Überlegungen zu einem neuen Radarsystem

Auf meiner MY Xenia hatte ich bisher ein altes Furono Radar, mit dem klassischen Röhren-Sichtgerät. Funktioniert, kann aber nicht das, was ich will und das fette Sichtgerät stört am Steuerstand. Daher sollte nun eine neue Radaranlage her.

Grundsätzliche Zielstellung war, nachts und bei schlechter Sicht sicher navigieren zu können. Schlechte Sicht tagsüber ist recht selten, aber Nachtfahrten kommen bei uns immer häufiger vor.

Im Detail soll das Radarsystem bei mir folgendes leisten:

  • Tracking von beweglichen Zielen (MARPA)
  • zuverlässige Warnung, wenn ein Ziel dem eigenen Boot zu nahe kommt
  • Reichweite zwischen 12 und 20 Meilen, mehr ist sowieso nicht realistisch, wenn die Antenne ca. 4,5m über der Wasserlinie montiert ist
  • Overlay des Radarbildes über eine Karte
  • Overlay von AIS Zielen zum Radarbild
  • finden von unbefeuerten Tonnen in der Nacht
  • finden von anderen Booten in einer nächtlichen Ankerbucht
  • Stromverbrauch ist sekundär, da Motorboot
  • einfache Unterscheidung von starken und schwachen Echos
  • wenn möglich, DualRange (also parallele Darstellung von zwei Radarbildern mit unterschiedlichen Reichweiten)

Bisher war kein Multifunktionsdisplay (MFD) vorhanden. Mein Kartenplotter ist ein zuverlässiges Notebook mit Coastal Explorer und Karten vom NV Verlag. Daran will ich auch nichts ändern, das MFD soll dann hauptsächlich für Radar, Darstellung von NMEA0183/2K Daten und alternative Kartografie da sein.

Vorhanden ist bisher ein Raymarine SPX-5 Autopilot mit P70 Instrument und dem dahinterliegenden SeaTalkNG (NMEA2000) Backbone.

Broadband vs. klassisches Radar

Seit einigen Jahren gibt es nun das „Wunderradar“ von Navico (Lowrance, B&G, Simrad). Es hat unbestreitbare Vorzüge (Stromverbrauch, Strahlenbelastung, super Auflösung im Nahbereich) – trotzdem habe ich mich dagegen entschieden. Warum?

Der Stromverbrauch ist bei mir kein Kriterium, bei Seglern ist das anders, aber ich habe unterwegs quasi beliebig viel Strom.

Die Strahlenbelastung ist ebenfalls kein Kriterium, dort, wo die Antenne montiert ist, ist das Schiff sicher vor der Radarkeule. Zumal wir dann, wenn das Radar läuft (nachts, schlechtes Wetter) sowieso von drinnen fahren.

Auflösung im Nahbereich ist da schon eher wichtig. Schließlich will ich auch die Tonnen in einem engen Fahrwasser sehen und auseinanderhalten, und in einer Ankerbucht will ich auch nachts erkennen, welches Boot wo liegt.
So gut Broadband da ist, soweit ich recherchiert habe, ist ein modernes „HD Digital“ Radar (so die Marketing-Bezeichnung) da auch nicht wesentlich schlechter.

Selbst auf meinem uralten Furono Radar konnte ich auch sehr viel im Nahbereich erkennen. Und da sich die klassische Radartechnik in den letzten 30 Jahren erheblich weiterentwickelt haben dürfte, halte ich es für unwahrscheinlich, dass ein klassisches Radar da so sehr viel schlechter dasteht als ein Broadband Radar.

Im Fernbereich und bei der Erkennung von Landmassen ist Broadband wohl in der Regel etwas schlechter als das klassische Radar, wobei sich bei den 4G Antennen da wohl auch eine Menge getan hat.

Bei der Identifikation von Regenfronten ist Broadband klar schlechter, soweit ich diverse Berichte im Netz gelesen habe.

Ein ausführlicher Artikel zum Thema in der Palstek ergab eigentlich die nicht ernst gemeinte Empfehlung, beide System an Bord zu haben, weil beide halt Vor- und Nachteile haben.

Da nun also weder das eine noch das andere System „perfekt“ ist, beide aber vermutlich meine Zielstellungen erfüllen, habe ich andere Kriterien in die Überlegung einfliessen lassen.

Weitere Überlegungen

Da ich bereits eine Raymarine Infrastruktur habe (SeaTalkNG, Autopilot) liegt es nahe, sich auch weiter an Raymarine zu orientieren.

