Leserbrief: Katamaran oder Gleiter als besseres Motorboot für Langfahrt?

Ein Motorkatamaran - geeignet für Langfahrt?
Ein Motorkatamaran – geeignet für Langfahrt?

Zu meinem Artikel über seegängige Motorboote in der boote 7/2016 fragt Herrmann aus Wien:

Der Beitrag „Mit dem Motorboot über den Atlantik“ bietet gute Information, lässt aber doch Fragen offen.
Wie natürlich richtig dargestellt, kommt für große Distanzen nur Verdrängungsfahrt in Frage.Dazu die Frage: Wie e f f i z i e n t ist ein ausschließlich für Verdrängungsfahrt optimierter Rumpf im Vergleich zu einem auf Gleitfahrt optimierten Rumpf, der i n V e r d r ä n g u n g s f a h r t gefahren wird.

Sind Verdränger-Rümpfe grundsätzlich seetüchtiger als Gleiter?

Zum Thema Rollen und Rolldämpfungssysteme: Wieso vermeidet der Artikel konsequent (aber eher peinlich) die Existenz von Katamaranen? Nach meinen ersten Segelturns auf Einrumpfern (öfter in der Funktion als Koch, weil nie Seekrank) kam ich schließlich auf einen Kat. Was für ein Genuss: Eine Art „wiegen“ statt rollen, wunderbar besonders wenn man schläft. Dazu die unvergleichlich bessere Manöverierfähigkeit unter Motor!

Sind darüber hinaus nicht optimal geformte Mehrrumpf-Boote grundsätzlich effizienter zu fahren als Monohulls?

[…]

Oft höre ich, Monohull-Yachten seien doch „eleganter“ als diese Kats. Erstens ist mir das egal, wenn ich schlafen will. Zweitens ist jeder Kat eleganter als ein Mono mit Auslegergestellen und daran hängenden Flopperstoppern.

Die Beantwortung solcher Fragen würden meiner Meinung nach den zitierten guten Artikel durchaus noch aufwerten.

Beste Grüße
(Name anonymisiert)
Wien

Alles gute Fragen, hier meine Antwort an Herrmann:

Hallo Herr Bodenseher,

Die boote Redaktion hat mir als Autor des von Ihnen angesprochenen Artikels Ihre Anfrage weitergeleitet.

Ein für Gleitfahrt optimierter Rumpf dürfte in Verdrängerfahrt nicht wesentlich weniger effizient als ein reiner Verdrängerrumpf sein. Da spielen dann Punkte wie die vom Wasser benetzte Fläche, Größe des Propellers etc. eine Rolle, aber wie gesagt, sehr groß dürften die Unterschiede nicht sein.

Das ist m.E. nach aber auch völlig unerheblich, weil ein Gleiter in Verdrängerfahrt vom Verhalten in der See immer unterschiedlich – und schlechter – ist als ein reiner Verdränger, der für diese Art der Fortbewegung gebaut ist. Ein Gleiter mit schönem V-Rumpf kann wunderbar ruhig durch die See gehen – wenn die See nicht zu hoch und der Gleiter in Gleitfahrt ist.

Ebenfalls sind alle mir bekannten Gleiter nicht im Ansatz so gebaut, dass sie genug Brennstoff für die Langfahrt aufnehmen könnten. Denn: Dann wären sie ja so schwer, dass das Gleiten schwieriger und noch mal teurer (vom Energieaufwand her) wird.

Also wird es leider keine gute Kombination aus beiden Welten geben können. Eine Langfahrt mit einem Gleiter, gar über Ozeane, dürfte nur schwierig oder gar nicht machbar sein.

Noch kurz zur Seetüchtigkeit: Es gibt Gleiter, die sehr seetüchtig sind. Zum Beispiel die Yachten von Targa oder andere Norweger und Finnen. Grundsätzlich aber ist ein dafür gebauter Verdrängerrumpf im Vorteil, alleine schon weil er einen viel tieferen Kiel und Schwerpunkt haben kann, während ein Gleiter auf einen tiefen Kiel verzichten muss.

Zur Ihrer Anmerkung bzgl. Katamaran: Ja, natürlich sind Katamarane eine super Sache und lösen das Rollproblem quasi automatisch. Eine Erwähnung im Artikel wäre gut gewesen, ich habe da aber ehrlich gesagt schlicht nicht dran gedacht, weil Katamarane als Motorboote ja auch eine eher neue Entwicklung sind, zumindest im Bereich der Sportboote. Ein Motorkatamaran im Sportbootbereich, der für Langfahrt – also mit ausreichender Brennstoffkapazität – ausgestattet ist, ist mir nicht bekannt.

