Führerlos auf der Elbe

Wir fahren elbabwärts, 40 Minuten vor Glückstadt, die Ruderanlage steht auf Halbautomatik. So reichen kleine Kurskorrekturen alle paar Minuten und ich kann mich entspannt mit Uli unterhalten.

Er ist Fotograf für hochwertige Architekturaufnahmen und erzählt von seinen letzten Aufträgen (Uli kann gebucht werden, sehenswerte Fotos gibts auf ulrich-hoppe.de), als die Julius anfänglich leicht, dann immer deutlicher Kurs auf das Elbufer nimmt. Der Strom ist hier breiter als in Hamburg, aber noch nicht so breit, dass ein falscher Kurs lange toleriert wird.

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„What the f…“ unterbreche ich das Gespräch, lege meine Hand auf den Tiller (Steuerhebel) und versuche, die Julius wieder in die richtige Richtung zu steuern. Keine Reaktion. Uli schaut etwas irritiert, merkt aber, dass ich gerade andere Prioritäten habe und lässt mich machen.

Mein Schiff fährt mittlerweile deutlich auf das schon erstaunlich nahe Ufer zu, das bei dem jetzigen Niedrigwasser noch etwas näher ist. „Platz auf dem Niedergang!“ rufe ich, um meinen Sohn Leo und seinen Freund, die sich unten im Salon aufhalten, zu warnen und stürme zum inneren Steuerstand. Dort ist die Hauptsteuerung der Ruderanlage. Alles sieht auf den ersten Blick normal aus: Kontrolleuchten funktionieren, Ruderlage- und Wendeanzeiger sind aktiv.

Die Radio Zeeland EURO 500 Ruderanlage - Archivbild
Die Radio Zeeland EURO 500 Ruderanlage – Archivbild

Ruhig schalte ich die Anlage auf direkte Steuerung, so dass der Tiller unmittelbar auf das Ruder wirkt. Doch auch jetzt: Keine Steuerwirkung. Schon seltsam, die Anlage kommt aus der Berufsschifffahrt und war bisher perfekt zuverlässig. Ein technischer Defekt scheint mir unwahrscheinlich – aber für eine genaue Analyse ist jetzt natürlich keine Zeit, vor dem Ufer ist eine Fahrwassertonne auf Kollisionskurs, und diese Begegnung möchte ich schon vermeiden.

Also stelle ich die Ruderanlage aus und aktiviere den Plan B: Am Außensteuerstand gibt es noch ein klassisches Steuerrad, das direkt auf die Hydraulik des Ruders wirkt. Ich teste das Steuerrad ab- und zu mal, damit es im Notfall einsatzbereit ist.

„Die Ruderanlage ist ausgefallen“ berichte ich Uli als ich wieder am Außensteuerstand stehe. Kurzzeitig steht in seinen Augen die etwas bange Frage „und nun…?“, bis ich weiterspreche: „Das ist aber kein Problem, ich nehme erstmal das Steuerrad hier.“ Wie erwartet spricht das Ruder sofort auf die Notlösung an und die Julius steuert wieder auf das tiefe Fahrwasser zu.

„Du bist jetzt beunruhigt, was es für ein Problem mit der Ruderanlage gibt?“ fragt Uli. „Geht so, die war bisher immer zuverlässig, es fällt mir schwer zu glauben, dass es ein ernsthaftes Problem gibt“ antworte ich. Aber natürlich denke ich auf dem Rest des Törns darüber nach, was die Ursache für den Ausfall sein könnte und hoffe, dass es kein echtes, teures Problem ist.

Diese Tour ist der erste Schlag von der diesjährigen Überführung nach Damp, und morgen muss ich – wieder alleine – durch den Nord-Ostsee-Kanal. Dort mit dem Steuerrad zu fahren ist kein Vergnügen: Ich müsste kontinuierlich am Ruder stehen, stundenlang. Sonst hält die Halbautomatik der Euro 500 Ruderanlage das Schiff selbsttätig auf geradem Kurs oder folgt einer Kurve, so dass ich auch mal aufstehen und die Hand vom Ruder nehmen kann.

Der Anleger in Glückstadt ist eine Premiere: Mein erstes Manöver mit dem Steuerrad. Es geht alles gut, und als wir festgemacht haben, teste ich die Ruderanlage noch mal: Sie funktioniert wieder!

Das allerdings ist kein gutes Zeichen. Denn ein Ausfall ohne erkennbare Ursache mit magischer Selbstheilung schafft nicht gerade Vertrauen. Uli und die Jungs fahren mit der Bahn zurück nach Hamburg, und ich begebe mich auf Spurensuche im Maschinenraum.

Aber: hier ist alles, wie es sein soll. Kein ausgelaufenes Öl. Alle Stecker sind fest. Keine Korrosion an elektrischen Kontakten. Ein offensichtliches Problem ist nicht erkennbar.

Ich habe Hunger, also vertage ich die weitere Forschung auf später. Damit ich kochen kann, muss ich den Generator starten. Dessen Kontrollen leuchten auch brav, aber eine Drehung des Zündschlüssels bewirkt – nichts. Außer einem Stirnrunzeln bei mir.

Bei geöffneter Tür vom Maschinenraum versuche ich es erneut und höre nur ein äußerst schwaches Ächzen des Anlassers. Klare Diagnose: Starterbatterie leer.

Der Generator hat eine eigene Starterbatterie, die mittels 230V Inverter und Ladegerät von der großen Batteriebank geladen und frisch gehalten wird. Dieses Ladegerät hatte ich ausgeschaltet, es zog immer Strom und ich sah keinen plausiblen Grund, warum eine Starterbatterie ständig geladen werden sollte.

Nun war eben diese Batterie aber leer. Warum?

Die genauere Betrachtung dieser Batterie im Maschinenraum ergab dann die Erklärung, die einige von Euch vielleicht schon ahnen: An dieser Generator-Starterbatterie ist auch ein Motor angeschlossen, der Hydraulikdruck für die Ruderanlage erzeugt. Das entsprechende Kabel war etwas versteckt und ich hattes es bisher noch nicht bemerkt.

Somit hat dieser Hydraulikmotor stundenlang einwandfrei der Ruderanlage gedient und dabei die Batterie geleert. Da ich das Ladegerät ausgeschaltet hatte, wurde die Batterie nicht wieder nachgeladen, und irgendwann reichte die Energie nicht, der Hydraulikmotor ging aus und die Befehle der Ruderanlage konnten nicht mehr umgesetzt werden.

Nun war ich sehr zufrieden. Es gab eine einwandfreie und sehr simple Erklärung für den Ausfall der Ruderanlage, der auch noch fantastisch einfach zu beheben war: Ich habe den Stecker des Ladegerätes wieder in die Steckdose gesteckt, nach einer halben Stunde sprang der Generator wieder an und am nächsten Tag arbeitete die Ruderanlage wieder wie gewohnt.

Und warum lief die Anlage wieder, nachdem wir in Glückstadt festgemacht hatten? In der Zwischenzeit hatte sich die Batterie etwas erholt, so dass der Motor wieder für eine kurze Zeit genug Strom bekommen hatte.

Der Hafen von Glückstadt am frühen Morgen
Glückstadt am nächsten Morgen

 

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