushält. Ich würde es eher mit dem Großbaum versuchen. Die Kombination Großbaum/Mast sollte die Kräfte aushalten, ich bin ziemlich sicher, dass in den USA Segler dieses Verfahren durchaus häufig anwenden.
Viel Erfolg bei der Recherche und wenn Du eine Lösung hast melde dich, das wäre bestimmt auch für andere Segler interessant!
Hallo Zusammen,
ich bin neu hier und habe mit Interesse eure Beiträge zum Thema Stabi`s gelesen. Ich habe leider noch kein eigenes Boot, es wird aber auch ein Verdränger werden. Da ich den Eindruck habe das die Stabi`s eine sinnvolle Ergänzung ist nun meine Frage. Sind die an jedem Rumpf nachrüstbar, welchen Hersteller sollte man wählen und mit welchen Gesamt . Kosten kann man rechnen ?
Danke u.beste Grüße Detlef ( Karlsruhe )
Hallo Detlef,
es gibt mittlerweile diverse Variationen an Stabilisatoren – Flossen (wie bei mir), Rotorswing, hochdrehende Kreisel… sie sind nicht bei jedem Rumpf nachrüstbar. Kleinere Rümpfe <15m haben dafür meistens keinen Platz für die innenliegenden Installationen.
Meine JULIUS ist eine Ausnahme, hier wurden die Flossen nachgerüstet, aber auch als Kompromiss: Die Flossen sind am Heck montiert, eigentlich gehören sie mittschiffs und etwas tiefer.
Ein Nachrüsten ist sehr teuer. Bei Flossen würde ich von mindestens TEU 20 ausgehen, eher mehr. Eine Rotorswing-Anlage ist vielleicht günstiger, benötigt aber eine Menge elektrischer 230V Energie.
Das Beste ist es, schon bei der Bootssuche nur nach Booten mit Stabilisatoren zu gucken.
hallo Julian
Danke für die schnelle Info. 20.000,. € und mehr ist ein Wort
Grüße Detlef