Auch dürfte es schwierig bis unmöglich sein, in den relativ schmalen Katamaran-Rümpfen einen Maschinenraum (bzwl. in diesem Fall ja sogar zwei) unterzubringen, der den Anforderungen an Langfahrt genügt (d.h. groß ist, damit man sich dadrin bewegen kann). Ferner ist es schon Aufgabe genug auf Langfahrt einen Maschinenraum regelmäßig zu kontrollieren, bei einem Katamaran müsste man immer zwei Maschinenräume alle paar Stunden prüfen.

So toll ein Katamaran bzgl. Rollverhalten ist, sehe ich einen Motorkatamaran für Langfahrt inkl. Ozeanüberquerung persönlich aus den genannten Gründen eher kritisch.

Das alles wären gute Punkte für den Artikel gewesen – aber man kann in einem Magazin-Artikel eben nicht alles unterbringen.

Herzlichen Gruß,

Julian Buß

P.S. „Eleganz“ spielt m.E. nach für eine Unternehmung wie eine Langfahrt eine untergeordnete Rolle, das kann kein Argument für oder gegen Monohull sein 🙂

Und darauf noch eine Antwort von Herrmann:

Hallo Herr Buss,

[…]

Ich kann mich noch an die Kats vor 50 Jahren erinnern, die waren in jeder Hinsicht „abenteuerlich“. Recht bekannt war ein Selberbauer namens Wharram, eine (oder seine?) Firma dieses Namen gibt es heute noch: http://www.wharram.com/site/ . Sein erster Katamaran hat zwar ausgeschaut wie aus Schwemmholz gebaut – und war es wohl auch , sein Design erweist sich aber bis heute als seetüchtig und erfolgreich. Er hat schon damals Baupläne zum Selberbauen verkauft.
Ansonsten hatten damals viele Katamarane allerdings einen eher schlechten Ruf.

Für mich als Physiker war die Idee stets seltsam, Segel-Monohulls mit absolut nicht-seetüchtigen Rümpfen mit drangehängten Tonnen von Blei zu stabilisieren. Eine Konstruktion, die noch dazu bei einem ausreichen großen Leck unglaublich schnell sinkt!!!

Mit dem Problem der Maschinenräume haben Sie natürlich aus mehreren Gründen recht. Segel-Kats machen nämlich nur Freude, wenn sie l e i c h t sind. Will man den Wohnraum in den Rümpfen maximieren, setzt man die Motoren möglichst weit nach Achtern.

Damit wandert allerdings der Schwerpunkt des Bootes nach rückwärts und es neigt daher mehr zum Stampfen. Allerdings kommt man bei Segel-Kats wegen der hohen Effizienz der Bootsform mit relativ kleinen und daher leichten Motoren aus.

Ein Motor-Kat zum Wohlfühlen beginnt daher wohl bei etwa 50 Fuß, da kann man dann auch sehr flexible Hybridantriebe einsetzen, etwa Elektromotoren in Pod-Antrieben oder Jet-Antriebe mit E-Motor und räumlich getrennt davon Motorgeneratoren plus Akku-Module. Aber nicht 12 oder 24 Volt, sondern wie etwa beim Tesla-PKW Modulspannungen um 350 Volt. Damit wird das Boot auch problemlos mit 203 Volt AC versorgt
und jedes Standard-Haushaltsgerät von der Mikrowelle bis zu Fernseher passt.

Es gibt mindestens ein Unternehmen, das Motor-Kats mit großen Solarmodulen baut ganz ohne Verbrennungsmotore. Der Kat eignet sich dafür bestens, weil er eine sehr große Decksfläche hat. Der Akku-Modul ist zwar schwer, aber die E-Moteren sind leicht und praktisch wartungsfrei. Und bei den Akkus ist in nächster
Zeit erheblicher technischer Fortschritt zu erwarten, etwa bei kWh/kg.

Somit hoffe ich, Sie etwas für Katamarane erwärmt zu haben.

[…]
Beste Grüße

(Name anonymisiert)
Wien

Danke, Herrmann, für eine interessante Konversation und die Erlaubnis, dies im Blog zu veröffentlichen!

Nachtrag 6. Juli 2016

Die von Herrmann erwähnten Solar-Katamarane sind unter www.solarwave-yachts.com zu finden.

 

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