Das hat doch keinen Sinn! Der Trip von Samsø zu einem überraschenden Ziel.

Die JULIUS arbeitet in der See.
Die JULIUS arbeitet in der See.

Es knallt, es rummst, die Stöße gehen durch das ganze Schiff. Die Maschine dreht für sieben Knoten, über Grund macht die JULIUS aber nur noch eben über vier Knoten.

Der Bug wird angehoben, nur um gleich wieder auf die nächste Welle zu fallen. Dort, wo eben noch ein Wellenberg aus Wasser war, drängt sich die Bugnase des Schiffes seinen Weg frei. Beeindruckend spritzt die See über den Bug, Gischt erreicht selbst die Persenning, die den Außensteuerstand schützt.

Heute Morgen sah es noch gut aus. Ich war mit Ole am Strand von der Ankerbucht bei Langør auf Samsø spazieren, wo wir gestern nach einer ruhigen Nachtfahrt angekommen waren. Bei viel blauem Himmel und mäßigem Wind durfte unser Bordhondje noch etwas toben, bevor es weiterging, weiter nach Vejle auf dem dänischen Festland.

Noch ist gutes Wetter.
Noch ist gutes Wetter.

Nach Vejle, das wären ungefähr 55 Meilen (8 1/2 Stunden). Wenn wir unterwegs keine Lust mehr haben, wäre auch Juelsminde in Ordnung, was auf halben Weg liegt.  Das Wetter sollte deutlich schlechter werden, und der Wind spürbar zunehmen. Fünf bis sechs Windstärken waren angesagt, aus Südwest, aus einer Richtung, wo der Wind ordentlich Platz hat, um den Seegang aufzufrischen („Fetch“ nennt man das).

So haben wir uns auf einen ruppigen Törn eingestellt. Die Kinder haben allerdings eine starke Motivation, um nach Vejle zu kommen: Von dort ist ein Ausflug in das Legoland geplant, das wir von dort per Bus in einer halben Stunde bequem erreichen können. So hat die Familie eine Portion Superpep genommen, eine „hilft ja nix“ Haltung eingenommen und wir sind ankerauf gegangen.

Nach einer halben Stunde schickt sich das Wetter an, der Vorhersage zu entsprechen: Eine dichte Wolkendecke bringt zunehmend Regen und der Wind wird stärker.

Regen und ordentlich Wind, hier noch im Landschutz von Samsø.
Regen und ordentlich Wind, hier noch im Landschutz von Samsø.

Das stört uns erstmal nicht weiter, auch auf dem Außensteuerstand sind wir gut geschützt, und Samsø bietet noch bis zur südlichen Spitze Landschutz. Doch schon mit den paar hundert Metern Fetch produziert der Wind eine erstaunliche Welle, wie mag das wohl aussehen, wenn der Fetch dreißig Meilen beträgt?

Die Aufklärung dieser Frage habe ich im Video festgehalten:

Das Schiff arbeitet in der See, die fast genau gegenan kommt. Es heult mit 6 bis 7 Windstärken, ebenfalls genau von vorne. Ein Schlag nach dem anderen lässt den Rumpf erzittern, regelmäßig spritzt die Gischt über das ganze Boot, selbst die GoPro Kamera im Mast bekommt ein paar Tropfen ab. Dafür hat zumindest der Regen aufgehört.

„Was hast Du denn gemacht?!?“

fragt Steffi halb amüsiert, halb verwundert als ich etwas später mit der Kamera in der Hand und völlig durchnässt in den Salon komme. Für einige Aufnahmen im obigen Video hatte ich die GoPro an einer Magnethalterung auf dem Deck befestigt, so dass ich dem Geschehen aus einer geschützten Ecke zugucken konnte. Doch gerade als eine größere Welle überkam war ich im Begriff, die Kamera zu bergen – und war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.

Ein nasser Skipper nach dem Bergen der Kamera.
Ein nasser Skipper nach dem Bergen der Kamera.

Während der Skipper trocknet, stampft die JULIUS weiter durch die bewegte See. Die Zeit zieht sich, die Kinder dösen, Steffi liest in der Achterkabine.  Eigentlich müssten wir langsamer werden, damit der Bug weniger heftig gegen die Wellen schlägt. Aber selbst bis Juelsminde ist es noch weit, und irgendwann würde die Crew zu murren anfangen, also lasse ich die Drehzahl unverändert.

Es zeigt sich, dass wir auch von selbst langsamer werden. Jedenfalls über Grund. Die Wellen und der Wind bremsen die JULIUS immer mehr, mittlerweile auf nur noch eben über vier Knoten. Vier Knoten! Und wir hängen immer noch eben hinter der Südspitze von Samsø. So sind es noch viele, viele Stunden bis Juelsminde – Vejle haben wir für heute schon abgeschrieben.

Ich gehe auf das Achterdeck und schaue die See an. Und mein Boot. Damit ist natürlich alles in Ordnung, für das Schiff ist das bisschen Seegang keine Herausforderung. Obwohl mich ein Knarren und Ächzen von achtern irritiert. Den Blick auf die Davids mit dem dort angehängten Dinghy gerichtet denke ich: „Richtig gut ist das nicht.“

Obwohl ich die Spanngurte, mit denen das Dinghy neben der Aufhängung an drei Punkten vom Schiff fixiert ist, vor der Abfahrt extra fest gespannt hatte, bringen die starken Schläge der entgegenkommenden Wellen das Beiboot in teilweise heftige Bewegung. Die Davits stöhnen unter dieser Last.

