Ich war krank, und es wurde immer schlimmer. Seit Wochen liegt die Julius in Hamburg im Hafen. Die meisten Arbeiten, die bei diesen Temperaturen möglich sind, habe ich erledigt. Mir ging es zunehmend schlechter. Klare Diagnose: Zunehmende Landkrankheit!
„Wie sich die Julius wohl anfühlt, wenn man im Winter bei um die 0 Grad unterwegs ist….?“ sinniere ich so vor mich hin, als die Julius noch unbeweglich und dick von Eis umschlossen in der Kälte liegt.
Dann der immer häufiger werdende Blick auf die Wettervorhersage: Es taut! Es wird sogar richtig warm, da schmilzt doch bestimmt das Eis!
„Moin Heiko, sag mal, was hälst Du von einem kurzen Törn auf der Elbe mit Übernachtung hinter Schweinesand…?“ frage ich einen guten Freund. „Hey, super Idee, ich hab Zeit!“ kommt die Antwort.
Heiko hat schon einige interessante Törns mit mir gemacht und sich als unerschrockener und kompetenter Seefahrer erwiesen. Ich freue mich und bin dankbar, dass er die nächste Stufe der Verrücktheit mit mir gehen will: Über Nacht ankern im Januar, mitten im Winter.
Als wir uns beim Schiff treffen, ist der Hafen fast eisfrei. Doch vor dem Hafen stehen Vögel ziemlich entspannt auf weiten Eisflächen:
Ein kleiner Rundflug mit der Drohne macht die Vögel zwar wach, gibt aber keinen Aufschluss über die Stärke des Eises:
Aber wir sind ja nicht gekommen, um im Hafen zu bleiben. Und auf der Elbe ist kein Eis, das habe ich mit Hilfe einiger Webcams geprüft. Also: Leinen los!
So tuckern wir langsam, ganz langsam voran, brechen das Eis und ziehen eine Schneise hinter uns her. Teilweise sind wir erstaunt, wie dick das Eis noch ist. Hier ein Video, wo es ordentlich knackt und bricht:
Die Beschichtung am Rumpf scheint die Aktion übrigens ohne Schaden überstanden zu haben.
Nach ein paar Eisflächen war der Weg zur Tiefstack Schleuse frei, und dann waren wir in der Elbe. Dort war wie erwartet kein Eis und wir sind völlig problemlos bis nach Wedel gefahren und konnten hinter Schweinesand ankern:
Die Heizung lief auf AK und hat die Julius gut warm gehalten. Das Schiff ist isoliert und fast alle Fenster sind aus Thermopenglas, so dass auch kein Schwitzwasser an den Scheiben entsteht. Nur die Aluminium-Rahmen der Fenster sind eine Kältebrücke, dort war es ordentlich nass.
Kaffee trinken, klönen, Essen machen (Labskaus mit allem Gedöns!) – es war herrlich, und die Landkrankheit klang langsam ab. Der Abend war völlig windstill, und natürlich waren wir die einzigen Verrückten, die erstens unterwegs waren und zweitens auch noch über Nacht geankert haben.
„Schau mal, wie schön sich der Lichtschein der Stadt auf dem Wasser spiegelt“ meint Heiko, als wir auf dem Achterdeck stehen und die Szenerie auf uns wirken lassen.
„Ja, traumhaft schön hier.“
„Mmmh.“ – lange Pause.
„Schon ungewöhnlich, im Januar zu ankern. Hier ist echt keine Socke.“
„Yep.“ – lange Pause.
„Verrückt.“ – lange Pause.
„Aber geil.“
„Yep.“
Von diesem Dialog abgesehen hörte man nur von der Insel diverse Vögel in der Dunkelheit schnattern.
Am nächsten Morgen mussten wir früh los, weil es gegen die Tide zurück ging und wir rechtzeitig bei der Schleuse sein mussten. Also: Aufstehen um 0730, ankerauf um 0800.
Die Heizung lief natürlich durch über Nacht, wenn auch auf kleinerer Stufe. Gestern Abend waren es 20,5° in der Kajüte, und in der Pantry und achtern noch mal wärmer (dort wird die heiße Luft der Heizung reingeblasen). Jetzt am Morgen waren es immerhin noch 16°. Also erstmal Heizung wieder höher fahren und Kaffee machen. Der Blick aus dem Fenster offenbarte wenig Licht, leichter Schneefall und schlechte Sicht:
Die Scheiben am Außensteuerstand waren völlig beschlagen, und nach dem Abziehen der Feuchtigkeit dauerte es nur Sekunden, bis die Sicht wieder gleich Null war. Ein kleiner Heizlüfter, der warme Luft nach vorne pustet und genau für so einen Zweck konzipiert ist schaffte aber perfekte Abhilfe, und so konnten wir los.
Radar und AIS gaben zusätzliche Sicherheit bei diesen Bedingungen, und so tuckerten wir durch die graue Suppe zurück Richtung Hamburg. Begegnet sind uns nur Berufs- und Behördenschiffe, hier mal ein Polizeiboot auf der anderen Seite der Elbe. Das Foto macht deutlich, wie wenig Sicht herrschte:
Am frühen Vormittag hat es dann aber ein wenig aufgeklart, und Blankenese im leichten Winterkleid gab ein schönes Bild ab:
Wir kamen rechtzeitig bei der Schleuse an und konnten geschleust werden. Wenn das Wasser zu niedrig steht, hätten wir ansonsten nicht mehr in die Schleuse einfahren können. und dann wären wir erst am späten Nachmittag wieder in der Bille gewesen.
So aber mussten wir uns nur wieder langsam durch unsere Rinne von gestern durch das Eis arbeiten. Obwohl es in der Nacht keinen Frost gegeben hatte, war die Rinne wieder leicht zugefroren:
Wir kamen sicher wieder am Liegeplatz an und haben ein spätes, dafür umso ausführlicheres Frühstück eingenommen.
Die nächsten Tage sollen wieder kalt werden, daher haben wir das Schiff wieder winterfest gemacht (Frostschutz in die Kühlwasserkreisläufe, Druckwassersystem leeren, Pumpe unter das Schiff hängen etc.) und dann lag der kurze, aber sehr schöne Törn hinter uns.
Und meine Landkrankheit? Die ist erstmal wieder etwas eingedämmt.
Moin Julian,
danke für die tollen Eindrücke! Macht echt Lust drauf!
LG aus Österreich
Julian, es war klasse, vielen Dank für die Eisnacht auf der Elbe! Nur schade, dass du beim 360°-POI-Video um das Schiff am Ankerplatz vergessen hast, die Cam einzuschalten 😉
Wir sind jetzt auch noch oft auf dem Boot, aber nicht gefahren wegen dem Eis. Aber cool, dass ihr Eisbrecher gespielt habt.
Die Videos werden leider nicht angezeigt, schade.
Viele Grüße,
Anett
probier es jetzt noch mal mit den Videos!
… schönes Wintervideo
https://www.youtube.com/watch?v=13uYVDcEw3g
Ein schönes Video – danke!