Ein Vergleich eines Raymarine e7 MFD zu den kleinen MFDs von Simrad und Lowrance (B&G ist praktisch das gleiche wie Simrad) hat für mich klare Argumente für Raymarine ergeben:

  • -Die Lighthouse-Oberfläche von Raymarine finde ich sehr durchdacht und perfekt gemacht.
  • Touch ist für mich (Innensteuerstand) optimal (können Lowrance und Simrad aber auch).
  • Das e7 hat eine höhere Auflösung als die kleinen Plotter von Lowrance und Simrad (800×400 gegenüber 640xirgendwas).
  • Die Darstellung von NMEA Daten finde ich beim e7 gelungen.
  • Das e7 habe ich bei meinen Tests als sehr schnell empfunden.
  • Optisch finde ich das e7 sehr gut gelungen, um das Display herum ist nur sehr wenig Gehäuse, die Simrad-MFDs verbrauchen mehr Platz.
  • Nach dem Studium der Bedienungsanleitung finde ich, dass das Raymarine alles kann, was ich will und vor allem alles auch so bedient wird, wie ich es erwarten würde – die anderen MFDs habe ich aber nur oberflächlich studiert und nicht so genau wie das e7.

Garmin war gar kein Thema. Ich habe ein kleines Garmin MFD im Außenbereich, aber Radar traue ich denen weniger zu, auch wenn das eher ein Bauchgefühl ist statt auf harten Fakten zu beruhen.

Die Furono MFDs sind absolut super, aber für mich leider auch völlig außerhalb des Budgets.

Kosten

Mein Budget ist nicht unbegrenzt (dann wäre es vermutlich Furono geworden). Und man muss einfach sagen, die Kombi aus Raymarine e7 und 418HD Radarantenne ein gutes Preis-Leistungsverhältnis darstellt.

Für ein Broadband Radar müsste ich ein MFD von Navico nehmen, von denen nur die ganz kleinen (7 Zoll) bezahlbar sind, mir aber eine zu geringe Auflösung haben. Die nächstgrößeren (9 Zoll) kosten dann gleich mal über 1000 Euro mehr, was ich so gar nicht nachvollziehen kann.

Das ist bei Raymarine auch so, das 9 Zoll MFD kostet auch viel, viel mehr als das e7, aber das e7 hat die gleiche Auflösung wie das 9 Zoll Gerät – daher kann man mit dem e7 auch sehr gut leben denke ich.

Also: Broadband mit einem 9 Zoll Navico MFD (egal ob Lowrance, Simrad oder B&G) wären mir auch einfach zu teuer gewesen.

Also lief es bei mir auf das Raymarine e7 mit der 418HD Radarantenne hinaus.

Warum die HD Version und nicht die günstigere Digital Version?

Die HD Radarantenne stellt die Echos mit mehr Farben dar als die günstigere Digitalversion und hat schlauere Software, durch die Echos sauberer dargestellt werden. Ich erhoffen mir vor allem von der Farbgebung, die Stärke von Echos gut unterscheiden zu können.

In jedem Fall war der Preisunterschied zwischen der Digital und der HD Antenne für mich zu gering, als dass ich dafür auf die HD Vorteile verzichtet hätte.

Soweit zu meinen Überlegungen und Recherchen. Eine gute Quelle für Navigations-Elektronik-Tests ist übrigens panbo.com.

Erste Erfahrungen

Nach den ersten Törns mit dem neuen System bin ich begeistert! Im Unterschied zu dem uralten Furono Radar ist das eine ganz andere Welt. Selbst kleine Segelboote und 5m Motorboote kann ich zuverlässig auf dem Radar sehen. Einzelne Ziele via Marpa verfolgen zu können ist ein super Hilfsmittel und funktioniert einwandfrei.
Die Überlagerung einer Karte mit Radar, Marpa und AIS Zielen ist ebenfalls sehr nützlich.

Das Raymarine e7 MFD erfüllt ebenfalls alle meine Erwartungen, ich komme mit der Oberfläche sehr gut zurecht und komme schnell und problemlos an alle gewünschten Funktionen. Die Bedienung via Touch ist hervorragend und ich kann mir nicht vorstellen, eine Lösung ohne Touch zu verwenden. Wer die Anschaffung eines neuen MFDs überlegt, sollte unbedingt ein Modell mit Touch wählen!

Die Kartografie mit Navionics Platinum Karten ist gut, aber ich als reine Navigationslösung wäre mir das Display zu klein. Außerdem würde ich nicht von meinen bewährten NV Karten weg wollen, auf denen erheblich mehr Informationen enthalten sind als bei allen Vektor-Karten. Die Luftbilder von Navionics gefallen mir aber gut.

Auf jeden Fall ist es aber auch ein gutes Gefühl, ein weiteres Backup für die Navigation zu haben, falls das Notebook ausfällt (was bisher aber in vier Jahren noch nicht einmal passiert ist).

So sieht es jetzt aus

Am Steuerstand sieht man das Raymarine e7 MFD über meinem Navigations-Notebook:
M2

Und so sieht die Radarantenne auf dem Geräteträger aus:
M3

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