Eine unmittelbare Gefahr sehe ich nicht. Aber muss ich das Material so quälen?

Wieder im Salon schaue ich mit einem Stirnrunzeln auf die Navigation. Geschwindigkeit über Grund: 4,1 Knoten. Nein, 4,0 Knoten. Manchmal sogar unter 4 Knoten. Das ist doch irgendwie doof.

Zehn Minuten schaue ich mir das Elend noch an. Dann ist die Entscheidung gefallen.

„Steffi, das hat keinen Sinn hier. Wie drehen ab und laufen nach Kolby Kås auf der Westseite von Samsø!“

rufe ich in die Achterkabine. Auf der Karte habe ich gesehen, dass auf der Seite von Samsø, wo wir mittlerweile sind, ein kleiner Hafen ist. Die Wellen stehen direkt auf der Einfahrt zum Hafen, dort hereinzukommen könnte schwierig werden. Aber lieber versuche ich das, als noch ewig lange mit unter vier Knoten Fahrt gegen die See anzukämpfen und das Material der Davits zu quälen.

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„Oh Gott oh Gott!“

Steffi steht ein gehöriger Schreck in das Gesicht geschrieben. Wir sind nun kurz vor der Einfahrt zum Hafen von Kolby Kås, die See kommt direkt von der Seite. Eigentlich kein Problem mit den Stabilisatoren, aber Wunder können sie auch nicht vollbringen: Eine besonders große Welle hat die JULIUS so ins Rollen gebracht, wie Steffi es noch nie erlebt hat.

„Ruhig bleiben!“

Sagt der Skipper mit betont entspannter Stimme, und dann gewinnt bei Steffi wieder das Vertrauen in das Schiff oberhand. Die Krängung war schon sehr ordentlich, keine Frage, aber völlig ungefährlich.

Wie erwartet laufen die Wellen direkt auf die Hafeneinfahrt zu. So etwas kann gefährlich sein: Wenn es flach ist, könnte das Boot im Wellental auf Grund aufsetzen, oder bei einem Steuerfehler und einer besonders großen Welle querschlagen. Derart dramatisch sieht es hier aber nicht aus, die Einfahrt ist breit, ziemlich tief und die JULIUS kann achterliche See durch das runde Heck sowieso sehr gut ab.

Und so erfordert die Fahrt in den Hafen zwar etwas Konzentration, ist aber letztlich unproblematisch. Kolby Kås ist nur sehr spärlich besucht und wir können uns einen Platz aussuchen. Direkt am Kai liegen wir ruhig und geschützt.

Fest in Kolby Kås, gut geschützt vor WInd und Welle.
Fest in Kolby Kås, gut geschützt vor WInd und Welle.

Der Ort ist klein und sehr beschaulich. Einige Häuser sehen verlassen aus, andere stehen sichtbar zum Verkauf – wer es gerne ruhig mag, ist hier gut aufgehoben. Wir verbringen den restlichen Tag mit spazieren gehen und am Spätnachmittag haben die Kinder sogar noch mal gebadet.

Ein Badesteg an der Steilküste bei Kolby Kås.
Ein Badesteg an der Steilküste bei Kolby Kås.

Die Entscheidung, abzubrechen und hier auf das morgen hoffentlich bessere Wetter zu warten, war absolut richtig. Trotzdem: die Befestigung des Dinghys muss ich verbessern, bei diesen Wellen müssen wir fahren können, ohne Material zu sehr zu quälen.


Dieser Eintrag spielt am 13. August 2016.

4 Kommentare zu “Das hat doch keinen Sinn! Der Trip von Samsø zu einem überraschenden Ziel.

  1. Till Andrzejewski

    Als meine Tochter das Video sah, sagte sie: „Ich fnde das so immer sehr gemütlich. Aber wir hatten die Wellen ja immer nur von der Seite.“
    Dänemark wird mir immer symphatischer, da man ja offensichtlich viele Ausweichhäfen hat. Wir hatten in der Deutschen Bucht eigentlich immer nur ein Ziel, das wir erreichen mussten. Da wird die Ostsee für nächstes Jahr immer wahrescheinlicher.

    Wenn ich den Absatz zu den Davits höre, werde ich mir ein weiteres Mal überlegen, unsere neuen Davits zu verstärken bzw ein eventuelles Beiboot leicht zu halten und vielleicht sogar auflegen zu können. Danke für den Absatz dazu.

    1. Julian Buß

      ja, Dänemark ist wirklich ein einfaches Revier. Wenn es doof wird, kann man eigentlich immer irgendwo hin ablaufen, außer man ist gerade in der Mitte vom Kattegat… obwohl es selbst dort dann noch Anholt in relative Nähe gibt. Ihr werdet es mögen, wenn ihr tatsächlich in die Ostsee fahrt 🙂

  2. Thomas

    So, jetzt habt Ihr einen weiteren Beweis eines seegängigen Schiffes! Und für was hat man(n) ein hohes Schanzkleid? Aber der kluge Skipper denkt an die Belastung der Crew und das war sicher ein guter Entscheid. Tolle Bilder übrigens und wieder einmal mehr, sehr lebhaft und spannend geschrieben. Kompliment und weiterhin gute Fahrt nach Hause.

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